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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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Kaum anderthalb Jahre später führte der Zwang der Verhältnisse Wallen¬
stein an die Spitze des Heeres zurück, das er sich freilich erst selbst schaffen
mußte, wie das erste. Er erhielt unter Bedingungen das Kommando, deren
Druck auf den Kaiser eine Hauptursache zur späteren Katastrophe ward, auf
denen zu bestehen der Feldherr jedoch in seinem eignen und im allgemeinen
Interesse allen Grund hatte. Er sollte es führen "in adMlrttissiiri^ torina,",
kein selbständiges Kommando neben dem seinen und keine fremden, d. h. nicht
in kaiserlichem Dienste stehenden Truppen sollten im Reiche existiren; denn er
dachte, was ihn Schiller zu Questenberg sagen läßt:


"-- Ein König, -- einer, der es ist,
Ward nie besiegt noch, als dnrch seinesgleichen."

Ihm persönlich war die Zurückgabe des von den Schweden besetzten Mecklen¬
burg zugesichert, das er fünf Jahre früher als Entgelt für seine Auflagen
erhalten, oder, falls jenes Herzogthum nicht wieder zu erlangen sei, die Ueber¬
weisung eines andern Reichsfürstenthums als "Rekompens". Aber er zog nicht
bloß aus, um Städte zu belagern und Schlachten zu schlagen, anch nicht nur,
um sich selbst eine glänzende Stellung im Kreise der deutscheu Fürsten zu er¬
obern, sondern vor Allem, um den Frieden mit den deutschen Protestanten, an
erster Stelle mit Sachsen und Brandenburg zu schließen, den schrecklichen Krieg
zu beenden. Aber dies konnte nur dann gelingen, wenn er ihnen eins zu
bieten hatte: die Aufhebung des verhängnißvollen Restitutionsebikts. Daß
Wallenstein nur unter dieser Bedingung zum zweiten Male die Waffen ergriff,
dies Zugeständniß dem Kaiser abzwang, das ist es, was ihn zum Staatsmann
macht, was die historische Bedeutung seines zweiten Generalats begründet, was
ihm den Anspruch giebt, mit anderem Maße gemessen zu werden als mit dem
des ehrgeizigen, ruchlosen Emporkömmlings.

Sehr viel von einem solchen war allerdings in ihm. Ihn trieb ein ge¬
waltiges Selbstbewußtsein, ein hochstrebender, rastloser Ehrgeiz von Stufe zu
Stufe: als kleiner böhmischer Landjunker hatte er begonnen, als Herzog von
Friedland und Reichsfürst endete er. Er liebte es, Pläne zu schmieden, Unter¬
handlungen nach den verschiedensten Seiten anzuknüpfen, ohne gerade immer
sie in vollem Ernste zu nehmen oder sie bis zu ihren letzten Konsequenzen zu
verfolgen. Heftig war sein Haß gegen alle, die ihm persönlich die Wege
kreuzten, dann pflegte er wohl in der Erregung harte Drohungen auszustoßen,
die oft gefährlicher klangen als sie gemeint waren, und gar nicht vermied er
es, seine Feinde persönlich seine Rache fühlen zu lassen, besonders, wenn sie
im Range über ihm standen. Als Emporkömmling war er Fatalist; mie
Napoleon I. an seinen Stern, so glaubte er sest an die wahrsagende Kraft
himmlischer Konstellationen, und wenn seine Entschlüsse oft einmal nicht recht


Kaum anderthalb Jahre später führte der Zwang der Verhältnisse Wallen¬
stein an die Spitze des Heeres zurück, das er sich freilich erst selbst schaffen
mußte, wie das erste. Er erhielt unter Bedingungen das Kommando, deren
Druck auf den Kaiser eine Hauptursache zur späteren Katastrophe ward, auf
denen zu bestehen der Feldherr jedoch in seinem eignen und im allgemeinen
Interesse allen Grund hatte. Er sollte es führen „in adMlrttissiiri^ torina,",
kein selbständiges Kommando neben dem seinen und keine fremden, d. h. nicht
in kaiserlichem Dienste stehenden Truppen sollten im Reiche existiren; denn er
dachte, was ihn Schiller zu Questenberg sagen läßt:


„— Ein König, — einer, der es ist,
Ward nie besiegt noch, als dnrch seinesgleichen."

Ihm persönlich war die Zurückgabe des von den Schweden besetzten Mecklen¬
burg zugesichert, das er fünf Jahre früher als Entgelt für seine Auflagen
erhalten, oder, falls jenes Herzogthum nicht wieder zu erlangen sei, die Ueber¬
weisung eines andern Reichsfürstenthums als „Rekompens". Aber er zog nicht
bloß aus, um Städte zu belagern und Schlachten zu schlagen, anch nicht nur,
um sich selbst eine glänzende Stellung im Kreise der deutscheu Fürsten zu er¬
obern, sondern vor Allem, um den Frieden mit den deutschen Protestanten, an
erster Stelle mit Sachsen und Brandenburg zu schließen, den schrecklichen Krieg
zu beenden. Aber dies konnte nur dann gelingen, wenn er ihnen eins zu
bieten hatte: die Aufhebung des verhängnißvollen Restitutionsebikts. Daß
Wallenstein nur unter dieser Bedingung zum zweiten Male die Waffen ergriff,
dies Zugeständniß dem Kaiser abzwang, das ist es, was ihn zum Staatsmann
macht, was die historische Bedeutung seines zweiten Generalats begründet, was
ihm den Anspruch giebt, mit anderem Maße gemessen zu werden als mit dem
des ehrgeizigen, ruchlosen Emporkömmlings.

Sehr viel von einem solchen war allerdings in ihm. Ihn trieb ein ge¬
waltiges Selbstbewußtsein, ein hochstrebender, rastloser Ehrgeiz von Stufe zu
Stufe: als kleiner böhmischer Landjunker hatte er begonnen, als Herzog von
Friedland und Reichsfürst endete er. Er liebte es, Pläne zu schmieden, Unter¬
handlungen nach den verschiedensten Seiten anzuknüpfen, ohne gerade immer
sie in vollem Ernste zu nehmen oder sie bis zu ihren letzten Konsequenzen zu
verfolgen. Heftig war sein Haß gegen alle, die ihm persönlich die Wege
kreuzten, dann pflegte er wohl in der Erregung harte Drohungen auszustoßen,
die oft gefährlicher klangen als sie gemeint waren, und gar nicht vermied er
es, seine Feinde persönlich seine Rache fühlen zu lassen, besonders, wenn sie
im Range über ihm standen. Als Emporkömmling war er Fatalist; mie
Napoleon I. an seinen Stern, so glaubte er sest an die wahrsagende Kraft
himmlischer Konstellationen, und wenn seine Entschlüsse oft einmal nicht recht


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[0010] Kaum anderthalb Jahre später führte der Zwang der Verhältnisse Wallen¬ stein an die Spitze des Heeres zurück, das er sich freilich erst selbst schaffen mußte, wie das erste. Er erhielt unter Bedingungen das Kommando, deren Druck auf den Kaiser eine Hauptursache zur späteren Katastrophe ward, auf denen zu bestehen der Feldherr jedoch in seinem eignen und im allgemeinen Interesse allen Grund hatte. Er sollte es führen „in adMlrttissiiri^ torina,", kein selbständiges Kommando neben dem seinen und keine fremden, d. h. nicht in kaiserlichem Dienste stehenden Truppen sollten im Reiche existiren; denn er dachte, was ihn Schiller zu Questenberg sagen läßt: „— Ein König, — einer, der es ist, Ward nie besiegt noch, als dnrch seinesgleichen." Ihm persönlich war die Zurückgabe des von den Schweden besetzten Mecklen¬ burg zugesichert, das er fünf Jahre früher als Entgelt für seine Auflagen erhalten, oder, falls jenes Herzogthum nicht wieder zu erlangen sei, die Ueber¬ weisung eines andern Reichsfürstenthums als „Rekompens". Aber er zog nicht bloß aus, um Städte zu belagern und Schlachten zu schlagen, anch nicht nur, um sich selbst eine glänzende Stellung im Kreise der deutscheu Fürsten zu er¬ obern, sondern vor Allem, um den Frieden mit den deutschen Protestanten, an erster Stelle mit Sachsen und Brandenburg zu schließen, den schrecklichen Krieg zu beenden. Aber dies konnte nur dann gelingen, wenn er ihnen eins zu bieten hatte: die Aufhebung des verhängnißvollen Restitutionsebikts. Daß Wallenstein nur unter dieser Bedingung zum zweiten Male die Waffen ergriff, dies Zugeständniß dem Kaiser abzwang, das ist es, was ihn zum Staatsmann macht, was die historische Bedeutung seines zweiten Generalats begründet, was ihm den Anspruch giebt, mit anderem Maße gemessen zu werden als mit dem des ehrgeizigen, ruchlosen Emporkömmlings. Sehr viel von einem solchen war allerdings in ihm. Ihn trieb ein ge¬ waltiges Selbstbewußtsein, ein hochstrebender, rastloser Ehrgeiz von Stufe zu Stufe: als kleiner böhmischer Landjunker hatte er begonnen, als Herzog von Friedland und Reichsfürst endete er. Er liebte es, Pläne zu schmieden, Unter¬ handlungen nach den verschiedensten Seiten anzuknüpfen, ohne gerade immer sie in vollem Ernste zu nehmen oder sie bis zu ihren letzten Konsequenzen zu verfolgen. Heftig war sein Haß gegen alle, die ihm persönlich die Wege kreuzten, dann pflegte er wohl in der Erregung harte Drohungen auszustoßen, die oft gefährlicher klangen als sie gemeint waren, und gar nicht vermied er es, seine Feinde persönlich seine Rache fühlen zu lassen, besonders, wenn sie im Range über ihm standen. Als Emporkömmling war er Fatalist; mie Napoleon I. an seinen Stern, so glaubte er sest an die wahrsagende Kraft himmlischer Konstellationen, und wenn seine Entschlüsse oft einmal nicht recht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/10>, abgerufen am 16.05.2024.