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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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gesucht und gefunden, und bald gesellte sich diesem Bunde als dritter Jacopo
Sansovino hinzu.

Jacopo Tadel, der von seinem Lehrmeister Andrea Contucci da Monte
Sansovino den Beinamen annahm, unter welchem er berühmt geworden ist,
war im Jahre 1479 in Florenz geboren. Erst verhültnißmäßig spät, mit 21
Jahren, kam er zu Andrea Contucci, und es dauerte ziemlich lange, bis er sich
über den Kreis der Florentiner Altersgenossen hinaus zu allgemeiner Anerken¬
nung emporschwang. Nach einem längeren Aufenthalte in Rom, wo er sich der
Förderung Giuliano da Sangallo's und Bramante's in architektonischen und
allgemein künstlerischen Dingen zu erfreuen hatte, kehrte er nach Florenz zurück
und that sich dort als selbständiger Meister auf, der viele Bestellungen fand,
und dem sich auch eine Reihe von Schülern anschloß. Aber lange war seines
Bleibens in Florenz nicht. Der ehrgeizige Mann fand hier nicht den geeigneten
Boden und begab sich wieder nach Rom, wo ihm der erste größere Triumph
seines Lebens zu Theil wurde, indem er in einer Konkurrenz um den Bau der
Kirche der Florentiner, San Giovanni, den Sieg über Raffael, Antonio da
Sangallo und Baldasscire Peruzzi davontrug. Doch scheint auch dieses Unter¬
nehmen den thatendurstiger und unternehmungslustigen Meister, der etwas von
einem Cäsar in sich fühlte und keinen neben sich duldete, nicht gefesselt zu
haben. Er schützte eine Unpäßlichkeit vor, die er sich durch einen Fall von:
Gerüst zugezogen, verließ den Bau und ging nach Florenz, von wo ihn die
Pest im Jahre 1523 nach Venedig vertrieb.

Sein Ruhm war ihm bereits vorausgeeilt. Als er in der Lagunenstadt
eingetroffen war, ließ ihn der Doge Andrea Gritti zu sich rufen. Er wurde
in den Palast geladen und dort mit allen Ehren empfangen, da man seiner
Dienste dringend bedürfte. Seit der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts zeigten
nämlich die Kuppeln der Markuskirche bedenkliche Risse, die sich allmählich so
sehr erweiterten, daß die Kuppeln schon mehrmals hatten abgesteift werden
müssen. Jetzt war die Gefahr auf's höchste gestiegen, und in dieser Noth sollte
Sansovino helfen. Der Florentiner entwarf auch einen sinnreichen Plan, der
allseitige Billigung fand; aber es kam nicht zur Ausführung desselben. San¬
sovino mochte den Zeitpunkt, mit Florenz und Rom definitiv abzurechnen, noch
nicht für gekommen erachtet haben. Denn er kehrte bald abermals nach Rom
zurück, wo sich inzwischen unter dem neuen Papste Clemens VII. glänzende
Aussichten für Künstler eröffneten, von denen auch Sansovino profitiren wollte.
Da kam das unglückliche Jahr 1527, welches die Kunstblüthe Rom's auf immer¬
dar vernichtete. Die Künstler zerstoben in alle vier Winde, und Rom war
nicht mehr die Zentralsonne, welche alle Künstler ein volles Jahrhundert lang
magnetisch angezogen hatte.


gesucht und gefunden, und bald gesellte sich diesem Bunde als dritter Jacopo
Sansovino hinzu.

Jacopo Tadel, der von seinem Lehrmeister Andrea Contucci da Monte
Sansovino den Beinamen annahm, unter welchem er berühmt geworden ist,
war im Jahre 1479 in Florenz geboren. Erst verhültnißmäßig spät, mit 21
Jahren, kam er zu Andrea Contucci, und es dauerte ziemlich lange, bis er sich
über den Kreis der Florentiner Altersgenossen hinaus zu allgemeiner Anerken¬
nung emporschwang. Nach einem längeren Aufenthalte in Rom, wo er sich der
Förderung Giuliano da Sangallo's und Bramante's in architektonischen und
allgemein künstlerischen Dingen zu erfreuen hatte, kehrte er nach Florenz zurück
und that sich dort als selbständiger Meister auf, der viele Bestellungen fand,
und dem sich auch eine Reihe von Schülern anschloß. Aber lange war seines
Bleibens in Florenz nicht. Der ehrgeizige Mann fand hier nicht den geeigneten
Boden und begab sich wieder nach Rom, wo ihm der erste größere Triumph
seines Lebens zu Theil wurde, indem er in einer Konkurrenz um den Bau der
Kirche der Florentiner, San Giovanni, den Sieg über Raffael, Antonio da
Sangallo und Baldasscire Peruzzi davontrug. Doch scheint auch dieses Unter¬
nehmen den thatendurstiger und unternehmungslustigen Meister, der etwas von
einem Cäsar in sich fühlte und keinen neben sich duldete, nicht gefesselt zu
haben. Er schützte eine Unpäßlichkeit vor, die er sich durch einen Fall von:
Gerüst zugezogen, verließ den Bau und ging nach Florenz, von wo ihn die
Pest im Jahre 1523 nach Venedig vertrieb.

Sein Ruhm war ihm bereits vorausgeeilt. Als er in der Lagunenstadt
eingetroffen war, ließ ihn der Doge Andrea Gritti zu sich rufen. Er wurde
in den Palast geladen und dort mit allen Ehren empfangen, da man seiner
Dienste dringend bedürfte. Seit der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts zeigten
nämlich die Kuppeln der Markuskirche bedenkliche Risse, die sich allmählich so
sehr erweiterten, daß die Kuppeln schon mehrmals hatten abgesteift werden
müssen. Jetzt war die Gefahr auf's höchste gestiegen, und in dieser Noth sollte
Sansovino helfen. Der Florentiner entwarf auch einen sinnreichen Plan, der
allseitige Billigung fand; aber es kam nicht zur Ausführung desselben. San¬
sovino mochte den Zeitpunkt, mit Florenz und Rom definitiv abzurechnen, noch
nicht für gekommen erachtet haben. Denn er kehrte bald abermals nach Rom
zurück, wo sich inzwischen unter dem neuen Papste Clemens VII. glänzende
Aussichten für Künstler eröffneten, von denen auch Sansovino profitiren wollte.
Da kam das unglückliche Jahr 1527, welches die Kunstblüthe Rom's auf immer¬
dar vernichtete. Die Künstler zerstoben in alle vier Winde, und Rom war
nicht mehr die Zentralsonne, welche alle Künstler ein volles Jahrhundert lang
magnetisch angezogen hatte.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/469>, abgerufen am 22.05.2024.