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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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Gortschakoff hatte ein solches Ergebniß voraussehen müssen; unendlich viel
tiefer stehende und weniger erfahrene Geister haben es schon zu Anfang der
orientalischen Verwickelung vorausgesehen und vorausgesagt. (Wenn das nicht
Ironie wäre, wofür wir es nehmen möchten, so würde es eine wenig gerecht¬
fertigte und entweder byzantinische, oder auf eine ca,xtg.tlo dEnsvolöntias be¬
rechnete Bescheidenheit sein; denn die ,unendlich viel tiefer stehenden' Geister
sind doch wohl die des ,Journal des Debats'.) So viele Täuschungen sind
gefallen, und so viele Helden sind dahingeschwunden, die Signatur bleibt, und
es gilt, sie zu ehren.

So fahren wir denn trotz all des Geschreies der russischen Zeitungen fort,
an die stritte Ausführung des Berliner Vertrages zu glauben, und wenn der
"Nord" (das bekannte belgische Blatt mit russischen Tendenzen) uns vorwirft,
wir seien zu ,optimistisch' in dieser Angelegenheit, so antworten wir ihm, daß
unser Optimismus sich auf die Haltung gründet, die wir diesen Oxtirous
Naximus annehmen sehen, der sich den eisernen Kanzler nennt, und der immer
seinen Willen zur Geltung zu bringen verstanden hat. Nach einiger Ueber-
legung und mit Unterstützung des Grafen Schuwaloff, der sich nach Se. Peters¬
burg begeben hat, wird Fürst Gortschakoff endlich dahin gelangen, anzuerkennen,
daß ein Vertrag eben ein Vertrag ist, und daß es bei dem erhabenen Worte
des Kaisers Alexander in seinem Manifeste vom 13. Februar verbleiben muß.
Er wird aufhören zu schmollen und wieder anfangen sich zu sammeln und
fortan, gleichviel, ob Lampe oder Stern, von jenem reinen Lichte strahlen,
welches jedem Staatsmann, der dieses Namens wahrhaft würdig ist, die Achtung
vor dem Völkerrechte und dem Weltfrieden verleiht."

Das scheint uns im Großen und Ganzen eine recht verständige und recht¬
schaffene Auffassung der Dinge.

Auch in Rußland hat unser Artikel Erwiederungen hervorgerufen. Der
"Gvlos", auf den er sich hauptsächlich bezog, will nicht offiziös sein. Er be¬
hauptet, Deutschland's politische Presse stehe unter dem unbedingten Einflüsse
des Preßbureaus, und somit wolle es den Deutschen durchaus nicht einleuchten,
daß es in Rußland gestattet sein könne, eine selbständige Meinung über aus¬
ländische Politik zu äußern. Das sei auch mit den "Grenzboten" der Fall,
deren "Redakteur" Busch "bekanntermaßen" (in der That? wirklich?) mit dem
Fürsten Bismarck in Verbindung stehe. Bezüglich der Bemerkungen des
"Temps" erklärt der "Golos", daß dieselben nur theilweise zuträfen. Aller¬
dings könnten die scharfen Maßregeln der letzten Zeit keinen Anklang bei denen
finden, welchen derartige Neuerungen im eigenen Vaterlande höchst unerwünscht
wären; der wahre Grund der Erhaltung der russischen Presse liege aber in
dem Erwachen eines vaterländischen Geistes in der ganzen russischen Gesell-


Gortschakoff hatte ein solches Ergebniß voraussehen müssen; unendlich viel
tiefer stehende und weniger erfahrene Geister haben es schon zu Anfang der
orientalischen Verwickelung vorausgesehen und vorausgesagt. (Wenn das nicht
Ironie wäre, wofür wir es nehmen möchten, so würde es eine wenig gerecht¬
fertigte und entweder byzantinische, oder auf eine ca,xtg.tlo dEnsvolöntias be¬
rechnete Bescheidenheit sein; denn die ,unendlich viel tiefer stehenden' Geister
sind doch wohl die des ,Journal des Debats'.) So viele Täuschungen sind
gefallen, und so viele Helden sind dahingeschwunden, die Signatur bleibt, und
es gilt, sie zu ehren.

So fahren wir denn trotz all des Geschreies der russischen Zeitungen fort,
an die stritte Ausführung des Berliner Vertrages zu glauben, und wenn der
„Nord" (das bekannte belgische Blatt mit russischen Tendenzen) uns vorwirft,
wir seien zu ,optimistisch' in dieser Angelegenheit, so antworten wir ihm, daß
unser Optimismus sich auf die Haltung gründet, die wir diesen Oxtirous
Naximus annehmen sehen, der sich den eisernen Kanzler nennt, und der immer
seinen Willen zur Geltung zu bringen verstanden hat. Nach einiger Ueber-
legung und mit Unterstützung des Grafen Schuwaloff, der sich nach Se. Peters¬
burg begeben hat, wird Fürst Gortschakoff endlich dahin gelangen, anzuerkennen,
daß ein Vertrag eben ein Vertrag ist, und daß es bei dem erhabenen Worte
des Kaisers Alexander in seinem Manifeste vom 13. Februar verbleiben muß.
Er wird aufhören zu schmollen und wieder anfangen sich zu sammeln und
fortan, gleichviel, ob Lampe oder Stern, von jenem reinen Lichte strahlen,
welches jedem Staatsmann, der dieses Namens wahrhaft würdig ist, die Achtung
vor dem Völkerrechte und dem Weltfrieden verleiht."

Das scheint uns im Großen und Ganzen eine recht verständige und recht¬
schaffene Auffassung der Dinge.

Auch in Rußland hat unser Artikel Erwiederungen hervorgerufen. Der
„Gvlos", auf den er sich hauptsächlich bezog, will nicht offiziös sein. Er be¬
hauptet, Deutschland's politische Presse stehe unter dem unbedingten Einflüsse
des Preßbureaus, und somit wolle es den Deutschen durchaus nicht einleuchten,
daß es in Rußland gestattet sein könne, eine selbständige Meinung über aus¬
ländische Politik zu äußern. Das sei auch mit den „Grenzboten" der Fall,
deren „Redakteur" Busch „bekanntermaßen" (in der That? wirklich?) mit dem
Fürsten Bismarck in Verbindung stehe. Bezüglich der Bemerkungen des
„Temps" erklärt der „Golos", daß dieselben nur theilweise zuträfen. Aller¬
dings könnten die scharfen Maßregeln der letzten Zeit keinen Anklang bei denen
finden, welchen derartige Neuerungen im eigenen Vaterlande höchst unerwünscht
wären; der wahre Grund der Erhaltung der russischen Presse liege aber in
dem Erwachen eines vaterländischen Geistes in der ganzen russischen Gesell-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/38>, abgerufen am 21.05.2024.