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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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nachlässigen Gebiete der Kunst werden müsse. Die Staatsregierung hatte die
ersten Schritte bereits mit einer Reorganisation der vollständig verzopften
Kunstakademie gethan. Das lange verwaiste Institut hatte in A. v. Werner
einen thatkräftigen Leiter erhalten, und in Krams, Gussow, Knille, Hertel,
Michael, Thumann, F. Meyerheim, F. Schayer u. a. war eine Anzahl tüch¬
tiger Lehrer gewonnen worden, deren gemeinsame Wirksamkeit die ersprießlichsten
Resultate hoffen ließ. Es waren ferner die Mittel für ein vor der Hand provi¬
forisches Kunstausstelluugsgebäude bewilligt worden, nachdem die beschränkten,
lichtlosen Räume in der alten Akademie schon längst das öffentliche Aergerniß
erregt hatten. Der jetzige Baurath Orth hatte, im Vertrauen darauf, daß das
Provisorium nicht länger als acht bis zehn Jahre andauern würde, in kurzer
Zeit einen äußerlich ganz schmucklosen, aber den Bedürfnissen vollkommen ent¬
sprechenden Fachwerksbau errichtet, der zum größten Theil auf Pfählen steht,
welche in die Spree eingerammt worden sind. Weshalb der Architekt sich zu
einem solchen "Pfahlbau" entschloß, hat seinen Grund darin, daß er das dis¬
ponible Terrain auf der Museumsinsel für den definitiven Bau, zu welchem
er bereits die großartigsten Pläne entworfen, frei halten wollte. Die Aussicht
ans eine Ausführung dieser Pläne, denen der Gedanke einer Verbindung der
Gemäldegalerie, der Kunstakademie und des Kunstausstellungsgebäudes zu einem
imposanten, terrassenartig sich erhebenden Bau zu Grunde liegt, ist jetzt mehr
als jemals in die Ferne gerückt, seitdem ganz andere und ernstere Sorgen die
Staatsregierung beschäftigen. Baurath Orth hat in dem provisorischen Ans-
stellungsgebäude zugleich die Beleuchtungsprinzipien durchgeführt, zu welchen
er auf Grund eingehender Studien in den wichtigsten Galerien Europa's ge¬
langt war und die sich seither, abgesehen von einigen geringen, noch nothwen¬
digen Modifikationen, als praktisch erwiesen haben. Diese Modifikationen be¬
stehen vorzugsweise darin, daß das allzu stark eindringende Licht durch horizontal
aufgehängte Velarien gedämpft werden muß, wie es in den Kunstabtheilungen
der Pariser Weltausstellung durchweg geschehen ist. Wenn früher über allzu
große Dunkelheit der Ausstellungsräume geklagt wurde, so klagt man jetzt über
ein zu scharfes, kaltes, gleichmäßiges Licht.

Die Auspizien, unter welchen die erste Ausstellung in diesem Gebäude er¬
öffnet wurde, waren also ungemein günstig, und die Stimmen der wenigen,
die sich gegen eine alljährliche Wiederholung der Ausstellungen erhoben hatten,
wurden durch den allgemeinen Jubel übertönt. Die letzteren hatten geltend
gemacht, daß Berlin bei weitem noch nicht der Mittelpunkt des geistigen Lebens
in Deutschland sei, daß andere Städte wie München und Düsseldorf ein viel
reicher entwickeltes Kunstleben und ein viel lebendigeres Kunstinteresse besäßen
als Berlin, daß die deutsche Kunst nicht genng Produktionskraft besäße, um


nachlässigen Gebiete der Kunst werden müsse. Die Staatsregierung hatte die
ersten Schritte bereits mit einer Reorganisation der vollständig verzopften
Kunstakademie gethan. Das lange verwaiste Institut hatte in A. v. Werner
einen thatkräftigen Leiter erhalten, und in Krams, Gussow, Knille, Hertel,
Michael, Thumann, F. Meyerheim, F. Schayer u. a. war eine Anzahl tüch¬
tiger Lehrer gewonnen worden, deren gemeinsame Wirksamkeit die ersprießlichsten
Resultate hoffen ließ. Es waren ferner die Mittel für ein vor der Hand provi¬
forisches Kunstausstelluugsgebäude bewilligt worden, nachdem die beschränkten,
lichtlosen Räume in der alten Akademie schon längst das öffentliche Aergerniß
erregt hatten. Der jetzige Baurath Orth hatte, im Vertrauen darauf, daß das
Provisorium nicht länger als acht bis zehn Jahre andauern würde, in kurzer
Zeit einen äußerlich ganz schmucklosen, aber den Bedürfnissen vollkommen ent¬
sprechenden Fachwerksbau errichtet, der zum größten Theil auf Pfählen steht,
welche in die Spree eingerammt worden sind. Weshalb der Architekt sich zu
einem solchen „Pfahlbau" entschloß, hat seinen Grund darin, daß er das dis¬
ponible Terrain auf der Museumsinsel für den definitiven Bau, zu welchem
er bereits die großartigsten Pläne entworfen, frei halten wollte. Die Aussicht
ans eine Ausführung dieser Pläne, denen der Gedanke einer Verbindung der
Gemäldegalerie, der Kunstakademie und des Kunstausstellungsgebäudes zu einem
imposanten, terrassenartig sich erhebenden Bau zu Grunde liegt, ist jetzt mehr
als jemals in die Ferne gerückt, seitdem ganz andere und ernstere Sorgen die
Staatsregierung beschäftigen. Baurath Orth hat in dem provisorischen Ans-
stellungsgebäude zugleich die Beleuchtungsprinzipien durchgeführt, zu welchen
er auf Grund eingehender Studien in den wichtigsten Galerien Europa's ge¬
langt war und die sich seither, abgesehen von einigen geringen, noch nothwen¬
digen Modifikationen, als praktisch erwiesen haben. Diese Modifikationen be¬
stehen vorzugsweise darin, daß das allzu stark eindringende Licht durch horizontal
aufgehängte Velarien gedämpft werden muß, wie es in den Kunstabtheilungen
der Pariser Weltausstellung durchweg geschehen ist. Wenn früher über allzu
große Dunkelheit der Ausstellungsräume geklagt wurde, so klagt man jetzt über
ein zu scharfes, kaltes, gleichmäßiges Licht.

Die Auspizien, unter welchen die erste Ausstellung in diesem Gebäude er¬
öffnet wurde, waren also ungemein günstig, und die Stimmen der wenigen,
die sich gegen eine alljährliche Wiederholung der Ausstellungen erhoben hatten,
wurden durch den allgemeinen Jubel übertönt. Die letzteren hatten geltend
gemacht, daß Berlin bei weitem noch nicht der Mittelpunkt des geistigen Lebens
in Deutschland sei, daß andere Städte wie München und Düsseldorf ein viel
reicher entwickeltes Kunstleben und ein viel lebendigeres Kunstinteresse besäßen
als Berlin, daß die deutsche Kunst nicht genng Produktionskraft besäße, um


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/23>, abgerufen am 15.05.2024.