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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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jährlich 79 Pfd. Sterling; aber wenn auch der deutsche Kriegsminister es spar¬
samer einzurichten wüßte, unter 1000 Mark pro Kopf und Jahr würde er die
Truppen auch nicht erhalten können; dies wäre allein eine jährliche Ausgabe
von 500000 Mark. Ohne ein Kriegsschiff, und wenn es auch nur eins der
kleinsten Kanonenboote wäre, wird die Kolonie auch nicht sein können; Kundige
mögen die Summe hierfür angeben, aber billig ist ein in Dienst gestelltes
Kriegsschiff jedenfalls auch nicht. Nach dem Kkxorr ok et<z vir-ZOwi-s ok von-
viot xrisons von 1873 betrug der Staatszuschuß für die in England detinirten
Zuchthausgefangenen jährlich pro Kopf 11 Pfd. Sterling, für die im Zellen¬
gefängnisse zu Pentonville 20 Pfd. Sterling, für die Deportirten in West-
Australien dagegen 60 Pfd. Sterling -- in der letzteren Summe die Trans¬
portkosten nicht mit einbegriffen --, d. h. die Kosten eines Gefangenen in der
Strafkolonie sind drei Mal so groß als in einem Einzelhaftgefängnisse der
Heimat und 5^ Mal so groß als im Durchschnitt für alle Gefangenen. Ueber¬
tragen wir diese Verhältnisse auf Deutschland, bez. Preußen. Hier betrug der
Staatszuschuß für die in allen dem Ministerium des Innern unterstellten.Ge¬
fängnissen detinirten Gefangenen im Durchschnitt der Jahre 1875 und 1876
pro Kopf 211 Mark, in dem Einzelhaftgefängnisse Moabit 228 Mark. Nehmen
wir den günstigsten Fall, daß sie in der Strafkolonie nur drei Mal soviel
kosteten als in Moabit, so betrüge die jährliche Ausgabe für jene 2500 Ge¬
fangenen in der Strafkolonie die Kleinigkeit von 1,114000 Mark mehr, als
wenn wir sie in Einzelhaft gehalten hätten.

Nun könnte man einwenden, das sei zwar sehr viel Geld, aber dafür
seien wir die Gefangenen auch ein für allemal los. Welcher Irrthum! Aus
den oben angeführten Zahlen ergab sich, daß ein Drittel der zu Deportirenden
lebenslängliche sind; von dem Rest würden erfahrungsgemäß hier wie dort die
eine Hälfte mindestens vor Ablauf der Strafzeit sterben; es blieben also etwa
800, die nach Ablauf, wir wollen annehmen von 10 Jahren, durch vorläufige
Entlassung, Begnadigung, Ablauf der Strafzeit frei werden. Angenommen
nun, diese blieben sämmtlich in der Kolonie, so würde uns die Expatriirung
dieser 800 Verbrecher eine 10 jährige Rente von 800 mal 456 Mark oder ohne
Berechnung der Zinsen 3,648000 Mark gekostet haben. Das hieße denn doch
die Beseitigung von 800 Verbrechern gar zu theuer bezahlt! Aber wer steht
uns auch dafür, daß sie alle in der Kolonie bleiben? Wenn sie nun nach
Ablauf der Strafe heimkehren wollen, um ihre Congo-Studien in Deutschland
zu verwerthen -- können wir es ihnen wehren? Würde wohl ein Rechts¬
kundiger sich finden, der einen Paragraphen in's Strafgesetzbuch aufnähme, des
Inhalts: "Wer zu mehr als 10 Jahren Zuchthaus verurtheilt ist, kann durch
Anordnung des Justizministers gezwungen werden, dieselben in einer Straf-


jährlich 79 Pfd. Sterling; aber wenn auch der deutsche Kriegsminister es spar¬
samer einzurichten wüßte, unter 1000 Mark pro Kopf und Jahr würde er die
Truppen auch nicht erhalten können; dies wäre allein eine jährliche Ausgabe
von 500000 Mark. Ohne ein Kriegsschiff, und wenn es auch nur eins der
kleinsten Kanonenboote wäre, wird die Kolonie auch nicht sein können; Kundige
mögen die Summe hierfür angeben, aber billig ist ein in Dienst gestelltes
Kriegsschiff jedenfalls auch nicht. Nach dem Kkxorr ok et<z vir-ZOwi-s ok von-
viot xrisons von 1873 betrug der Staatszuschuß für die in England detinirten
Zuchthausgefangenen jährlich pro Kopf 11 Pfd. Sterling, für die im Zellen¬
gefängnisse zu Pentonville 20 Pfd. Sterling, für die Deportirten in West-
Australien dagegen 60 Pfd. Sterling — in der letzteren Summe die Trans¬
portkosten nicht mit einbegriffen —, d. h. die Kosten eines Gefangenen in der
Strafkolonie sind drei Mal so groß als in einem Einzelhaftgefängnisse der
Heimat und 5^ Mal so groß als im Durchschnitt für alle Gefangenen. Ueber¬
tragen wir diese Verhältnisse auf Deutschland, bez. Preußen. Hier betrug der
Staatszuschuß für die in allen dem Ministerium des Innern unterstellten.Ge¬
fängnissen detinirten Gefangenen im Durchschnitt der Jahre 1875 und 1876
pro Kopf 211 Mark, in dem Einzelhaftgefängnisse Moabit 228 Mark. Nehmen
wir den günstigsten Fall, daß sie in der Strafkolonie nur drei Mal soviel
kosteten als in Moabit, so betrüge die jährliche Ausgabe für jene 2500 Ge¬
fangenen in der Strafkolonie die Kleinigkeit von 1,114000 Mark mehr, als
wenn wir sie in Einzelhaft gehalten hätten.

Nun könnte man einwenden, das sei zwar sehr viel Geld, aber dafür
seien wir die Gefangenen auch ein für allemal los. Welcher Irrthum! Aus
den oben angeführten Zahlen ergab sich, daß ein Drittel der zu Deportirenden
lebenslängliche sind; von dem Rest würden erfahrungsgemäß hier wie dort die
eine Hälfte mindestens vor Ablauf der Strafzeit sterben; es blieben also etwa
800, die nach Ablauf, wir wollen annehmen von 10 Jahren, durch vorläufige
Entlassung, Begnadigung, Ablauf der Strafzeit frei werden. Angenommen
nun, diese blieben sämmtlich in der Kolonie, so würde uns die Expatriirung
dieser 800 Verbrecher eine 10 jährige Rente von 800 mal 456 Mark oder ohne
Berechnung der Zinsen 3,648000 Mark gekostet haben. Das hieße denn doch
die Beseitigung von 800 Verbrechern gar zu theuer bezahlt! Aber wer steht
uns auch dafür, daß sie alle in der Kolonie bleiben? Wenn sie nun nach
Ablauf der Strafe heimkehren wollen, um ihre Congo-Studien in Deutschland
zu verwerthen — können wir es ihnen wehren? Würde wohl ein Rechts¬
kundiger sich finden, der einen Paragraphen in's Strafgesetzbuch aufnähme, des
Inhalts: „Wer zu mehr als 10 Jahren Zuchthaus verurtheilt ist, kann durch
Anordnung des Justizministers gezwungen werden, dieselben in einer Straf-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/508>, abgerufen am 14.06.2024.