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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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So läßlich diese Einrichtung im Ganzen aussieht, indem sich jeder seinen
Richter selbst wählt, so möchte ich sie doch einer schiefen Fläche vergleichen,
wodurch man der Gewalt des Wassers am besten widersteht.

Drey Personen zusammen werden erst für ein Collegium gehalten und
mit Recht; denn gewöhnlich, wenn zwey sich über etwas allenfalls vergleichen,
so findet der dritte schon einen Einwurf.

Da man einem jeden namhaften Manne das Recht ertheilt, in seinem
Fache an dieser Quasieensur Theil zu nehmen, so ist vorauszusehen, daß nach
und nach ein allgemeines Censorat entstehen wird und derjenige, der seinen
Nahmen einmal unter ein Manuscript geschrieben, bekennt sich zur eensirenden
Klasse und unterwirft sich allgemeinen Regeln, die sich gewiß nach Vernunft--
und Klugheitsgesetzen von selbst bilden werden.

Ferner wird jeder, indem er andere oft zurecht weist, mehr oder weniger
ans sich selbst aufmerksam werden, und so hat, wie mich dünkt, diese Einrichtung
den Vortheil, daß sie mehr pädagogisch als legislatorisch ist.

Bedenkt man ferner die Neugierde, die Tadelsucht und andere löbliche
Eigenschafften des Publikums, so wird man sich überzeugen, daß diejenigen,
welche ein Manuscript auf diese Weise unterzeichnen, genug strenge Aufseher
finden werden.

Als Norm des Beyfalls oder Verwerffens würde nur im allgemeinen zu
bestimmen seyn, daß nichts gedruckt werden solle, was den bestehenden Gesetzen
und Ordnungen zuwider sey.

Man müßte deutlich erklären, daß übrigens der Garant eines Buchs wegen
seiner Unterschrift nicht zur Verantwortung gezogen werden solle.

Was Fremde betrifft, die etwas zum Druck hierher schicken, so ist unser
litterarischer Kreis weit genug ausgebreitet, daß Jeder hier durch Freunde und
Bekannte leicht die erforderliche Unterschrift bewirken kann. 'Ueberhaupt
wäre dies die Angelegenheit des Buchdruckers, diese Gefälligkeit allenfalls von
hiesigen Gelehrten zu erbitten.

Die Sache überhaupt wäre wohl fürstlicher Regierung zu unterwerfen
bey welcher die Buchdrucker uach jeder Messe eine Tabelle einzureichen hätten,
auf welcher folgende Columnen ausgefüllt wären: Tittel des Buchs, Format
und Bogenzahl, Nahme der Verfasser, Nahme der Verleger, Nahme der Ga-
rants oder wie man sie heißen will.

Was die Ausführung betrifft, so dürfften sich nur ein halb Duzend hießiger
aualifieirter Männer bereden: daß man gegen Einheimische und Fremde, in
entstehenden Falle, diese kleine Gefälligkeit ausüben wolle. Gewiß würden
bald mehrere dazu treten und die Einrichtung bald im Gange seyn.

Was die Aeademie Jena betrifft, so könnte die bisherige Einrichtung be-


So läßlich diese Einrichtung im Ganzen aussieht, indem sich jeder seinen
Richter selbst wählt, so möchte ich sie doch einer schiefen Fläche vergleichen,
wodurch man der Gewalt des Wassers am besten widersteht.

Drey Personen zusammen werden erst für ein Collegium gehalten und
mit Recht; denn gewöhnlich, wenn zwey sich über etwas allenfalls vergleichen,
so findet der dritte schon einen Einwurf.

Da man einem jeden namhaften Manne das Recht ertheilt, in seinem
Fache an dieser Quasieensur Theil zu nehmen, so ist vorauszusehen, daß nach
und nach ein allgemeines Censorat entstehen wird und derjenige, der seinen
Nahmen einmal unter ein Manuscript geschrieben, bekennt sich zur eensirenden
Klasse und unterwirft sich allgemeinen Regeln, die sich gewiß nach Vernunft--
und Klugheitsgesetzen von selbst bilden werden.

Ferner wird jeder, indem er andere oft zurecht weist, mehr oder weniger
ans sich selbst aufmerksam werden, und so hat, wie mich dünkt, diese Einrichtung
den Vortheil, daß sie mehr pädagogisch als legislatorisch ist.

Bedenkt man ferner die Neugierde, die Tadelsucht und andere löbliche
Eigenschafften des Publikums, so wird man sich überzeugen, daß diejenigen,
welche ein Manuscript auf diese Weise unterzeichnen, genug strenge Aufseher
finden werden.

Als Norm des Beyfalls oder Verwerffens würde nur im allgemeinen zu
bestimmen seyn, daß nichts gedruckt werden solle, was den bestehenden Gesetzen
und Ordnungen zuwider sey.

Man müßte deutlich erklären, daß übrigens der Garant eines Buchs wegen
seiner Unterschrift nicht zur Verantwortung gezogen werden solle.

Was Fremde betrifft, die etwas zum Druck hierher schicken, so ist unser
litterarischer Kreis weit genug ausgebreitet, daß Jeder hier durch Freunde und
Bekannte leicht die erforderliche Unterschrift bewirken kann. 'Ueberhaupt
wäre dies die Angelegenheit des Buchdruckers, diese Gefälligkeit allenfalls von
hiesigen Gelehrten zu erbitten.

Die Sache überhaupt wäre wohl fürstlicher Regierung zu unterwerfen
bey welcher die Buchdrucker uach jeder Messe eine Tabelle einzureichen hätten,
auf welcher folgende Columnen ausgefüllt wären: Tittel des Buchs, Format
und Bogenzahl, Nahme der Verfasser, Nahme der Verleger, Nahme der Ga-
rants oder wie man sie heißen will.

Was die Ausführung betrifft, so dürfften sich nur ein halb Duzend hießiger
aualifieirter Männer bereden: daß man gegen Einheimische und Fremde, in
entstehenden Falle, diese kleine Gefälligkeit ausüben wolle. Gewiß würden
bald mehrere dazu treten und die Einrichtung bald im Gange seyn.

Was die Aeademie Jena betrifft, so könnte die bisherige Einrichtung be-


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[0049] So läßlich diese Einrichtung im Ganzen aussieht, indem sich jeder seinen Richter selbst wählt, so möchte ich sie doch einer schiefen Fläche vergleichen, wodurch man der Gewalt des Wassers am besten widersteht. Drey Personen zusammen werden erst für ein Collegium gehalten und mit Recht; denn gewöhnlich, wenn zwey sich über etwas allenfalls vergleichen, so findet der dritte schon einen Einwurf. Da man einem jeden namhaften Manne das Recht ertheilt, in seinem Fache an dieser Quasieensur Theil zu nehmen, so ist vorauszusehen, daß nach und nach ein allgemeines Censorat entstehen wird und derjenige, der seinen Nahmen einmal unter ein Manuscript geschrieben, bekennt sich zur eensirenden Klasse und unterwirft sich allgemeinen Regeln, die sich gewiß nach Vernunft-- und Klugheitsgesetzen von selbst bilden werden. Ferner wird jeder, indem er andere oft zurecht weist, mehr oder weniger ans sich selbst aufmerksam werden, und so hat, wie mich dünkt, diese Einrichtung den Vortheil, daß sie mehr pädagogisch als legislatorisch ist. Bedenkt man ferner die Neugierde, die Tadelsucht und andere löbliche Eigenschafften des Publikums, so wird man sich überzeugen, daß diejenigen, welche ein Manuscript auf diese Weise unterzeichnen, genug strenge Aufseher finden werden. Als Norm des Beyfalls oder Verwerffens würde nur im allgemeinen zu bestimmen seyn, daß nichts gedruckt werden solle, was den bestehenden Gesetzen und Ordnungen zuwider sey. Man müßte deutlich erklären, daß übrigens der Garant eines Buchs wegen seiner Unterschrift nicht zur Verantwortung gezogen werden solle. Was Fremde betrifft, die etwas zum Druck hierher schicken, so ist unser litterarischer Kreis weit genug ausgebreitet, daß Jeder hier durch Freunde und Bekannte leicht die erforderliche Unterschrift bewirken kann. 'Ueberhaupt wäre dies die Angelegenheit des Buchdruckers, diese Gefälligkeit allenfalls von hiesigen Gelehrten zu erbitten. Die Sache überhaupt wäre wohl fürstlicher Regierung zu unterwerfen bey welcher die Buchdrucker uach jeder Messe eine Tabelle einzureichen hätten, auf welcher folgende Columnen ausgefüllt wären: Tittel des Buchs, Format und Bogenzahl, Nahme der Verfasser, Nahme der Verleger, Nahme der Ga- rants oder wie man sie heißen will. Was die Ausführung betrifft, so dürfften sich nur ein halb Duzend hießiger aualifieirter Männer bereden: daß man gegen Einheimische und Fremde, in entstehenden Falle, diese kleine Gefälligkeit ausüben wolle. Gewiß würden bald mehrere dazu treten und die Einrichtung bald im Gange seyn. Was die Aeademie Jena betrifft, so könnte die bisherige Einrichtung be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/49>, abgerufen am 15.05.2024.