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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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gemäßer Entwickelung eingetreten. Ein kriegerisches Fürstengeschlecht hatte die
Landschaft um Athen vereinigt; diese Einheit beruhte jedoch weder auf der
Herrschaft eines Stammes über das Volk, noch auf der Herrschaft eines Lan¬
destheiles über das Land. Die Kraft, welche solcher höheren Einheit ent¬
sprang, sich in einem tüchtigen Waffenadel verkörperte und von der Hand
königlicher Kriegsherrn geschickt verwendet wurde, hatte genügt, die Uebermacht
der Phöniker an den Küsten von Hellas zu brechen und dem Anfalle der Dorier
zu widerstehn. Nttika warb die Zufluchtsstätte aller Vertriebenen und diese,
welche meist edle" Geschlechtern angehörten, die den Dorier" wichen, gewährte"
dem attischen Adel eine nicht unbedeutende Verstärkung. Dieser Adel, welcher
in Folge dessen 360 Geschlechter zählte, die den gemeinschaftlichen Namen der
Eupatriden führten, zerfiel in vier Genossenschaften. Der um Ilissos wohnende
Theil, von dein die Vereinigung der Landschaft ausgegangen war, behauptete
unter dem Namen der Geleonten, d. h. der Glänzenden, den ersten Rang; die
um Marathon sitzende" Geschlechter hieße" die Hoplite", die Bewaffneten; der
eleusinische Adel führte den Namen der Argadeis (Arbeiter) "ub der des inneren
Berglandes den der Aegikoreis, der Ziegenhirten. Mit dein Selbstgefühl und
der Abgeschlossenheit dieses Adels dem Volke gegenüber steigerte sich auch die
Entschiedenheit seiner Haltung gegenüber der Krone. Bald w"rde das Erb-
kömgthmn in ein Wahlkönigthnm auf Zeit umgewandelt und im Jahre 682
v. Chr. endlich ganz abgeschafft. Die Regierung ging in die Hände von nenn
Archonten über, dere" dritter den Titel des Kriegsherrn, Polemarchos, erhielt;
die Geschlechtshäupter des Adels jedoch erhoben sich zu Obrigkeiten der Bailern,
welche bisher unmittelbar nnter dem Könige gestanden und in ihm ihren
natürlichen Beschützer gefunden hatten. Nun hielt der Adel seine Stellung für
so befestigt, daß er die Bauern auch z" den Lasten heranzuziehn begatt",
welche bisher ausschließlich ans seinen Schulter" gelegen hatte". Die vor¬
nehmste dieser Lasten aber war der Waffendienst, der Schutz des Landes.

Die emporsteigende Macht der Nachbarn Attikas, namentlich Korinths,
Megaras, Chnlkis und Eretrias, ließ es gehste" erscheinen, ein zahlreicheres
Heer als bisher aufzustellen und besonders auch über eine Flotte zu verfügen;
denu der Küstenschutz war immer die Hauptsache.

Die dafür nöthigen Leistungen ließen sich nicht wie die bisherigen nach
Stämmen und Bauerschaften vertheile", und so entschloß man sich, das ge¬
stimmte Land in 48 lokale Bezirke einzutheilen, welche man Nankrcirien d. h.
Schiffsherrschaften nannte, auf deren Grundlage man aber nicht nur das
Flottenwesen, sondern auch die Einrichtungen für den Landkrieg regelte. Für
diesen hatte jede Naukrcirie ans den Adelsfamilien 2 Ritter mit ihren Knechten
zu stellen, von den anderen Edelsitze" und aus der Bauerschaft aber eine an-


gemäßer Entwickelung eingetreten. Ein kriegerisches Fürstengeschlecht hatte die
Landschaft um Athen vereinigt; diese Einheit beruhte jedoch weder auf der
Herrschaft eines Stammes über das Volk, noch auf der Herrschaft eines Lan¬
destheiles über das Land. Die Kraft, welche solcher höheren Einheit ent¬
sprang, sich in einem tüchtigen Waffenadel verkörperte und von der Hand
königlicher Kriegsherrn geschickt verwendet wurde, hatte genügt, die Uebermacht
der Phöniker an den Küsten von Hellas zu brechen und dem Anfalle der Dorier
zu widerstehn. Nttika warb die Zufluchtsstätte aller Vertriebenen und diese,
welche meist edle» Geschlechtern angehörten, die den Dorier» wichen, gewährte»
dem attischen Adel eine nicht unbedeutende Verstärkung. Dieser Adel, welcher
in Folge dessen 360 Geschlechter zählte, die den gemeinschaftlichen Namen der
Eupatriden führten, zerfiel in vier Genossenschaften. Der um Ilissos wohnende
Theil, von dein die Vereinigung der Landschaft ausgegangen war, behauptete
unter dem Namen der Geleonten, d. h. der Glänzenden, den ersten Rang; die
um Marathon sitzende» Geschlechter hieße» die Hoplite», die Bewaffneten; der
eleusinische Adel führte den Namen der Argadeis (Arbeiter) »ub der des inneren
Berglandes den der Aegikoreis, der Ziegenhirten. Mit dein Selbstgefühl und
der Abgeschlossenheit dieses Adels dem Volke gegenüber steigerte sich auch die
Entschiedenheit seiner Haltung gegenüber der Krone. Bald w»rde das Erb-
kömgthmn in ein Wahlkönigthnm auf Zeit umgewandelt und im Jahre 682
v. Chr. endlich ganz abgeschafft. Die Regierung ging in die Hände von nenn
Archonten über, dere» dritter den Titel des Kriegsherrn, Polemarchos, erhielt;
die Geschlechtshäupter des Adels jedoch erhoben sich zu Obrigkeiten der Bailern,
welche bisher unmittelbar nnter dem Könige gestanden und in ihm ihren
natürlichen Beschützer gefunden hatten. Nun hielt der Adel seine Stellung für
so befestigt, daß er die Bauern auch z» den Lasten heranzuziehn begatt»,
welche bisher ausschließlich ans seinen Schulter» gelegen hatte». Die vor¬
nehmste dieser Lasten aber war der Waffendienst, der Schutz des Landes.

Die emporsteigende Macht der Nachbarn Attikas, namentlich Korinths,
Megaras, Chnlkis und Eretrias, ließ es gehste» erscheinen, ein zahlreicheres
Heer als bisher aufzustellen und besonders auch über eine Flotte zu verfügen;
denu der Küstenschutz war immer die Hauptsache.

Die dafür nöthigen Leistungen ließen sich nicht wie die bisherigen nach
Stämmen und Bauerschaften vertheile», und so entschloß man sich, das ge¬
stimmte Land in 48 lokale Bezirke einzutheilen, welche man Nankrcirien d. h.
Schiffsherrschaften nannte, auf deren Grundlage man aber nicht nur das
Flottenwesen, sondern auch die Einrichtungen für den Landkrieg regelte. Für
diesen hatte jede Naukrcirie ans den Adelsfamilien 2 Ritter mit ihren Knechten
zu stellen, von den anderen Edelsitze» und aus der Bauerschaft aber eine an-


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[0099] gemäßer Entwickelung eingetreten. Ein kriegerisches Fürstengeschlecht hatte die Landschaft um Athen vereinigt; diese Einheit beruhte jedoch weder auf der Herrschaft eines Stammes über das Volk, noch auf der Herrschaft eines Lan¬ destheiles über das Land. Die Kraft, welche solcher höheren Einheit ent¬ sprang, sich in einem tüchtigen Waffenadel verkörperte und von der Hand königlicher Kriegsherrn geschickt verwendet wurde, hatte genügt, die Uebermacht der Phöniker an den Küsten von Hellas zu brechen und dem Anfalle der Dorier zu widerstehn. Nttika warb die Zufluchtsstätte aller Vertriebenen und diese, welche meist edle» Geschlechtern angehörten, die den Dorier» wichen, gewährte» dem attischen Adel eine nicht unbedeutende Verstärkung. Dieser Adel, welcher in Folge dessen 360 Geschlechter zählte, die den gemeinschaftlichen Namen der Eupatriden führten, zerfiel in vier Genossenschaften. Der um Ilissos wohnende Theil, von dein die Vereinigung der Landschaft ausgegangen war, behauptete unter dem Namen der Geleonten, d. h. der Glänzenden, den ersten Rang; die um Marathon sitzende» Geschlechter hieße» die Hoplite», die Bewaffneten; der eleusinische Adel führte den Namen der Argadeis (Arbeiter) »ub der des inneren Berglandes den der Aegikoreis, der Ziegenhirten. Mit dein Selbstgefühl und der Abgeschlossenheit dieses Adels dem Volke gegenüber steigerte sich auch die Entschiedenheit seiner Haltung gegenüber der Krone. Bald w»rde das Erb- kömgthmn in ein Wahlkönigthnm auf Zeit umgewandelt und im Jahre 682 v. Chr. endlich ganz abgeschafft. Die Regierung ging in die Hände von nenn Archonten über, dere» dritter den Titel des Kriegsherrn, Polemarchos, erhielt; die Geschlechtshäupter des Adels jedoch erhoben sich zu Obrigkeiten der Bailern, welche bisher unmittelbar nnter dem Könige gestanden und in ihm ihren natürlichen Beschützer gefunden hatten. Nun hielt der Adel seine Stellung für so befestigt, daß er die Bauern auch z» den Lasten heranzuziehn begatt», welche bisher ausschließlich ans seinen Schulter» gelegen hatte». Die vor¬ nehmste dieser Lasten aber war der Waffendienst, der Schutz des Landes. Die emporsteigende Macht der Nachbarn Attikas, namentlich Korinths, Megaras, Chnlkis und Eretrias, ließ es gehste» erscheinen, ein zahlreicheres Heer als bisher aufzustellen und besonders auch über eine Flotte zu verfügen; denu der Küstenschutz war immer die Hauptsache. Die dafür nöthigen Leistungen ließen sich nicht wie die bisherigen nach Stämmen und Bauerschaften vertheile», und so entschloß man sich, das ge¬ stimmte Land in 48 lokale Bezirke einzutheilen, welche man Nankrcirien d. h. Schiffsherrschaften nannte, auf deren Grundlage man aber nicht nur das Flottenwesen, sondern auch die Einrichtungen für den Landkrieg regelte. Für diesen hatte jede Naukrcirie ans den Adelsfamilien 2 Ritter mit ihren Knechten zu stellen, von den anderen Edelsitze» und aus der Bauerschaft aber eine an-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/99>, abgerufen am 14.05.2024.