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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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Glücklicherweise ist es unzweifelhaft, daß jene Zahl viel zu niedrig gegriffen
ist, andererseits aber kann nicht geleugnet werden, daß die Gefahr der Ueber-
völkerung nicht blos Deutschland, sondern ganz Europa bedroht. So ist es
wohl der Mühe werth, diesen Gegenstand an der Hand statistischer Erhebungen,
soweit es augenblicklich möglich ist, zu verfolgen. Leider sind wir, wenn auch
bei den meisten europäischen Staaten innerhalb bestimmter Zeiträume genaue
Zählungen vorgenommen zu werden Pflegen, sodaß die Zunahme sich leicht
berechnen läßt, sür einige Staaten doch ohne genügende Unterlage und müssen
daher, da wir möglichst vorsichtig zu Werke gehen möchten, von diesen absehen.

Hinsichtlich derjenigen Staaten, deren Zahlen für mehrere statistische
Perioden zum Vergleich benutzt werden konnten, ergibt sich das wichtige Resultat,
daß alle innerhalb der letzten 10 bis 15 Jahre ihre Seelenzahl vermehrten.
Die einzige Ausnahme davon machte Frankreich in den Jahren 1866 bis 1872,
wo seine Bevölkeruugsmenge eine Einbuße von 366 925 Seelen erlitt, was
einem jährlichen Durchschnittssatz von 0,169 Proz. entspricht. Doch auch diese
Verminderung war nur eine vorübergehende, denn schon die Erhebungen der
nächsten vier Jahre wiesen einen verhältnißmäßig nicht unerheblichen Zuwachs
auf. Es unterliegt also keinem Zweifel, daß jene Stockung in der Bevölke¬
rungsbewegung ihren Grund in den schweren Niederlagen des letzten Krieges
hatte.

Im Nachfolgenden lassen wir auf Grundlage derjenigen Zahlen, die Kolb
in feinem vortrefflichen statistischen Handbuche") aufführt, die Bevölkerungs-
Zunahme der einzelnen Staaten Revue Passiren. Für die Richtigkeit der ge¬
machten Aufstellungen fällt uns natürlich nur insofern eine Verantwortung
zu, als wir aus Kolb's Zahlen den jährlichen Durchschnitt berechnet haben.
Da stellt sich denn das Verhältniß so, daß

Portugal innerhalb der Jahre 1864--77 um 0,25 Proz.
die Schweiz1870--760,55
Frankreich"1872--760,59
Griechenland"1864--74"0,71
Rumänien>?"1859--740,71
Spanien1860--700,72
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Italien"1871--760,79
das deutsche Reich1867--75"0,83
Oesterreich - Ungarn,?"1869--76>"0,90


*) G. Fr. Kolb, Handbuch der vergleichenden Statistik. 8. Auflage, Leipzig, Arthur
Felix. 1879.

Glücklicherweise ist es unzweifelhaft, daß jene Zahl viel zu niedrig gegriffen
ist, andererseits aber kann nicht geleugnet werden, daß die Gefahr der Ueber-
völkerung nicht blos Deutschland, sondern ganz Europa bedroht. So ist es
wohl der Mühe werth, diesen Gegenstand an der Hand statistischer Erhebungen,
soweit es augenblicklich möglich ist, zu verfolgen. Leider sind wir, wenn auch
bei den meisten europäischen Staaten innerhalb bestimmter Zeiträume genaue
Zählungen vorgenommen zu werden Pflegen, sodaß die Zunahme sich leicht
berechnen läßt, sür einige Staaten doch ohne genügende Unterlage und müssen
daher, da wir möglichst vorsichtig zu Werke gehen möchten, von diesen absehen.

Hinsichtlich derjenigen Staaten, deren Zahlen für mehrere statistische
Perioden zum Vergleich benutzt werden konnten, ergibt sich das wichtige Resultat,
daß alle innerhalb der letzten 10 bis 15 Jahre ihre Seelenzahl vermehrten.
Die einzige Ausnahme davon machte Frankreich in den Jahren 1866 bis 1872,
wo seine Bevölkeruugsmenge eine Einbuße von 366 925 Seelen erlitt, was
einem jährlichen Durchschnittssatz von 0,169 Proz. entspricht. Doch auch diese
Verminderung war nur eine vorübergehende, denn schon die Erhebungen der
nächsten vier Jahre wiesen einen verhältnißmäßig nicht unerheblichen Zuwachs
auf. Es unterliegt also keinem Zweifel, daß jene Stockung in der Bevölke¬
rungsbewegung ihren Grund in den schweren Niederlagen des letzten Krieges
hatte.

Im Nachfolgenden lassen wir auf Grundlage derjenigen Zahlen, die Kolb
in feinem vortrefflichen statistischen Handbuche") aufführt, die Bevölkerungs-
Zunahme der einzelnen Staaten Revue Passiren. Für die Richtigkeit der ge¬
machten Aufstellungen fällt uns natürlich nur insofern eine Verantwortung
zu, als wir aus Kolb's Zahlen den jährlichen Durchschnitt berechnet haben.
Da stellt sich denn das Verhältniß so, daß

Portugal innerhalb der Jahre 1864—77 um 0,25 Proz.
die Schweiz1870--760,55
Frankreich»1872--760,59
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[0403] Glücklicherweise ist es unzweifelhaft, daß jene Zahl viel zu niedrig gegriffen ist, andererseits aber kann nicht geleugnet werden, daß die Gefahr der Ueber- völkerung nicht blos Deutschland, sondern ganz Europa bedroht. So ist es wohl der Mühe werth, diesen Gegenstand an der Hand statistischer Erhebungen, soweit es augenblicklich möglich ist, zu verfolgen. Leider sind wir, wenn auch bei den meisten europäischen Staaten innerhalb bestimmter Zeiträume genaue Zählungen vorgenommen zu werden Pflegen, sodaß die Zunahme sich leicht berechnen läßt, sür einige Staaten doch ohne genügende Unterlage und müssen daher, da wir möglichst vorsichtig zu Werke gehen möchten, von diesen absehen. Hinsichtlich derjenigen Staaten, deren Zahlen für mehrere statistische Perioden zum Vergleich benutzt werden konnten, ergibt sich das wichtige Resultat, daß alle innerhalb der letzten 10 bis 15 Jahre ihre Seelenzahl vermehrten. Die einzige Ausnahme davon machte Frankreich in den Jahren 1866 bis 1872, wo seine Bevölkeruugsmenge eine Einbuße von 366 925 Seelen erlitt, was einem jährlichen Durchschnittssatz von 0,169 Proz. entspricht. Doch auch diese Verminderung war nur eine vorübergehende, denn schon die Erhebungen der nächsten vier Jahre wiesen einen verhältnißmäßig nicht unerheblichen Zuwachs auf. Es unterliegt also keinem Zweifel, daß jene Stockung in der Bevölke¬ rungsbewegung ihren Grund in den schweren Niederlagen des letzten Krieges hatte. Im Nachfolgenden lassen wir auf Grundlage derjenigen Zahlen, die Kolb in feinem vortrefflichen statistischen Handbuche") aufführt, die Bevölkerungs- Zunahme der einzelnen Staaten Revue Passiren. Für die Richtigkeit der ge¬ machten Aufstellungen fällt uns natürlich nur insofern eine Verantwortung zu, als wir aus Kolb's Zahlen den jährlichen Durchschnitt berechnet haben. Da stellt sich denn das Verhältniß so, daß Portugal innerhalb der Jahre 1864—77 um 0,25 Proz. die Schweiz1870--760,55 Frankreich»1872--760,59 Griechenland»1864--74»0,71 Rumänien>?»1859--740,71 Spanien1860--700,72 Norwegenn1865--75,»0,75 Italien"1871--760,79 das deutsche Reich1867--75»0,83 Oesterreich - Ungarn,?»1869--76>»0,90 *) G. Fr. Kolb, Handbuch der vergleichenden Statistik. 8. Auflage, Leipzig, Arthur Felix. 1879.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/403>, abgerufen am 21.05.2024.