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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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Oesterreicher fast ganz zurückgeblieben. Nur Alma-Tadema ist erschienen, aber
mit einem Bilde, das nicht geeignet ist, seinen Ruf zu erhöhen. Von namhaften
deutschen Künstlern vermissen wir vor allen übrigen Kraus, der seine neuesten
Bilder, einen Trödler, der seinen jungen Sohn in die Mysterien des höheren
Kleiderhandels einweiht und das dazu gehörige Pendant, wie der Jüngling das
erste verdiente Markstück pfiffig schmunzelnd in sein schmutziges Portemonnaie
steckt, nach Paris geschickt hat, dann A. v. Werner, den einerseits das Arrange¬
ment des deutschen Salons in Paris, andrerseits die Vorarbeiten zu dem ihm
vom Berliner Magistrate aufgetragenen großen Gruppenbilde des Kongresses
in Anspruch genommen hatten, ferner Kuille, den phantasievollen Schöpfer des
Tannhäuserbildes in der Nationalgalerie, Gussow, den kühnen bahnbrechenden
Realisten, den phantastischen Böcklin und verschiedene andere, denen ein her¬
vorragender Antheil an dem Erfolge gebührt, welchen die deutsche Kunst in
Paris erzielt.

Auch die Noth der Zeit, die von Jahr zu Jahr schwerer auf unserer Kunst
lastet, mag ihre Schuld daran tragen, daß die diesjährige Ausstellung so er¬
heblich hinter ihren Vorgängerinnen zurück geblieben ist. Sie hat besonders
auf die Malerei großen Stils, auf die Historienmalerei gewirkt, die gerade in
diesem Jahre so dürftig vertreten ist wie nie zuvor. In Frankreich riskiren
die Maler auch in schlechten Zeiten ein Bild, das einen großen Zeit- und Geld¬
aufwand erfordert, weil die Aussicht eiues Verkaufs ohne jeden Vergleich größer
ist als in Deutschland, da dort der Staat planmäßig die Malerei großen Stils
durch Ankäufe für die Museen der Hauptstadt und der Provinzen unterstützt.
In Deutschland, speziell in Berlin, glaubt man genug gethan zu haben, wenn
man alle Jahre einem werdenden Künstler einen Staatspreis für einen zwei¬
jährigen Aufenthalt in Italien zuwendet. Was später aus ihm wird, darum
kümmert sich der Staat uicht im geringsten. Belohnungen und Ankäufe "zur
Ermuthigung", die in Frankreich zu den stehenden Institutionen gehören, kennt
Man in Deutschland nicht.

Wenn man die zweiundzwanzig Säle und Galerien des Knnstausstellungs-
gebäudes durchwandert hat, glaubt man nichts weiter gesehen zu haben als
Porträts und zwar überwiegend schlechte, Landschaften und Genrebilder. Und
in der That haben diese drei Spezies der Malerei numerisch ein so starkes
Uebergewicht, daß das Dutzend Historienbilder, das herauskommt, wenn man
den Begriff des Historienbildes ziemlich weit zieht und historisches Genre mit
hineinrechnet, neben den 112 Porträts, den 330 Landschaften und den 270
Genrebildern gar nicht zur Geltung gelangt. Was noch fehlt, um die Summe
von 836 Gemälden voll zu machen, vertheilt sich auf das Stillleben (41), das
Thierstück (18), das Architekturbild (14) und das mythologische Genre (10).


Oesterreicher fast ganz zurückgeblieben. Nur Alma-Tadema ist erschienen, aber
mit einem Bilde, das nicht geeignet ist, seinen Ruf zu erhöhen. Von namhaften
deutschen Künstlern vermissen wir vor allen übrigen Kraus, der seine neuesten
Bilder, einen Trödler, der seinen jungen Sohn in die Mysterien des höheren
Kleiderhandels einweiht und das dazu gehörige Pendant, wie der Jüngling das
erste verdiente Markstück pfiffig schmunzelnd in sein schmutziges Portemonnaie
steckt, nach Paris geschickt hat, dann A. v. Werner, den einerseits das Arrange¬
ment des deutschen Salons in Paris, andrerseits die Vorarbeiten zu dem ihm
vom Berliner Magistrate aufgetragenen großen Gruppenbilde des Kongresses
in Anspruch genommen hatten, ferner Kuille, den phantasievollen Schöpfer des
Tannhäuserbildes in der Nationalgalerie, Gussow, den kühnen bahnbrechenden
Realisten, den phantastischen Böcklin und verschiedene andere, denen ein her¬
vorragender Antheil an dem Erfolge gebührt, welchen die deutsche Kunst in
Paris erzielt.

Auch die Noth der Zeit, die von Jahr zu Jahr schwerer auf unserer Kunst
lastet, mag ihre Schuld daran tragen, daß die diesjährige Ausstellung so er¬
heblich hinter ihren Vorgängerinnen zurück geblieben ist. Sie hat besonders
auf die Malerei großen Stils, auf die Historienmalerei gewirkt, die gerade in
diesem Jahre so dürftig vertreten ist wie nie zuvor. In Frankreich riskiren
die Maler auch in schlechten Zeiten ein Bild, das einen großen Zeit- und Geld¬
aufwand erfordert, weil die Aussicht eiues Verkaufs ohne jeden Vergleich größer
ist als in Deutschland, da dort der Staat planmäßig die Malerei großen Stils
durch Ankäufe für die Museen der Hauptstadt und der Provinzen unterstützt.
In Deutschland, speziell in Berlin, glaubt man genug gethan zu haben, wenn
man alle Jahre einem werdenden Künstler einen Staatspreis für einen zwei¬
jährigen Aufenthalt in Italien zuwendet. Was später aus ihm wird, darum
kümmert sich der Staat uicht im geringsten. Belohnungen und Ankäufe „zur
Ermuthigung", die in Frankreich zu den stehenden Institutionen gehören, kennt
Man in Deutschland nicht.

Wenn man die zweiundzwanzig Säle und Galerien des Knnstausstellungs-
gebäudes durchwandert hat, glaubt man nichts weiter gesehen zu haben als
Porträts und zwar überwiegend schlechte, Landschaften und Genrebilder. Und
in der That haben diese drei Spezies der Malerei numerisch ein so starkes
Uebergewicht, daß das Dutzend Historienbilder, das herauskommt, wenn man
den Begriff des Historienbildes ziemlich weit zieht und historisches Genre mit
hineinrechnet, neben den 112 Porträts, den 330 Landschaften und den 270
Genrebildern gar nicht zur Geltung gelangt. Was noch fehlt, um die Summe
von 836 Gemälden voll zu machen, vertheilt sich auf das Stillleben (41), das
Thierstück (18), das Architekturbild (14) und das mythologische Genre (10).


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/25>, abgerufen am 16.05.2024.