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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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des Grundbesitzes von besonderen Staatsauflagen. Er nennt die Angaben des
Reichskanzlers von der Ueberbürdung des Grundbesitzes "eine Uebertreibung,
wie er sie niemals anch nur aus dem Munde eines Abgeordneten gehört", er
spricht dem Reichskanzler nicht nur alle Zuverlässigkeit in seinen Angaben,
sondern auch die Kenntniß der betreffenden Gesetzgebung ab. Warum Letzteres?
Weil der Kanzler in der Belastung aller ländlichen Wohnhäuser durch die
Gebäudesteuer eine Belastung des landwirtschaftlichen Betriebes erblickt hatte.
Wo lag wohl da die Unkenntniß und die Uebertreibung? Wenn dem Redner
schon die Entlastung von den direkten Steuern für den Grundbesitz zu viel
war, so mußte es ihm der landwirthschaftliche Zoll noch viel mehr sein. Bei
den Schutzzöllen für die Industrie zeigt er sich weniger spröde und will das
Bedürfniß im Einzelnen prüfen.

Stellen wir jetzt die beiden Kettenschlüsse nochmals in abgekürzter Form
einander gegenüber. Der Reichskanzler will die auf die indirekte Steuer basirte
Unifikation der deutschen Staatsfinanzen, er will dadurch eine ausreichende und
gesicherte Basis für die zentralen Aufgaben und Aktionen des deutschen Staates.
Er will mit einem Worte die innere Gründung des deutschen Reiches, das nach
dreizehnjähriger Arbeit der ungeheuersten Anstrengungen nur erst äußerlich ge¬
gründet ist. Er will einer mehren Folgen unabsehbaren Verschiebung der Ver¬
hältnisse des Welthandels gegenüber der deutschen Nation ihre eigene Industrie
und die eigene Produktion der elementaren Nahrungsstoffe sichern, und will
damit die anf diese Arbeiten gebauten sozialen Stände als gesunde nationale
Elemente erhalten. Wie lautet der gegnerische Kettenschluß? Die Einschränkung
der indirekten Steuer durch die direkte auf ein subsidiäres, widerrufliches Mittel
ist der Ausgangspunkt. Aus ihr folgt die Macht der Parlamente, aber die
Schwäche der Zentralgewalt und zugleich der Einzelstaaten, die unsichere und
schwache Leistungsfähigkeit des Ganzen nach innen wie nach außen. Aus der
direkten Steuer folgt der Freihandel, aus ihm folgt, daß die deutsche Volks¬
wirthschaft auf Zwischenhandel, Verdienst an der Durchfuhr und auf Herstellung
von Hilfsmaterialien für auswärtige Großindustrieen für billigen Arbeitslohn
angewiesen wird. Die deutsche Landwirthschaft muß zu Grunde gehen und kann
allerdings durch die Zufuhr billiger produzirender Länder in ihren Leistungen
ersetzt werden. Dafür muß Deutschland von diesen Ländern materiell abhängig
Werden. Bei der Schwäche der zentralen Aktionsmittel und bei der Abhängigkeit
des deutschen Nahrungsstandes von auswärtigen Nationen, sowohl in der In¬
dustrie als im Handel und in der Landwirthschaft, muß die politische Unab¬
hängigkeit Deutschland's innerhalb eines absehbaren Zeitraumes ein Ende nehmen.




des Grundbesitzes von besonderen Staatsauflagen. Er nennt die Angaben des
Reichskanzlers von der Ueberbürdung des Grundbesitzes „eine Uebertreibung,
wie er sie niemals anch nur aus dem Munde eines Abgeordneten gehört", er
spricht dem Reichskanzler nicht nur alle Zuverlässigkeit in seinen Angaben,
sondern auch die Kenntniß der betreffenden Gesetzgebung ab. Warum Letzteres?
Weil der Kanzler in der Belastung aller ländlichen Wohnhäuser durch die
Gebäudesteuer eine Belastung des landwirtschaftlichen Betriebes erblickt hatte.
Wo lag wohl da die Unkenntniß und die Uebertreibung? Wenn dem Redner
schon die Entlastung von den direkten Steuern für den Grundbesitz zu viel
war, so mußte es ihm der landwirthschaftliche Zoll noch viel mehr sein. Bei
den Schutzzöllen für die Industrie zeigt er sich weniger spröde und will das
Bedürfniß im Einzelnen prüfen.

Stellen wir jetzt die beiden Kettenschlüsse nochmals in abgekürzter Form
einander gegenüber. Der Reichskanzler will die auf die indirekte Steuer basirte
Unifikation der deutschen Staatsfinanzen, er will dadurch eine ausreichende und
gesicherte Basis für die zentralen Aufgaben und Aktionen des deutschen Staates.
Er will mit einem Worte die innere Gründung des deutschen Reiches, das nach
dreizehnjähriger Arbeit der ungeheuersten Anstrengungen nur erst äußerlich ge¬
gründet ist. Er will einer mehren Folgen unabsehbaren Verschiebung der Ver¬
hältnisse des Welthandels gegenüber der deutschen Nation ihre eigene Industrie
und die eigene Produktion der elementaren Nahrungsstoffe sichern, und will
damit die anf diese Arbeiten gebauten sozialen Stände als gesunde nationale
Elemente erhalten. Wie lautet der gegnerische Kettenschluß? Die Einschränkung
der indirekten Steuer durch die direkte auf ein subsidiäres, widerrufliches Mittel
ist der Ausgangspunkt. Aus ihr folgt die Macht der Parlamente, aber die
Schwäche der Zentralgewalt und zugleich der Einzelstaaten, die unsichere und
schwache Leistungsfähigkeit des Ganzen nach innen wie nach außen. Aus der
direkten Steuer folgt der Freihandel, aus ihm folgt, daß die deutsche Volks¬
wirthschaft auf Zwischenhandel, Verdienst an der Durchfuhr und auf Herstellung
von Hilfsmaterialien für auswärtige Großindustrieen für billigen Arbeitslohn
angewiesen wird. Die deutsche Landwirthschaft muß zu Grunde gehen und kann
allerdings durch die Zufuhr billiger produzirender Länder in ihren Leistungen
ersetzt werden. Dafür muß Deutschland von diesen Ländern materiell abhängig
Werden. Bei der Schwäche der zentralen Aktionsmittel und bei der Abhängigkeit
des deutschen Nahrungsstandes von auswärtigen Nationen, sowohl in der In¬
dustrie als im Handel und in der Landwirthschaft, muß die politische Unab¬
hängigkeit Deutschland's innerhalb eines absehbaren Zeitraumes ein Ende nehmen.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/327>, abgerufen am 21.05.2024.