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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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finsteres Sinnen verloren stand Leßley, stumm, unentschlossen Gordon, lauernd
beobachtete sie Butter. Da bricht das rathlose Schweigen Leßley mit dem
Rufe: "Laßt uns sie tödten, die Verräther." Eifrig stimmte Butter bei
-- ihm nahm der Schotte das Wort vom Munde -- zögernd gab Gordon
nach. Die furchtbare That ward beschlossen.

Die Verhältnisse lagen günstig. Arglos hatten sich Wallenstein's Ver¬
traute, Jlow, Tröka, Kinsky und Neumann, ihr Geheimsekretär, für den Abend
bei Gordon zu Gaste geladen -- es war die Zeit fröhlicher Fastnachts-
fchmäuse --; an seiner eignen Tafel auf der Burg, die auf steilem Felsen hoch
über dem Egerflusse ragt, wollte Gordon feine Gäste ermorden lassen. Es
war in den ersten Abendstunden, als sie dort in einem Erker des großen
Rnudbogensaales im alten Pallas Friedrich Barbarossa's sich zu Tische setzten.
Noch genossen sie eine Stunde heiteren Muthes; ihre Gedanken flogen weit
voraus in eine glänzende Zukunft, sie brachten Trinksprüche auf Wallenstein
und seine Pläne, auf Bernhard von Weimar, den nunmehrigen Bundesgenossen.
Da wurden gegen 9 Uhr Leßley die Schlüssel des Burgthores überbracht, es
war das verabredete Signal. Die Seitenthüren des Saales fliegen auf, Dra¬
goner Butler's dringen herein, den blanken Stoßdegen in der Faust. Jäh gellt
ihr Ruf: "Viva Kaiser Ferdinando!" den überraschten Gästen an das Ohr.
Sie greifen nach dem Degen, aber noch ehe sie zum Widerstande fertig sind,
fallen sie bereits unter den Streichen der Iren. Nur Tröka reißt die Waffe
von der Wand, wie ein Verzweifelter fechtend sinkt auch er. Den Rittmeister
Neumann, der bis auf den Hof entkommen, streckt dort ein Schuß der Wache
zu Boden. In wenigen gräßlichen Minuten ist Alles vorüber.

Die Getreuen lagen in ihrem Blute, noch blieb ihr Führer. Leßley eilt
uach der Hauptwache, um die Leute dort zu unterrichten und für den Kaiser
in Pflicht zu nehmen, Butter's Dragoner besetzen die Straßen. Der Sturm,
der heulend und rasselnd um Giebel und Schornsteine durch die schwarze Nacht
einherfährt, verschlingt jedes Waffengeräusch. Noch einmal haben da im letzten
Augenblick die Verschwornen Rath gehalten, ob sie Wallenstein nicht schonen,
ihn nur gefangen nehmen sollten, aber die Nähe der Schweden, die Stimmung
seiner eignen noch ahnungslosen Truppen machten jeden milderen Ausweg un¬
möglich, man schritt zur That. Major Geraldin und Butter besetzten die Zu¬
gänge des Hauses am Markte, dann stieg Hauptmann Deveroux mit sechs
Dragonern die große Treppe hinauf zum ersten Stock. Eben hat der Kammer¬
diener dem Feldherrn den Schlaftrunk gebracht, als er zurückkehrend auf dem
Flur den Bewaffneten begegnet. Ein rascher Stoß macht ihn stumm, die Thür
zum Vorzimmer wird gesprengt, die Mörder dringen ein.--

Wallenstein war aufgesprungen, wahrscheinlich beunruhigt durch das


Grenzboten IV. 1878. 3

finsteres Sinnen verloren stand Leßley, stumm, unentschlossen Gordon, lauernd
beobachtete sie Butter. Da bricht das rathlose Schweigen Leßley mit dem
Rufe: „Laßt uns sie tödten, die Verräther." Eifrig stimmte Butter bei
— ihm nahm der Schotte das Wort vom Munde — zögernd gab Gordon
nach. Die furchtbare That ward beschlossen.

Die Verhältnisse lagen günstig. Arglos hatten sich Wallenstein's Ver¬
traute, Jlow, Tröka, Kinsky und Neumann, ihr Geheimsekretär, für den Abend
bei Gordon zu Gaste geladen — es war die Zeit fröhlicher Fastnachts-
fchmäuse —; an seiner eignen Tafel auf der Burg, die auf steilem Felsen hoch
über dem Egerflusse ragt, wollte Gordon feine Gäste ermorden lassen. Es
war in den ersten Abendstunden, als sie dort in einem Erker des großen
Rnudbogensaales im alten Pallas Friedrich Barbarossa's sich zu Tische setzten.
Noch genossen sie eine Stunde heiteren Muthes; ihre Gedanken flogen weit
voraus in eine glänzende Zukunft, sie brachten Trinksprüche auf Wallenstein
und seine Pläne, auf Bernhard von Weimar, den nunmehrigen Bundesgenossen.
Da wurden gegen 9 Uhr Leßley die Schlüssel des Burgthores überbracht, es
war das verabredete Signal. Die Seitenthüren des Saales fliegen auf, Dra¬
goner Butler's dringen herein, den blanken Stoßdegen in der Faust. Jäh gellt
ihr Ruf: „Viva Kaiser Ferdinando!" den überraschten Gästen an das Ohr.
Sie greifen nach dem Degen, aber noch ehe sie zum Widerstande fertig sind,
fallen sie bereits unter den Streichen der Iren. Nur Tröka reißt die Waffe
von der Wand, wie ein Verzweifelter fechtend sinkt auch er. Den Rittmeister
Neumann, der bis auf den Hof entkommen, streckt dort ein Schuß der Wache
zu Boden. In wenigen gräßlichen Minuten ist Alles vorüber.

Die Getreuen lagen in ihrem Blute, noch blieb ihr Führer. Leßley eilt
uach der Hauptwache, um die Leute dort zu unterrichten und für den Kaiser
in Pflicht zu nehmen, Butter's Dragoner besetzen die Straßen. Der Sturm,
der heulend und rasselnd um Giebel und Schornsteine durch die schwarze Nacht
einherfährt, verschlingt jedes Waffengeräusch. Noch einmal haben da im letzten
Augenblick die Verschwornen Rath gehalten, ob sie Wallenstein nicht schonen,
ihn nur gefangen nehmen sollten, aber die Nähe der Schweden, die Stimmung
seiner eignen noch ahnungslosen Truppen machten jeden milderen Ausweg un¬
möglich, man schritt zur That. Major Geraldin und Butter besetzten die Zu¬
gänge des Hauses am Markte, dann stieg Hauptmann Deveroux mit sechs
Dragonern die große Treppe hinauf zum ersten Stock. Eben hat der Kammer¬
diener dem Feldherrn den Schlaftrunk gebracht, als er zurückkehrend auf dem
Flur den Bewaffneten begegnet. Ein rascher Stoß macht ihn stumm, die Thür
zum Vorzimmer wird gesprengt, die Mörder dringen ein.--

Wallenstein war aufgesprungen, wahrscheinlich beunruhigt durch das


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[0021] finsteres Sinnen verloren stand Leßley, stumm, unentschlossen Gordon, lauernd beobachtete sie Butter. Da bricht das rathlose Schweigen Leßley mit dem Rufe: „Laßt uns sie tödten, die Verräther." Eifrig stimmte Butter bei — ihm nahm der Schotte das Wort vom Munde — zögernd gab Gordon nach. Die furchtbare That ward beschlossen. Die Verhältnisse lagen günstig. Arglos hatten sich Wallenstein's Ver¬ traute, Jlow, Tröka, Kinsky und Neumann, ihr Geheimsekretär, für den Abend bei Gordon zu Gaste geladen — es war die Zeit fröhlicher Fastnachts- fchmäuse —; an seiner eignen Tafel auf der Burg, die auf steilem Felsen hoch über dem Egerflusse ragt, wollte Gordon feine Gäste ermorden lassen. Es war in den ersten Abendstunden, als sie dort in einem Erker des großen Rnudbogensaales im alten Pallas Friedrich Barbarossa's sich zu Tische setzten. Noch genossen sie eine Stunde heiteren Muthes; ihre Gedanken flogen weit voraus in eine glänzende Zukunft, sie brachten Trinksprüche auf Wallenstein und seine Pläne, auf Bernhard von Weimar, den nunmehrigen Bundesgenossen. Da wurden gegen 9 Uhr Leßley die Schlüssel des Burgthores überbracht, es war das verabredete Signal. Die Seitenthüren des Saales fliegen auf, Dra¬ goner Butler's dringen herein, den blanken Stoßdegen in der Faust. Jäh gellt ihr Ruf: „Viva Kaiser Ferdinando!" den überraschten Gästen an das Ohr. Sie greifen nach dem Degen, aber noch ehe sie zum Widerstande fertig sind, fallen sie bereits unter den Streichen der Iren. Nur Tröka reißt die Waffe von der Wand, wie ein Verzweifelter fechtend sinkt auch er. Den Rittmeister Neumann, der bis auf den Hof entkommen, streckt dort ein Schuß der Wache zu Boden. In wenigen gräßlichen Minuten ist Alles vorüber. Die Getreuen lagen in ihrem Blute, noch blieb ihr Führer. Leßley eilt uach der Hauptwache, um die Leute dort zu unterrichten und für den Kaiser in Pflicht zu nehmen, Butter's Dragoner besetzen die Straßen. Der Sturm, der heulend und rasselnd um Giebel und Schornsteine durch die schwarze Nacht einherfährt, verschlingt jedes Waffengeräusch. Noch einmal haben da im letzten Augenblick die Verschwornen Rath gehalten, ob sie Wallenstein nicht schonen, ihn nur gefangen nehmen sollten, aber die Nähe der Schweden, die Stimmung seiner eignen noch ahnungslosen Truppen machten jeden milderen Ausweg un¬ möglich, man schritt zur That. Major Geraldin und Butter besetzten die Zu¬ gänge des Hauses am Markte, dann stieg Hauptmann Deveroux mit sechs Dragonern die große Treppe hinauf zum ersten Stock. Eben hat der Kammer¬ diener dem Feldherrn den Schlaftrunk gebracht, als er zurückkehrend auf dem Flur den Bewaffneten begegnet. Ein rascher Stoß macht ihn stumm, die Thür zum Vorzimmer wird gesprengt, die Mörder dringen ein.-- Wallenstein war aufgesprungen, wahrscheinlich beunruhigt durch das Grenzboten IV. 1878. 3

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/21>, abgerufen am 15.05.2024.