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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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jährigen Krieges hinaus ahren Wohlstand sicherte. Die ganze deutsche Ge¬
werbegeschichte spiegelt sich in der Ordnung, Fortbildung und Thätigkeit des
Augsburger Bürgerthums ab. Der Ruf seiner Weber und Sticker, Drechsler
und Tischler, Gold- und Silberarbeiter, seiner Waffenschmiede und Stückgießer,
seiner Drucker, Kupferstecher und Maler war weltbekannt. Und Lucas Geiz¬
kofler lebte in der Zeit in Augsburg, in welcher Handel und Gewerbe ihre
höchste Blüthe erlangt hatten, in welcher die Stadt ihr mittelalterliches Gewand
ablegte und sich mit den Formen der wiedergeborenen Antike schmückte. 1593
wurde der Augustusbrunnen auf dem Perlach, 1596 der Herkulesbrunnen auf
dem Weinmarkt errichtet. Elias Holl, der Meister der Spütrenaisscince, baute
danach das Bäcker-, Gieß- und Zeughaus und das imposante Rathhaus; das
letztere wurde im Todesjahre Geizkofler's, 1620, vollendet. Die edlen Ge¬
schlechter wetteiferten in der Anlegung von Kunstkammern, Museen und Biblio¬
theken. Wie oft war Geizkofler in dem reich geschmückten Hause der Fugger!
In dem Saale, in welchem man nach dem Bericht eines Zeitgenossen "mehr
Gold als Farbe" sah, hatte er seinen Hochzeitstanz gehalten. Wie oft hatte
er die Bibliothek der Fugger, ihre Gemälde- und Antiquitäten-Sammlungen
besucht! Gewiß war ihm die Bibliothek des Markus Welser bekannt, der da¬
mals Stadtpfleger war, und dessen Name noch auf dem Herkulesbrunnen steht.
Der religiöse Friede war hier seit 1555 nicht mehr gestört und die geistige
Bildung durch treffliche Schicken in jeder Weise gefördert worden. Nicht wenige
Persönlichkeiten, welche in jener Zeit für das geistige Leben Deutschland's be¬
deutsam geworden, gehören Augsburg an. Von seinen alten Geschlechtern
waren zwar in der Mitte des 16. Jahrhunderts nur wenige mehr vorhanden
wie die Herwart, Welser, Rehlingen, Langenmantel, aber durch Heirathen und
freie Aufnahme waren neue Kräfte dazugekommen, wie die Hörmann, Jmhof,
Peutinger, Stecken u. a. Die Volkszahl war seit dem Mittelalter im steten
Steigen begriffen; beim Ausbruch des dreißigjährigen Krieges zählte die Stadt
über 100000 Einwohner. In den Straßen drängte sich eine lebensvolle, heitere
Bevölkerung, thätig und geschickt in der Arbeit, sinnlich frisch und kräftig im
Genuß, dabei voll treuer Anhänglichkeit an die alten Sitten und Einrichtungen.

Lucas Geizkofler ist ein getreuer Typus dieses altaugsburgischen Bürger¬
thums. Nach seinem öffentlichen Wirken gehört er in die Reihe der römischen
Juristen, Beamten, Kanzler und Richter, welche den erstarrten Feudalismus
brechen halfen und den neuen Staat wie die neue Gesellschaft vorbereitet haben.
Geizkofler erlebte den gewaltsamen Tod Heinrich's III. und Heinrich's IV. von
Frankreich, die Herrschaft der protestantischen Elisabeth von England, die böh¬
mische Revolution von 1618 und den Beginn des Religionskrieges, welcher die
Selbständigkeit und den Wohlstand des deutschen Volkes vernichtete. Hie und


jährigen Krieges hinaus ahren Wohlstand sicherte. Die ganze deutsche Ge¬
werbegeschichte spiegelt sich in der Ordnung, Fortbildung und Thätigkeit des
Augsburger Bürgerthums ab. Der Ruf seiner Weber und Sticker, Drechsler
und Tischler, Gold- und Silberarbeiter, seiner Waffenschmiede und Stückgießer,
seiner Drucker, Kupferstecher und Maler war weltbekannt. Und Lucas Geiz¬
kofler lebte in der Zeit in Augsburg, in welcher Handel und Gewerbe ihre
höchste Blüthe erlangt hatten, in welcher die Stadt ihr mittelalterliches Gewand
ablegte und sich mit den Formen der wiedergeborenen Antike schmückte. 1593
wurde der Augustusbrunnen auf dem Perlach, 1596 der Herkulesbrunnen auf
dem Weinmarkt errichtet. Elias Holl, der Meister der Spütrenaisscince, baute
danach das Bäcker-, Gieß- und Zeughaus und das imposante Rathhaus; das
letztere wurde im Todesjahre Geizkofler's, 1620, vollendet. Die edlen Ge¬
schlechter wetteiferten in der Anlegung von Kunstkammern, Museen und Biblio¬
theken. Wie oft war Geizkofler in dem reich geschmückten Hause der Fugger!
In dem Saale, in welchem man nach dem Bericht eines Zeitgenossen „mehr
Gold als Farbe" sah, hatte er seinen Hochzeitstanz gehalten. Wie oft hatte
er die Bibliothek der Fugger, ihre Gemälde- und Antiquitäten-Sammlungen
besucht! Gewiß war ihm die Bibliothek des Markus Welser bekannt, der da¬
mals Stadtpfleger war, und dessen Name noch auf dem Herkulesbrunnen steht.
Der religiöse Friede war hier seit 1555 nicht mehr gestört und die geistige
Bildung durch treffliche Schicken in jeder Weise gefördert worden. Nicht wenige
Persönlichkeiten, welche in jener Zeit für das geistige Leben Deutschland's be¬
deutsam geworden, gehören Augsburg an. Von seinen alten Geschlechtern
waren zwar in der Mitte des 16. Jahrhunderts nur wenige mehr vorhanden
wie die Herwart, Welser, Rehlingen, Langenmantel, aber durch Heirathen und
freie Aufnahme waren neue Kräfte dazugekommen, wie die Hörmann, Jmhof,
Peutinger, Stecken u. a. Die Volkszahl war seit dem Mittelalter im steten
Steigen begriffen; beim Ausbruch des dreißigjährigen Krieges zählte die Stadt
über 100000 Einwohner. In den Straßen drängte sich eine lebensvolle, heitere
Bevölkerung, thätig und geschickt in der Arbeit, sinnlich frisch und kräftig im
Genuß, dabei voll treuer Anhänglichkeit an die alten Sitten und Einrichtungen.

Lucas Geizkofler ist ein getreuer Typus dieses altaugsburgischen Bürger¬
thums. Nach seinem öffentlichen Wirken gehört er in die Reihe der römischen
Juristen, Beamten, Kanzler und Richter, welche den erstarrten Feudalismus
brechen halfen und den neuen Staat wie die neue Gesellschaft vorbereitet haben.
Geizkofler erlebte den gewaltsamen Tod Heinrich's III. und Heinrich's IV. von
Frankreich, die Herrschaft der protestantischen Elisabeth von England, die böh¬
mische Revolution von 1618 und den Beginn des Religionskrieges, welcher die
Selbständigkeit und den Wohlstand des deutschen Volkes vernichtete. Hie und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/200>, abgerufen am 15.05.2024.