Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

geführt, aus den Magazinen der Depot-Insel nach den Inseln der Gefangenen
gebracht und an bestimmten Tagen -- unseres Wissens aller fünf Tage --
rationsweise an die Gefangenen vertheilt. Dies sind zugleich die Musterungs¬
tage, an denen die Präsenz der Gefangenen konstatirt wird, es sind die
Abrechnungstage, an denen die Gefangenen das, was sie an Tabak, Kaffee :c.
gebaut haben, abliefern und dafür wie für die öffentlichen Arbeiten, die sie
geleistet -- Wege- und Brückenbau, Bewässerungs- und Entwässerungsarbeiten
u. s. w. -- ihren Lohn bekommen. Derselbe besteht in Bons, für welche sie Eß-,
Genuß- und Bequemlichkeits - Gegenstände von der Verwaltung eintauschen
können. Dabei wird aufs sorgfältigste darauf gehalten, daß ihnen an Eß-
waaren nicht etwa soviel verabreicht wird, daß sie sich einen Vorrath davon
zusammensparen können. Da den Gefangenen jede Möglichkeit genommen ist,
von der Insel zu entkommen -- alle Schiffe und Boote liegen unter sicherster
Bewachung außerhalb ihres Bereiches --, da sie immer nur für fünf Tage
Nahrungsmittel haben und auf ihrer Insel absolut nichts Eßbares finden, so
würde es im Falle einer Revolte genügen, die Lebensmittelration nicht zu
vertheilen; sie würden dann verhungern oder müßten sich als Kannibalen unter
einander auffressen. Um das übrige Treiben der Gefangenen bekümmert sich
die Verwaltung nicht viel. Nur gröbere Exzesse, Mord und Todtschlag kommen
zur Anzeige und werden vom Gouverneur mit Auspeitschen oder eventuell
Hängen -- ob mit oder ohne ordentlichen Prozeß, ist uns jetzt nicht erinner¬
lich -- bestraft.

Was aus dieser Menschenmasse, in der die verschiedensten Racen und
Nationen vertreten sind -- Chinesen, Hindus, Malayen, Parsi, Neger, Weiße,
Araber und was sonst in den Emporien des Ostens zusammengeströmt sein
mag --, ich will nicht sagen in sittlicher und religiöser, sondern überhaupt nur
in menschlicher Beziehung wird, bedarf wohl keiner Beschreibung. Man ver¬
gegenwärtige sich nur, was hier an viehischer geschlechtlicher Ausschweifung
geleistet wird! Doch will ich nicht unerwähnt lassen, daß den Gefangenen
auch die Gelegenheit geboten wird, eine Frau zu nehmen. Nach zehnjähriger
guter Führung kann der männliche, nach dreijähriger die weibliche Gefangene
die Erlaubniß zum Heirathen bekommen. Zu bestimmten Terminen werden
die mit einem Heiraths - Tickel versehenen männlichen Gefangenen nach der
Insel des Gouverneurs geholt, es werden ihnen aus dem Weibergefängnisse
die ebenfalls mit Tickel versehenen Kandidatinnen vorgeführt, man gibt ihnen
fünf bis zehn Minuten zur Wahl; ist ein Paar einig geworden, so werden sie
vom Gouverneur zusammengegeben und beziehen als Mann und Frau auf
einer Deportationsinsel ein Hütte für sich. Was wird aber ans dieser sogenannten
Ehe? Die Frau wird Gemeingut einer ganzen Anzahl anderer Gefangenen,


geführt, aus den Magazinen der Depot-Insel nach den Inseln der Gefangenen
gebracht und an bestimmten Tagen — unseres Wissens aller fünf Tage —
rationsweise an die Gefangenen vertheilt. Dies sind zugleich die Musterungs¬
tage, an denen die Präsenz der Gefangenen konstatirt wird, es sind die
Abrechnungstage, an denen die Gefangenen das, was sie an Tabak, Kaffee :c.
gebaut haben, abliefern und dafür wie für die öffentlichen Arbeiten, die sie
geleistet — Wege- und Brückenbau, Bewässerungs- und Entwässerungsarbeiten
u. s. w. — ihren Lohn bekommen. Derselbe besteht in Bons, für welche sie Eß-,
Genuß- und Bequemlichkeits - Gegenstände von der Verwaltung eintauschen
können. Dabei wird aufs sorgfältigste darauf gehalten, daß ihnen an Eß-
waaren nicht etwa soviel verabreicht wird, daß sie sich einen Vorrath davon
zusammensparen können. Da den Gefangenen jede Möglichkeit genommen ist,
von der Insel zu entkommen — alle Schiffe und Boote liegen unter sicherster
Bewachung außerhalb ihres Bereiches —, da sie immer nur für fünf Tage
Nahrungsmittel haben und auf ihrer Insel absolut nichts Eßbares finden, so
würde es im Falle einer Revolte genügen, die Lebensmittelration nicht zu
vertheilen; sie würden dann verhungern oder müßten sich als Kannibalen unter
einander auffressen. Um das übrige Treiben der Gefangenen bekümmert sich
die Verwaltung nicht viel. Nur gröbere Exzesse, Mord und Todtschlag kommen
zur Anzeige und werden vom Gouverneur mit Auspeitschen oder eventuell
Hängen — ob mit oder ohne ordentlichen Prozeß, ist uns jetzt nicht erinner¬
lich — bestraft.

Was aus dieser Menschenmasse, in der die verschiedensten Racen und
Nationen vertreten sind — Chinesen, Hindus, Malayen, Parsi, Neger, Weiße,
Araber und was sonst in den Emporien des Ostens zusammengeströmt sein
mag —, ich will nicht sagen in sittlicher und religiöser, sondern überhaupt nur
in menschlicher Beziehung wird, bedarf wohl keiner Beschreibung. Man ver¬
gegenwärtige sich nur, was hier an viehischer geschlechtlicher Ausschweifung
geleistet wird! Doch will ich nicht unerwähnt lassen, daß den Gefangenen
auch die Gelegenheit geboten wird, eine Frau zu nehmen. Nach zehnjähriger
guter Führung kann der männliche, nach dreijähriger die weibliche Gefangene
die Erlaubniß zum Heirathen bekommen. Zu bestimmten Terminen werden
die mit einem Heiraths - Tickel versehenen männlichen Gefangenen nach der
Insel des Gouverneurs geholt, es werden ihnen aus dem Weibergefängnisse
die ebenfalls mit Tickel versehenen Kandidatinnen vorgeführt, man gibt ihnen
fünf bis zehn Minuten zur Wahl; ist ein Paar einig geworden, so werden sie
vom Gouverneur zusammengegeben und beziehen als Mann und Frau auf
einer Deportationsinsel ein Hütte für sich. Was wird aber ans dieser sogenannten
Ehe? Die Frau wird Gemeingut einer ganzen Anzahl anderer Gefangenen,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0510" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142465"/>
          <p xml:id="ID_1539" prev="#ID_1538"> geführt, aus den Magazinen der Depot-Insel nach den Inseln der Gefangenen<lb/>
gebracht und an bestimmten Tagen &#x2014; unseres Wissens aller fünf Tage &#x2014;<lb/>
rationsweise an die Gefangenen vertheilt. Dies sind zugleich die Musterungs¬<lb/>
tage, an denen die Präsenz der Gefangenen konstatirt wird, es sind die<lb/>
Abrechnungstage, an denen die Gefangenen das, was sie an Tabak, Kaffee :c.<lb/>
gebaut haben, abliefern und dafür wie für die öffentlichen Arbeiten, die sie<lb/>
geleistet &#x2014; Wege- und Brückenbau, Bewässerungs- und Entwässerungsarbeiten<lb/>
u. s. w. &#x2014; ihren Lohn bekommen. Derselbe besteht in Bons, für welche sie Eß-,<lb/>
Genuß- und Bequemlichkeits - Gegenstände von der Verwaltung eintauschen<lb/>
können. Dabei wird aufs sorgfältigste darauf gehalten, daß ihnen an Eß-<lb/>
waaren nicht etwa soviel verabreicht wird, daß sie sich einen Vorrath davon<lb/>
zusammensparen können. Da den Gefangenen jede Möglichkeit genommen ist,<lb/>
von der Insel zu entkommen &#x2014; alle Schiffe und Boote liegen unter sicherster<lb/>
Bewachung außerhalb ihres Bereiches &#x2014;, da sie immer nur für fünf Tage<lb/>
Nahrungsmittel haben und auf ihrer Insel absolut nichts Eßbares finden, so<lb/>
würde es im Falle einer Revolte genügen, die Lebensmittelration nicht zu<lb/>
vertheilen; sie würden dann verhungern oder müßten sich als Kannibalen unter<lb/>
einander auffressen. Um das übrige Treiben der Gefangenen bekümmert sich<lb/>
die Verwaltung nicht viel. Nur gröbere Exzesse, Mord und Todtschlag kommen<lb/>
zur Anzeige und werden vom Gouverneur mit Auspeitschen oder eventuell<lb/>
Hängen &#x2014; ob mit oder ohne ordentlichen Prozeß, ist uns jetzt nicht erinner¬<lb/>
lich &#x2014; bestraft.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1540" next="#ID_1541"> Was aus dieser Menschenmasse, in der die verschiedensten Racen und<lb/>
Nationen vertreten sind &#x2014; Chinesen, Hindus, Malayen, Parsi, Neger, Weiße,<lb/>
Araber und was sonst in den Emporien des Ostens zusammengeströmt sein<lb/>
mag &#x2014;, ich will nicht sagen in sittlicher und religiöser, sondern überhaupt nur<lb/>
in menschlicher Beziehung wird, bedarf wohl keiner Beschreibung. Man ver¬<lb/>
gegenwärtige sich nur, was hier an viehischer geschlechtlicher Ausschweifung<lb/>
geleistet wird! Doch will ich nicht unerwähnt lassen, daß den Gefangenen<lb/>
auch die Gelegenheit geboten wird, eine Frau zu nehmen. Nach zehnjähriger<lb/>
guter Führung kann der männliche, nach dreijähriger die weibliche Gefangene<lb/>
die Erlaubniß zum Heirathen bekommen. Zu bestimmten Terminen werden<lb/>
die mit einem Heiraths - Tickel versehenen männlichen Gefangenen nach der<lb/>
Insel des Gouverneurs geholt, es werden ihnen aus dem Weibergefängnisse<lb/>
die ebenfalls mit Tickel versehenen Kandidatinnen vorgeführt, man gibt ihnen<lb/>
fünf bis zehn Minuten zur Wahl; ist ein Paar einig geworden, so werden sie<lb/>
vom Gouverneur zusammengegeben und beziehen als Mann und Frau auf<lb/>
einer Deportationsinsel ein Hütte für sich. Was wird aber ans dieser sogenannten<lb/>
Ehe? Die Frau wird Gemeingut einer ganzen Anzahl anderer Gefangenen,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0510] geführt, aus den Magazinen der Depot-Insel nach den Inseln der Gefangenen gebracht und an bestimmten Tagen — unseres Wissens aller fünf Tage — rationsweise an die Gefangenen vertheilt. Dies sind zugleich die Musterungs¬ tage, an denen die Präsenz der Gefangenen konstatirt wird, es sind die Abrechnungstage, an denen die Gefangenen das, was sie an Tabak, Kaffee :c. gebaut haben, abliefern und dafür wie für die öffentlichen Arbeiten, die sie geleistet — Wege- und Brückenbau, Bewässerungs- und Entwässerungsarbeiten u. s. w. — ihren Lohn bekommen. Derselbe besteht in Bons, für welche sie Eß-, Genuß- und Bequemlichkeits - Gegenstände von der Verwaltung eintauschen können. Dabei wird aufs sorgfältigste darauf gehalten, daß ihnen an Eß- waaren nicht etwa soviel verabreicht wird, daß sie sich einen Vorrath davon zusammensparen können. Da den Gefangenen jede Möglichkeit genommen ist, von der Insel zu entkommen — alle Schiffe und Boote liegen unter sicherster Bewachung außerhalb ihres Bereiches —, da sie immer nur für fünf Tage Nahrungsmittel haben und auf ihrer Insel absolut nichts Eßbares finden, so würde es im Falle einer Revolte genügen, die Lebensmittelration nicht zu vertheilen; sie würden dann verhungern oder müßten sich als Kannibalen unter einander auffressen. Um das übrige Treiben der Gefangenen bekümmert sich die Verwaltung nicht viel. Nur gröbere Exzesse, Mord und Todtschlag kommen zur Anzeige und werden vom Gouverneur mit Auspeitschen oder eventuell Hängen — ob mit oder ohne ordentlichen Prozeß, ist uns jetzt nicht erinner¬ lich — bestraft. Was aus dieser Menschenmasse, in der die verschiedensten Racen und Nationen vertreten sind — Chinesen, Hindus, Malayen, Parsi, Neger, Weiße, Araber und was sonst in den Emporien des Ostens zusammengeströmt sein mag —, ich will nicht sagen in sittlicher und religiöser, sondern überhaupt nur in menschlicher Beziehung wird, bedarf wohl keiner Beschreibung. Man ver¬ gegenwärtige sich nur, was hier an viehischer geschlechtlicher Ausschweifung geleistet wird! Doch will ich nicht unerwähnt lassen, daß den Gefangenen auch die Gelegenheit geboten wird, eine Frau zu nehmen. Nach zehnjähriger guter Führung kann der männliche, nach dreijähriger die weibliche Gefangene die Erlaubniß zum Heirathen bekommen. Zu bestimmten Terminen werden die mit einem Heiraths - Tickel versehenen männlichen Gefangenen nach der Insel des Gouverneurs geholt, es werden ihnen aus dem Weibergefängnisse die ebenfalls mit Tickel versehenen Kandidatinnen vorgeführt, man gibt ihnen fünf bis zehn Minuten zur Wahl; ist ein Paar einig geworden, so werden sie vom Gouverneur zusammengegeben und beziehen als Mann und Frau auf einer Deportationsinsel ein Hütte für sich. Was wird aber ans dieser sogenannten Ehe? Die Frau wird Gemeingut einer ganzen Anzahl anderer Gefangenen,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/510
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/510>, abgerufen am 14.06.2024.