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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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war. Und am Ende können sich die Gelehrten aller Nationen Glück wünschen,
daß die Oberleitung des Unternehmens, auf welches die Blicke der ganzen
zivilisirten Welt gerichtet waren und noch sind, in deutsche Hände gelegt wurde,
da -- wir können es ohne Ruhmredigkeit sagen -- die deutsche archäologische
Wissenschaft die sicherste Bürgschaft des Gelingens einer solchen Ausgabe bietet.

An der Spitze des Unternehmens stand der gelehrte Geograph des Pele-
ponnesus, der Griechenland bis in seine fernsten Distrikte durchforscht hatte,
Professor Curtius. Auch seine kühnsten Wünsche waren seit langen Jahren
auf eine Durchforschung des Alpheiosthales gerichtet. Er gab ihnen im Jahre
1852 in einem Vortrage Ausdruck, den er in der Berliner Singakademie hielt.
"Von Neuem", so sagte er am Schlüsse desselben, "wälzt der Alpheios Kies und
Schlamm über den heiligen Boden der Kunst, und wir fragen mit gesteigertem
Verlangen: wann wird sein Schoosz wieder geöffnet werden, um die Werke der
Alten an das Licht des Tages zu fördern?" Unter seinen Zuhörern saß
damals einer, der später so wesentlich zur Beantwortung dieser Frage beitragen
sollte: der Kronprinz von Preußen. Seiner warmen Antheilnahme und der
Bereitwilligkeit des deutschen Reichstages ist es zu danken, daß im April des
Jahres 1874 ein Vertrag mit der griechischen Regierung abgeschlossen wurde,
der freilich dem deutschen Reiche alle finanziellen Lasten auferlegte, der unseren
Kommissären auf der andern Seite aber auch die Machtbefugnis; gab, die
Ausgrabungen nach ihrem Ermessen zu leiten und die gefundenen Gegenstände
ausschließlich für Deutschland abformen zu lassen. Das Recht der ausschlie߬
lichen Abformung bleibt auf fünf Jahre vom Zeitpunkt der Entdeckung eines
jeden Gegenstandes an gerechnet in Kraft.

Dank diesen Vereinbarungen sind wir in den Stand gesetzt, auch fern von
Olympia uus an den Schätzen erfreuen zu dürfen, welche deutsche Energie nach
tausendjährigem Schlafe dem Schlamme des Alpheiosthales entrissen hat. Seit
wenigen Tagen sind die Gipsabgüsse der gefundenen Reste griechischer Herkunft
in einem überdachten Raume der Domruine in Berlin ausgestellt. An derselben
Wand, die einst bestimmt war, mit den Fresken des Cornelius geschmückt zu
werden, sind jetzt die Trümmer der Statuen, welche einst die Giebelfelder des
olympischen Zeustempels füllten, in architektonischer Umrahmung zu lebensvollen
Gruppen vereinigt. Zwar haben wir noch schmerzliche Lücken zu beklagen,
die schwerlich jemals ausgefüllt werden dürften. Denn das Terrain um
den vollständig aufgedeckten Zeustempel herum ist mit größter Sorgfalt unter¬
sucht worden. Wir werden uns mit dem Gefundenen, das ohnehin unsere
kühnsten Erwartungen überstieg, begnügen müssen. Zwei Bevölkerungen
haben sich nach dem Niedergange der antiken Kultur aus der Ebene von
Olympia niedergelassen. Was der Verwüstung der Gothen und Skythen ent-


war. Und am Ende können sich die Gelehrten aller Nationen Glück wünschen,
daß die Oberleitung des Unternehmens, auf welches die Blicke der ganzen
zivilisirten Welt gerichtet waren und noch sind, in deutsche Hände gelegt wurde,
da — wir können es ohne Ruhmredigkeit sagen — die deutsche archäologische
Wissenschaft die sicherste Bürgschaft des Gelingens einer solchen Ausgabe bietet.

An der Spitze des Unternehmens stand der gelehrte Geograph des Pele-
ponnesus, der Griechenland bis in seine fernsten Distrikte durchforscht hatte,
Professor Curtius. Auch seine kühnsten Wünsche waren seit langen Jahren
auf eine Durchforschung des Alpheiosthales gerichtet. Er gab ihnen im Jahre
1852 in einem Vortrage Ausdruck, den er in der Berliner Singakademie hielt.
„Von Neuem", so sagte er am Schlüsse desselben, „wälzt der Alpheios Kies und
Schlamm über den heiligen Boden der Kunst, und wir fragen mit gesteigertem
Verlangen: wann wird sein Schoosz wieder geöffnet werden, um die Werke der
Alten an das Licht des Tages zu fördern?" Unter seinen Zuhörern saß
damals einer, der später so wesentlich zur Beantwortung dieser Frage beitragen
sollte: der Kronprinz von Preußen. Seiner warmen Antheilnahme und der
Bereitwilligkeit des deutschen Reichstages ist es zu danken, daß im April des
Jahres 1874 ein Vertrag mit der griechischen Regierung abgeschlossen wurde,
der freilich dem deutschen Reiche alle finanziellen Lasten auferlegte, der unseren
Kommissären auf der andern Seite aber auch die Machtbefugnis; gab, die
Ausgrabungen nach ihrem Ermessen zu leiten und die gefundenen Gegenstände
ausschließlich für Deutschland abformen zu lassen. Das Recht der ausschlie߬
lichen Abformung bleibt auf fünf Jahre vom Zeitpunkt der Entdeckung eines
jeden Gegenstandes an gerechnet in Kraft.

Dank diesen Vereinbarungen sind wir in den Stand gesetzt, auch fern von
Olympia uus an den Schätzen erfreuen zu dürfen, welche deutsche Energie nach
tausendjährigem Schlafe dem Schlamme des Alpheiosthales entrissen hat. Seit
wenigen Tagen sind die Gipsabgüsse der gefundenen Reste griechischer Herkunft
in einem überdachten Raume der Domruine in Berlin ausgestellt. An derselben
Wand, die einst bestimmt war, mit den Fresken des Cornelius geschmückt zu
werden, sind jetzt die Trümmer der Statuen, welche einst die Giebelfelder des
olympischen Zeustempels füllten, in architektonischer Umrahmung zu lebensvollen
Gruppen vereinigt. Zwar haben wir noch schmerzliche Lücken zu beklagen,
die schwerlich jemals ausgefüllt werden dürften. Denn das Terrain um
den vollständig aufgedeckten Zeustempel herum ist mit größter Sorgfalt unter¬
sucht worden. Wir werden uns mit dem Gefundenen, das ohnehin unsere
kühnsten Erwartungen überstieg, begnügen müssen. Zwei Bevölkerungen
haben sich nach dem Niedergange der antiken Kultur aus der Ebene von
Olympia niedergelassen. Was der Verwüstung der Gothen und Skythen ent-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/263>, abgerufen am 15.05.2024.