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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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äußersten Fall einen Rückhalt zu versichern: er sandte den Herzog Franz Albert
von Lauenburg zu Bernhard von Weimar. Er selbst verpflichtete in neuer
Versammlung am 18. und 19. Februar nochmals seine Offiziere zur Treue,
nach alleu Richtungen ergingen seine Befehle, um bis zum 24. seine Regimenter
um Prag zu konzentriren. Hier am Weißen Berge, auf dem Felde der Un¬
glücksschlacht, die Böhmen's Rechte und Religionsfreiheit zertrümmert, wollte
er den Frieden mit Sachsen und Brandenburg proklcimiren, der aus der Gleich¬
berechtigung beider Konfessionen auch in den österreichischen Erbländer, der
Wiederherstellung der böhmischen Emigranten, der Sicherung seiner eignen
Stellung sich auferbauen sollte. Wie wollte der Kaiserhof es wagen, seine
Anerkennung zu weigern, wenn die Armee ihren Feldherrn mit starkem Arme
aufrecht hielt?

Wenn sie es that. Daß Wallenstein fest auf ihre Treue baute, daß er
sie, die er in des Kaisers Namen geworben, auch gegen den Kaiser fortzu¬
reißen meinte, das war der größte Fehler im Exempel des klugen Rechners.
Auf die Nachricht von der beabsichtigten zweiten Versammlung zu Pilsen und
dem Scheitern des Verhaftungsversuchs war in Wien der letzte Schlag be-
schlossen worden: das kaiserliche Patent vom 18. Februar verfügte die sofortige
Entsetzung Wallenstein's, Jlow's, Trvka's*), und wies alle Offiziere an, sie zu
verlassen. Durch offne Erklärung, Wallenstein sei ein Verrüther, schwankend
gemacht, fielen die Prager Regimenter ab, schwuren dem Kaiser anf's Neue die
Treue. Ihrem Beispiele folgten rasch alle Truppen in Böhmen, Mähren,
Schlesien. Im Momente der Entscheidung versagte dem Feldherrn sein Heer.
Es ging zu Ende.

Am 21. Februar war es, da meldete in Pilsen Oberst Sparr, daß Prag
verloren sei. Der Eindruck war tief und niederschmetternd. In wildem Zorne
brauste Graf Tröka auf, stumm blickten Jlow und Kinsky zu Boden. Nur
Wallenstein verlor seine Haltung uicht. "Ich hatte den Frieden in meiner
Hand", sagte er dem Oberst Beck; er verbarg sich nicht, daß er verspielt habe.
Doch sein persönliches Interesse gab er keineswegs verloren. Noch verfügte er
über mehrere Tausend Mann, Pilsen, Eger, Ellenbogen hielt er in seiner Hand,
er war kein verächtlicher Bundesgenosse, wenn er jetzt, um sich selbst zu retten,
den Schweden sich in die Arme warf. Und das wollte er. Ein Schreiben
nach dem andern, immer eiliger, immer dringender -- dreizehn Kuriere flogen
in diesen drangvollen Tagen zwischen Pilsen und Regensburg hin und her --
sandte Jlow nach Regensburg an Herzog Bernhard, er möge auf Eger mar-
schiren zur Vereinigung mit dem Feldherrn. Zögernd, mißtrauisch setzte sich



") So ist der richtige Name des von Schiller Tcrzky genannten Generals.

äußersten Fall einen Rückhalt zu versichern: er sandte den Herzog Franz Albert
von Lauenburg zu Bernhard von Weimar. Er selbst verpflichtete in neuer
Versammlung am 18. und 19. Februar nochmals seine Offiziere zur Treue,
nach alleu Richtungen ergingen seine Befehle, um bis zum 24. seine Regimenter
um Prag zu konzentriren. Hier am Weißen Berge, auf dem Felde der Un¬
glücksschlacht, die Böhmen's Rechte und Religionsfreiheit zertrümmert, wollte
er den Frieden mit Sachsen und Brandenburg proklcimiren, der aus der Gleich¬
berechtigung beider Konfessionen auch in den österreichischen Erbländer, der
Wiederherstellung der böhmischen Emigranten, der Sicherung seiner eignen
Stellung sich auferbauen sollte. Wie wollte der Kaiserhof es wagen, seine
Anerkennung zu weigern, wenn die Armee ihren Feldherrn mit starkem Arme
aufrecht hielt?

Wenn sie es that. Daß Wallenstein fest auf ihre Treue baute, daß er
sie, die er in des Kaisers Namen geworben, auch gegen den Kaiser fortzu¬
reißen meinte, das war der größte Fehler im Exempel des klugen Rechners.
Auf die Nachricht von der beabsichtigten zweiten Versammlung zu Pilsen und
dem Scheitern des Verhaftungsversuchs war in Wien der letzte Schlag be-
schlossen worden: das kaiserliche Patent vom 18. Februar verfügte die sofortige
Entsetzung Wallenstein's, Jlow's, Trvka's*), und wies alle Offiziere an, sie zu
verlassen. Durch offne Erklärung, Wallenstein sei ein Verrüther, schwankend
gemacht, fielen die Prager Regimenter ab, schwuren dem Kaiser anf's Neue die
Treue. Ihrem Beispiele folgten rasch alle Truppen in Böhmen, Mähren,
Schlesien. Im Momente der Entscheidung versagte dem Feldherrn sein Heer.
Es ging zu Ende.

Am 21. Februar war es, da meldete in Pilsen Oberst Sparr, daß Prag
verloren sei. Der Eindruck war tief und niederschmetternd. In wildem Zorne
brauste Graf Tröka auf, stumm blickten Jlow und Kinsky zu Boden. Nur
Wallenstein verlor seine Haltung uicht. „Ich hatte den Frieden in meiner
Hand", sagte er dem Oberst Beck; er verbarg sich nicht, daß er verspielt habe.
Doch sein persönliches Interesse gab er keineswegs verloren. Noch verfügte er
über mehrere Tausend Mann, Pilsen, Eger, Ellenbogen hielt er in seiner Hand,
er war kein verächtlicher Bundesgenosse, wenn er jetzt, um sich selbst zu retten,
den Schweden sich in die Arme warf. Und das wollte er. Ein Schreiben
nach dem andern, immer eiliger, immer dringender — dreizehn Kuriere flogen
in diesen drangvollen Tagen zwischen Pilsen und Regensburg hin und her —
sandte Jlow nach Regensburg an Herzog Bernhard, er möge auf Eger mar-
schiren zur Vereinigung mit dem Feldherrn. Zögernd, mißtrauisch setzte sich



") So ist der richtige Name des von Schiller Tcrzky genannten Generals.
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[0019] äußersten Fall einen Rückhalt zu versichern: er sandte den Herzog Franz Albert von Lauenburg zu Bernhard von Weimar. Er selbst verpflichtete in neuer Versammlung am 18. und 19. Februar nochmals seine Offiziere zur Treue, nach alleu Richtungen ergingen seine Befehle, um bis zum 24. seine Regimenter um Prag zu konzentriren. Hier am Weißen Berge, auf dem Felde der Un¬ glücksschlacht, die Böhmen's Rechte und Religionsfreiheit zertrümmert, wollte er den Frieden mit Sachsen und Brandenburg proklcimiren, der aus der Gleich¬ berechtigung beider Konfessionen auch in den österreichischen Erbländer, der Wiederherstellung der böhmischen Emigranten, der Sicherung seiner eignen Stellung sich auferbauen sollte. Wie wollte der Kaiserhof es wagen, seine Anerkennung zu weigern, wenn die Armee ihren Feldherrn mit starkem Arme aufrecht hielt? Wenn sie es that. Daß Wallenstein fest auf ihre Treue baute, daß er sie, die er in des Kaisers Namen geworben, auch gegen den Kaiser fortzu¬ reißen meinte, das war der größte Fehler im Exempel des klugen Rechners. Auf die Nachricht von der beabsichtigten zweiten Versammlung zu Pilsen und dem Scheitern des Verhaftungsversuchs war in Wien der letzte Schlag be- schlossen worden: das kaiserliche Patent vom 18. Februar verfügte die sofortige Entsetzung Wallenstein's, Jlow's, Trvka's*), und wies alle Offiziere an, sie zu verlassen. Durch offne Erklärung, Wallenstein sei ein Verrüther, schwankend gemacht, fielen die Prager Regimenter ab, schwuren dem Kaiser anf's Neue die Treue. Ihrem Beispiele folgten rasch alle Truppen in Böhmen, Mähren, Schlesien. Im Momente der Entscheidung versagte dem Feldherrn sein Heer. Es ging zu Ende. Am 21. Februar war es, da meldete in Pilsen Oberst Sparr, daß Prag verloren sei. Der Eindruck war tief und niederschmetternd. In wildem Zorne brauste Graf Tröka auf, stumm blickten Jlow und Kinsky zu Boden. Nur Wallenstein verlor seine Haltung uicht. „Ich hatte den Frieden in meiner Hand", sagte er dem Oberst Beck; er verbarg sich nicht, daß er verspielt habe. Doch sein persönliches Interesse gab er keineswegs verloren. Noch verfügte er über mehrere Tausend Mann, Pilsen, Eger, Ellenbogen hielt er in seiner Hand, er war kein verächtlicher Bundesgenosse, wenn er jetzt, um sich selbst zu retten, den Schweden sich in die Arme warf. Und das wollte er. Ein Schreiben nach dem andern, immer eiliger, immer dringender — dreizehn Kuriere flogen in diesen drangvollen Tagen zwischen Pilsen und Regensburg hin und her — sandte Jlow nach Regensburg an Herzog Bernhard, er möge auf Eger mar- schiren zur Vereinigung mit dem Feldherrn. Zögernd, mißtrauisch setzte sich ") So ist der richtige Name des von Schiller Tcrzky genannten Generals.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/19>, abgerufen am 16.05.2024.