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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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durch nichts gestörten Fortgange der Kommissionsarbeiten war aber die Drohung
mit abermaliger Auflösung plump und unwürdig. Dadurch konnte das Blatt
im Publikum nur dem leidigen Mißtrauen wieder Nahrung geben, welches
ohnehin schon dem Gesetze zu viel anhängt. Freilich hätten die National¬
liberalen klüger gethan, beim Verständigungs-Werke ihre Anträge nicht ge¬
rade in die Hände derjenigen Persönlichkeit zu legen, welche der Kanzler nun
einmal als ein Haupthinderniß parlamentarischer Verständigung bezeichnet hatte.
Und dagegen kam auch nicht in Betracht, daß, wie die "Elberfelder Zeitung"
vom 28. September sagt, die Anträge Laster's nur bestimmt waren, dessen
Rückzug aus der früheren Stellung zu decken.

Die größte Schwierigkeit bereitete die Bestimmung der obersten Rekurs¬
instanz. Dem Zwecke des Gesetzes würde der ursprüngliche preußische Vorschlag
eines Reichsamtes für Vereine und Presse am besten entsprochen haben, weil
auf diese Weise der Instanz wohl die nöthige größtmögliche Freiheit verliehen
wäre; nachdem aber dieser Vorschlag an der partikularistischen Richtung der
Bundesregierungen einmal gescheitert war, war auch für diese guter Rath theuer.
Der Bundesrath, in der Nothwendigkeit die Lücke auszufüllen, setzte in Ver¬
legenheit einfach das Nächstliegende: einen Ausschuß seiner selbst, im Grunde
aber hatte er damit die Auffindung jener Behörde wohl nur dem Reichstage zu¬
schieben wollen. Alle sechs in der Kommission aufgetauchten Vorschläge be¬
ruhten jedoch ebenwohl mehr oder weniger auf Verlegenheit. Man konnte sich
weder für das oberste Landesverwaltungsgericht, noch für den Kanzler nnter
parlamentarischer Kontrole, noch für das zu verstärkende Reichsheimathsamt recht
erwärmen. So kam, nach Ablehnung der bezüglichen Anträge Laster's, Stauffen-
berg's, Gneist's und von Kardorff's, Herr von Helldorf auf den Bundesraths¬
ausschuß zurück, nur mit der Aenderung, daß dessen Mitgliederzahl sich nur
auf drei belaufen und diesen sieben zum Richteramt befähigte Personen beige¬
geben werden sollten. Für diesen Vorschlag fanden sich nur drei Stimmen,
aber der darin liegenden Idee eines verkappten Reichsamtes für Vereine und
Presse bemächtigten sich Harmer, von Goßler und von Schwarze. Sie berei¬
teten ein Gebräu, wonach jedem Theile etwas gegeben zu sein scheint. Daß
der Bundesrath eine "Kommission" von neun Mitgliedern und hiervon vier
aus seiner Mitte wählen soll, scheint den Charakter des Bundesrnthsvorschlags
aufrecht erhalten zu sollen; sachlich jedoch ist der ursprüngliche preußische Vor¬
schlag wieder hervorgekehrt und so der Kreislauf des Suchens vollendet. Ein
Vorzug jenes Vorschlags lag darin, daß alle Mitglieder aus der Zahl der im
Reichs- oder im Staatsdienst angestellten Personen berufen werden und nur
fünf etatsmäßig angestellte Richter sein sollten, sodaß also das juristische Ele¬
ment in den Hintergrund gedrängt war. Nach dem Vorschlag von Harnier


durch nichts gestörten Fortgange der Kommissionsarbeiten war aber die Drohung
mit abermaliger Auflösung plump und unwürdig. Dadurch konnte das Blatt
im Publikum nur dem leidigen Mißtrauen wieder Nahrung geben, welches
ohnehin schon dem Gesetze zu viel anhängt. Freilich hätten die National¬
liberalen klüger gethan, beim Verständigungs-Werke ihre Anträge nicht ge¬
rade in die Hände derjenigen Persönlichkeit zu legen, welche der Kanzler nun
einmal als ein Haupthinderniß parlamentarischer Verständigung bezeichnet hatte.
Und dagegen kam auch nicht in Betracht, daß, wie die „Elberfelder Zeitung"
vom 28. September sagt, die Anträge Laster's nur bestimmt waren, dessen
Rückzug aus der früheren Stellung zu decken.

Die größte Schwierigkeit bereitete die Bestimmung der obersten Rekurs¬
instanz. Dem Zwecke des Gesetzes würde der ursprüngliche preußische Vorschlag
eines Reichsamtes für Vereine und Presse am besten entsprochen haben, weil
auf diese Weise der Instanz wohl die nöthige größtmögliche Freiheit verliehen
wäre; nachdem aber dieser Vorschlag an der partikularistischen Richtung der
Bundesregierungen einmal gescheitert war, war auch für diese guter Rath theuer.
Der Bundesrath, in der Nothwendigkeit die Lücke auszufüllen, setzte in Ver¬
legenheit einfach das Nächstliegende: einen Ausschuß seiner selbst, im Grunde
aber hatte er damit die Auffindung jener Behörde wohl nur dem Reichstage zu¬
schieben wollen. Alle sechs in der Kommission aufgetauchten Vorschläge be¬
ruhten jedoch ebenwohl mehr oder weniger auf Verlegenheit. Man konnte sich
weder für das oberste Landesverwaltungsgericht, noch für den Kanzler nnter
parlamentarischer Kontrole, noch für das zu verstärkende Reichsheimathsamt recht
erwärmen. So kam, nach Ablehnung der bezüglichen Anträge Laster's, Stauffen-
berg's, Gneist's und von Kardorff's, Herr von Helldorf auf den Bundesraths¬
ausschuß zurück, nur mit der Aenderung, daß dessen Mitgliederzahl sich nur
auf drei belaufen und diesen sieben zum Richteramt befähigte Personen beige¬
geben werden sollten. Für diesen Vorschlag fanden sich nur drei Stimmen,
aber der darin liegenden Idee eines verkappten Reichsamtes für Vereine und
Presse bemächtigten sich Harmer, von Goßler und von Schwarze. Sie berei¬
teten ein Gebräu, wonach jedem Theile etwas gegeben zu sein scheint. Daß
der Bundesrath eine „Kommission" von neun Mitgliedern und hiervon vier
aus seiner Mitte wählen soll, scheint den Charakter des Bundesrnthsvorschlags
aufrecht erhalten zu sollen; sachlich jedoch ist der ursprüngliche preußische Vor¬
schlag wieder hervorgekehrt und so der Kreislauf des Suchens vollendet. Ein
Vorzug jenes Vorschlags lag darin, daß alle Mitglieder aus der Zahl der im
Reichs- oder im Staatsdienst angestellten Personen berufen werden und nur
fünf etatsmäßig angestellte Richter sein sollten, sodaß also das juristische Ele¬
ment in den Hintergrund gedrängt war. Nach dem Vorschlag von Harnier


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/40>, abgerufen am 16.05.2024.