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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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kommen und die soeben erwähnter Naturalbezüge hatte, besaß also ein Ge-
sammteinkommen von 1135 Mark 50 Pfennigen; solche oder bessere Stellen
gab es aber in Sachsen nach der Tabelle auf S. 222 nicht viele.

Die Bewidmung war, wie der Entwickelungsprozeß der lutherischen Kirche
überhaupt, langsam vor sich gegangen. Die Schuld lag aber diesmal nicht
allein an dem Organismus der letzteren, sondern am Schmalkaldischen Bunde,
der im Kampfe mit dem Kaiser Karl in ziemlich kläglicher Weise unterlag.
Als dessen oberstes Haupt, der fromme und wohlwollende, aber unbeholfene
Kurfürst Johann Friedrich auf der Lochauer Haide besiegt und gefangen ge¬
nommen worden, kam über die junge Kirche eine ziemlich harte Prüfungszeit.
Luther war bereits gestorben. Ueber seinem Grabe brach der Hader streitbe¬
gieriger Pfaffen aus, in dem gefangnen Fürsten hatte die Kirche ihren Leiter
verloren, und so begann ein Zersetzungsprozeß, der den halbfertigen künstlichen
Bau mit schwerer Gefahr bedrohte. Viel kam hier auf die materielle Basis an,
die im Obigen besonders betont werden mußte, und hier bezeichnen gerade die
Jahre nach dem Schmalkaldischen Kriege das unfertige Wesen der sächsischen
Kirche sehr deutlich. "Schon 1548 zeigte sich," wie unsere Schrift bemerkt,
"in den zahllosen Klagen, daß das Bewidmnngswerk auf halbem Wege stehen
geblieben war. Die Söhne des gefangenen Kurfürsten erinnerten ihn daran,
daß der geistliche Stand unendlich viel zu leiden hatte, da das mit nicht ge¬
ringen Kosten in Angriff genommene Bewidmnngswerk nur in den Superin-
tendentureu der Kreise von Torgau, Grimma und Zwickau, sowie im Vogtlande
zur Durchführung gekommen war, während alle thüringischen Pfarreien, ein
Theil der meißnischen und selbst die größere Hälfte der sächsischen in Folge
des hereingebrochenen Krieges der Bordseite jenes Werkes verlustig gegangen
waren. Entschloß sich der Kurfürst, daß die in Meißen gewährte Zulage als
Norm für die weitere Durchführung des Geplauder dienen sollte, so gingen
wiederum Jahre dahin, ehe man unter den sich Hausenten Schwierigkeiten,
welche der sächsischen Landesregierung aus der veränderten Stellung zu den
geistlichen Gütern und aus der Liquidationshandlung erwuchsen, an die Voll¬
endung des Werkes denken konnte. Noch 1552 gab es eine hinreichende Zahl
nicht bedachter Geistlichen, obwohl inzwischen die Pfarreien, namentlich in
einigen Theilen Thüringens, fast bis zur Hälfte herabgemindert waren." Erst
viel später, zum Theil erst in unserm Jahrhunderte, ist dem Nothstande, der
sich hieraus entwickelte, in ausreichendem Maße abgeholfen worden.




kommen und die soeben erwähnter Naturalbezüge hatte, besaß also ein Ge-
sammteinkommen von 1135 Mark 50 Pfennigen; solche oder bessere Stellen
gab es aber in Sachsen nach der Tabelle auf S. 222 nicht viele.

Die Bewidmung war, wie der Entwickelungsprozeß der lutherischen Kirche
überhaupt, langsam vor sich gegangen. Die Schuld lag aber diesmal nicht
allein an dem Organismus der letzteren, sondern am Schmalkaldischen Bunde,
der im Kampfe mit dem Kaiser Karl in ziemlich kläglicher Weise unterlag.
Als dessen oberstes Haupt, der fromme und wohlwollende, aber unbeholfene
Kurfürst Johann Friedrich auf der Lochauer Haide besiegt und gefangen ge¬
nommen worden, kam über die junge Kirche eine ziemlich harte Prüfungszeit.
Luther war bereits gestorben. Ueber seinem Grabe brach der Hader streitbe¬
gieriger Pfaffen aus, in dem gefangnen Fürsten hatte die Kirche ihren Leiter
verloren, und so begann ein Zersetzungsprozeß, der den halbfertigen künstlichen
Bau mit schwerer Gefahr bedrohte. Viel kam hier auf die materielle Basis an,
die im Obigen besonders betont werden mußte, und hier bezeichnen gerade die
Jahre nach dem Schmalkaldischen Kriege das unfertige Wesen der sächsischen
Kirche sehr deutlich. „Schon 1548 zeigte sich," wie unsere Schrift bemerkt,
„in den zahllosen Klagen, daß das Bewidmnngswerk auf halbem Wege stehen
geblieben war. Die Söhne des gefangenen Kurfürsten erinnerten ihn daran,
daß der geistliche Stand unendlich viel zu leiden hatte, da das mit nicht ge¬
ringen Kosten in Angriff genommene Bewidmnngswerk nur in den Superin-
tendentureu der Kreise von Torgau, Grimma und Zwickau, sowie im Vogtlande
zur Durchführung gekommen war, während alle thüringischen Pfarreien, ein
Theil der meißnischen und selbst die größere Hälfte der sächsischen in Folge
des hereingebrochenen Krieges der Bordseite jenes Werkes verlustig gegangen
waren. Entschloß sich der Kurfürst, daß die in Meißen gewährte Zulage als
Norm für die weitere Durchführung des Geplauder dienen sollte, so gingen
wiederum Jahre dahin, ehe man unter den sich Hausenten Schwierigkeiten,
welche der sächsischen Landesregierung aus der veränderten Stellung zu den
geistlichen Gütern und aus der Liquidationshandlung erwuchsen, an die Voll¬
endung des Werkes denken konnte. Noch 1552 gab es eine hinreichende Zahl
nicht bedachter Geistlichen, obwohl inzwischen die Pfarreien, namentlich in
einigen Theilen Thüringens, fast bis zur Hälfte herabgemindert waren." Erst
viel später, zum Theil erst in unserm Jahrhunderte, ist dem Nothstande, der
sich hieraus entwickelte, in ausreichendem Maße abgeholfen worden.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/547>, abgerufen am 18.05.2024.