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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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Breite doppelt faßt. Selbst ein so geschmackvoller und feinsinniger Mann wie
Gustav Richter umgab das Doppelbildniß seiner beiden Söhne, welches auf
der gegenwärtigen Kunstausstellung zu sehen ist, mit einem alten Rokokorahmen,
dessen breites, weitästiges Geschnörkel den denkbar schärfsten Kontrast zu der
durchaus modernen Physiognomie und Tracht der Dargestellten bildet. Ange¬
sichts eines solchen Beispiels wollen wir von den Verirrungen der Geringeren
schweigen und nur konstatiren, daß hie und da, namentlich bei Porträts, der
schüchterne Versuch gemacht wird, mit dem Goldrahmen, der gerade hier schäd¬
licher und unvernünftiger ist als bei jedem anderen Genre der Malerei, zu
brechen und einen dunkel abgetöntem Holzrahmen an die Stelle der blendenden
und tyrannischen Goldeinfassung zu setzen. Paul Meyerheim hat einen solchen
schwarzen Rahmen, der ein weibliches Bildniß umschließt, mit Blumen und
Schmetterlingen bemalt. Damit ist eigentlich schon ein Schritt zu weit gegangen,
da der Rahmen kein selbständiges Kunstwerk sein und nicht ein gesondertes,
dem Bilde unzuträgliches Interesse hervorrufen darf.

Die Klagen über den maßlosen Luxus des Rahmenwerks, zu welchen mich
die diesjährige Kunstausstellung veranlaßt hat, sind nicht neu. Indem ich nach
literarischen Nachweisen zur Geschichte des Bilderrahmens suchte, stieß ich zuerst
auf einen Artikel im "Deutschen Kunstblatt" von 1851, in welchem ich fol¬
gende Stelle fand: "So lange man die Malerei als Luxusartikel behandelt,
um die Prunkgemächer damit zu schmücken, so lange man in dieser Kunst haupt¬
sächlich die Illusion bezweckt, welche blenden und berauschen soll, statt zu be¬
ruhigen und zu veredeln, die mehr den Sinnen als dem Geiste dienstbar ist,
wird man der gleißenden Goldeinfassuug nicht wohl entbehren können. Daß
in dieser Beziehung die Kunstansstellungen mehr schaden als nützen, liegt auf
der Hand. Gerade hier sucht sich die Geistlosigkeit und Mittelmäßigkeit mit
den glänzendsten Flittern zu behängen, um die verborgenere, nirgends vorlaute
Schönheit zu übertäuben und zurückzudrängen. Besonders ist dies beim Por¬
trätfach bemerkbar, wo heutigen Tages verhältnißmäßig am wenigsten geleistet
wird, und wo gerade die größte Prätension grassirt: hier besondees machen die
Vergolder glänzende Geschäfte, und fast immer hat der Goldrahmen mehr ge¬
kostet, als das Gemälde werth ist." Also dieselben Beobachtungen, dieselben
Klagen wie heute, und damals gab es noch kein ?axisr räh-vus oder Vs-reor
xiorro. Oder wenn diese Massen damals schon existirten, waren sie bei weitem
noch nicht in dem Grade der Nahmenfabrikativn dienstbar gemacht wie heute,
wo die Belagwalzmaschine beliebige Ornamentformen mit rapider Geschwindig¬
keit aus der weichen Masse durch stählerne Matrizen preßt.

Wenn man der Geschichte des Goldrahmens nachspürt, gelangt man bald
zu der Einsicht, daß es demselben zunächst an jeder ästhetischen Berechtigung


Breite doppelt faßt. Selbst ein so geschmackvoller und feinsinniger Mann wie
Gustav Richter umgab das Doppelbildniß seiner beiden Söhne, welches auf
der gegenwärtigen Kunstausstellung zu sehen ist, mit einem alten Rokokorahmen,
dessen breites, weitästiges Geschnörkel den denkbar schärfsten Kontrast zu der
durchaus modernen Physiognomie und Tracht der Dargestellten bildet. Ange¬
sichts eines solchen Beispiels wollen wir von den Verirrungen der Geringeren
schweigen und nur konstatiren, daß hie und da, namentlich bei Porträts, der
schüchterne Versuch gemacht wird, mit dem Goldrahmen, der gerade hier schäd¬
licher und unvernünftiger ist als bei jedem anderen Genre der Malerei, zu
brechen und einen dunkel abgetöntem Holzrahmen an die Stelle der blendenden
und tyrannischen Goldeinfassung zu setzen. Paul Meyerheim hat einen solchen
schwarzen Rahmen, der ein weibliches Bildniß umschließt, mit Blumen und
Schmetterlingen bemalt. Damit ist eigentlich schon ein Schritt zu weit gegangen,
da der Rahmen kein selbständiges Kunstwerk sein und nicht ein gesondertes,
dem Bilde unzuträgliches Interesse hervorrufen darf.

Die Klagen über den maßlosen Luxus des Rahmenwerks, zu welchen mich
die diesjährige Kunstausstellung veranlaßt hat, sind nicht neu. Indem ich nach
literarischen Nachweisen zur Geschichte des Bilderrahmens suchte, stieß ich zuerst
auf einen Artikel im „Deutschen Kunstblatt" von 1851, in welchem ich fol¬
gende Stelle fand: „So lange man die Malerei als Luxusartikel behandelt,
um die Prunkgemächer damit zu schmücken, so lange man in dieser Kunst haupt¬
sächlich die Illusion bezweckt, welche blenden und berauschen soll, statt zu be¬
ruhigen und zu veredeln, die mehr den Sinnen als dem Geiste dienstbar ist,
wird man der gleißenden Goldeinfassuug nicht wohl entbehren können. Daß
in dieser Beziehung die Kunstansstellungen mehr schaden als nützen, liegt auf
der Hand. Gerade hier sucht sich die Geistlosigkeit und Mittelmäßigkeit mit
den glänzendsten Flittern zu behängen, um die verborgenere, nirgends vorlaute
Schönheit zu übertäuben und zurückzudrängen. Besonders ist dies beim Por¬
trätfach bemerkbar, wo heutigen Tages verhältnißmäßig am wenigsten geleistet
wird, und wo gerade die größte Prätension grassirt: hier besondees machen die
Vergolder glänzende Geschäfte, und fast immer hat der Goldrahmen mehr ge¬
kostet, als das Gemälde werth ist." Also dieselben Beobachtungen, dieselben
Klagen wie heute, und damals gab es noch kein ?axisr räh-vus oder Vs-reor
xiorro. Oder wenn diese Massen damals schon existirten, waren sie bei weitem
noch nicht in dem Grade der Nahmenfabrikativn dienstbar gemacht wie heute,
wo die Belagwalzmaschine beliebige Ornamentformen mit rapider Geschwindig¬
keit aus der weichen Masse durch stählerne Matrizen preßt.

Wenn man der Geschichte des Goldrahmens nachspürt, gelangt man bald
zu der Einsicht, daß es demselben zunächst an jeder ästhetischen Berechtigung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/162>, abgerufen am 26.05.2024.