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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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viel von diesen Grenzen zu wissen. Vom ersten Hefte an bis zum neunten
hat die Verlagshandlung, einer leider immer mehr um sich greifenden gar¬
stigen Unsitte folgend, den zur Recension versandten Gratisexemplaren ein
autographirtes "Resums zur gefälligen Benutzung" beigelegt, d. h. mit andern
Worten eine dreiste Selbstlobhudelei. Jedes anständige kritische Organ wirft
natürlich derartige -- Zettel ohne weiteres in den Papierkorb. Es giebt aber
doch Zeitungen genug -- selbst Zeitungen mit reichen Mitteln, die einen an¬
ständigen literarischen Berichterstatter anständig honoriren könnten -- welche
sich nicht schämen, regelmäßig solche Zusendungen verbo teuus abzudrucken.
Mit Beispielen können wir aufwarten, und der Herr Verleger der "Deutschen
Revue" jedenfalls mit der zehnfachen Anzahl. Vom zweiten Hefte an hat sich
aber nun auch die neue "Revue" beeilt, auf ihrem Umschlage wirkliche "Ur¬
theile der Presse" mitzutheilen. Auf dem zweiten Hefte sind sechs solche Ur¬
theile, auf dem dritten Hefte vier "weitere Urtheile", und auf dem vierten
abermals sieben mitgetheilt, unter welchen letzteren "weiteren" sich leider --
natürlich nur durch ein Versehen -- eines befindet, das bereits auf dem
zweiten Hefte wiedergegeben war. Diese Zeitungen sprechen sich -- und es
ist ein ehrenvolles Zeugniß sür sie, daß sie dem ungefärbter "Resum6 zur
gefälligen Benutzung" keine Beachtung geschenkt haben -- sämmtlich sehr vor¬
sichtig und zurückhaltend über das neue Unternehmen ans. Sie beschränken
sich in der Hauptsache darauf, den Prospekt mit anderen Worten zu reprodu-
ziren und fügen ein paar Bemerkungen hinzu, was die neue Zeitschrift "werden
will" oder "werden soll" oder "zu werden verspricht", wenn sie ihr Programm
wirklich erfüllt, sie heißen die neue Genossin "gern willkommen" und bemerken,
daß "Niemand sie ohne Belehrung bei Seite legen werde" (Kölnische Zeitung)
daß man sie "jedem Gebildeten zur Lektüre empfehlen könne (Nationalzeitung),
daß sie "der Beachtung der Gebildeten würdig sei" (Neue Freie Presse). Da
sich unter den "weiteren" Urtheilen auf dem vierten Hefte bereits einige sehr
obskure Lokalblätter befinden, z. B. die Remscheider Zeitung, die ihr Urtheil
in die naive Phrase zusammenfaßt: "Wo Namen wie die angeführten figuriren
(figuriren! Du ahnungsvoller Engel, du!), ist eine weitere Empfehlung über¬
flüssig", da ferner ein Urtheil vom zweiten Hefte hier bereits wiederholt er¬
scheint, so darf man wohl annehmen, daß der Chorus der urtheilenden Zeitungen
damit so ziemlich erschöpft gewesen sein wird. Wie groß ist nun abermals
unser Erstaunen, wenn wir im fünften Hefte in einem etwas metcunorphosirten
Prospekte dnrch die Mittheilung überrascht werden: "Von der gestimmten
Presse ist die Deutsche Revue als die wichtigste und nützlichste Zeit¬
schrift für jeden gebildeten Deutschen anerkannt und hervorgehoben
worden, (was? die Revue ist hervorgehoben worden? Ja so, es ist hervorge-


viel von diesen Grenzen zu wissen. Vom ersten Hefte an bis zum neunten
hat die Verlagshandlung, einer leider immer mehr um sich greifenden gar¬
stigen Unsitte folgend, den zur Recension versandten Gratisexemplaren ein
autographirtes „Resums zur gefälligen Benutzung" beigelegt, d. h. mit andern
Worten eine dreiste Selbstlobhudelei. Jedes anständige kritische Organ wirft
natürlich derartige — Zettel ohne weiteres in den Papierkorb. Es giebt aber
doch Zeitungen genug — selbst Zeitungen mit reichen Mitteln, die einen an¬
ständigen literarischen Berichterstatter anständig honoriren könnten — welche
sich nicht schämen, regelmäßig solche Zusendungen verbo teuus abzudrucken.
Mit Beispielen können wir aufwarten, und der Herr Verleger der „Deutschen
Revue" jedenfalls mit der zehnfachen Anzahl. Vom zweiten Hefte an hat sich
aber nun auch die neue „Revue" beeilt, auf ihrem Umschlage wirkliche „Ur¬
theile der Presse" mitzutheilen. Auf dem zweiten Hefte sind sechs solche Ur¬
theile, auf dem dritten Hefte vier „weitere Urtheile", und auf dem vierten
abermals sieben mitgetheilt, unter welchen letzteren „weiteren" sich leider —
natürlich nur durch ein Versehen — eines befindet, das bereits auf dem
zweiten Hefte wiedergegeben war. Diese Zeitungen sprechen sich — und es
ist ein ehrenvolles Zeugniß sür sie, daß sie dem ungefärbter „Resum6 zur
gefälligen Benutzung" keine Beachtung geschenkt haben — sämmtlich sehr vor¬
sichtig und zurückhaltend über das neue Unternehmen ans. Sie beschränken
sich in der Hauptsache darauf, den Prospekt mit anderen Worten zu reprodu-
ziren und fügen ein paar Bemerkungen hinzu, was die neue Zeitschrift „werden
will" oder „werden soll" oder „zu werden verspricht", wenn sie ihr Programm
wirklich erfüllt, sie heißen die neue Genossin „gern willkommen" und bemerken,
daß „Niemand sie ohne Belehrung bei Seite legen werde" (Kölnische Zeitung)
daß man sie „jedem Gebildeten zur Lektüre empfehlen könne (Nationalzeitung),
daß sie „der Beachtung der Gebildeten würdig sei" (Neue Freie Presse). Da
sich unter den „weiteren" Urtheilen auf dem vierten Hefte bereits einige sehr
obskure Lokalblätter befinden, z. B. die Remscheider Zeitung, die ihr Urtheil
in die naive Phrase zusammenfaßt: „Wo Namen wie die angeführten figuriren
(figuriren! Du ahnungsvoller Engel, du!), ist eine weitere Empfehlung über¬
flüssig", da ferner ein Urtheil vom zweiten Hefte hier bereits wiederholt er¬
scheint, so darf man wohl annehmen, daß der Chorus der urtheilenden Zeitungen
damit so ziemlich erschöpft gewesen sein wird. Wie groß ist nun abermals
unser Erstaunen, wenn wir im fünften Hefte in einem etwas metcunorphosirten
Prospekte dnrch die Mittheilung überrascht werden: „Von der gestimmten
Presse ist die Deutsche Revue als die wichtigste und nützlichste Zeit¬
schrift für jeden gebildeten Deutschen anerkannt und hervorgehoben
worden, (was? die Revue ist hervorgehoben worden? Ja so, es ist hervorge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/91>, abgerufen am 29.05.2024.