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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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Gruppen bei den übrigen Privatbahnen noch immer in Wirksamkeit, und bei
weiterem Fortschreiten in dieser Richtung würden wir bald dazu gelangen, daß
man in Preußen, abgesehen von den Staatsbahnen, nur einige wenige mächtige
Eisenbahngesellschaften haben würde. Daß ein solcher Zustand nicht zu wünschen
ist, beweist Frankreich, wo es uur 6 größere Eisenbahngesellschaften giebt, wo
aber das Eisenbahnwesen sich in vieler Hinsicht nicht so günstig wie in Deutsch¬
land entwickelt hat, und wo -- was das Wichtigste ist -- Regierung und
Publikum den Directionen machtlos gegenüberstehen, wenn es diesen gefällt, sich
zu ihrem Vortheile gegen den des Publikums zu vereinigen. Sobald eben die
Netze zu groß werden und ihre Anzahl zu gering, Hort die gegenseitige Con-
currenz aus, und alle Vortheile, welche dieselbe zum Beispiel in Deutschland im
Gefolge gehabt hat, fallen weg. Bei der fortgesetzten Entwicklung zu immer
größeren Gruppen wird also bei einem gewissen Zeitpunkte der Staat selbst
am besten die Verwaltung des gesammten vorhandenen Netzes von Eisenbahnen
übernehmen. Diese Nothwendigkeit macht sich naturgemäß zuerst und vorzugs¬
weise bei dem reichentwickelten Bahnnetze im Herzen Europas, d. i. in Deutsch¬
land, geltend, weil in diesem central gelegenen Netze das Bedürfniß nach ener¬
gischer einheitlicher Leitung am größten sein muß. Um die Anforderungen des
Verkehrs, welche durch die von allen Seiten anschließende:: ausländischen Eisen¬
bahnen gestellt werden, zu vereinigen und ihnen möglichst vollständig zu genügen,
bedarf es der Leitung durch eine einzige kräftige Hand. Bei den peripherisch
gelegenen übrigen Staaten Europas ist dies noch nicht in gleichem Maße er¬
forderlich.

Soviel sei zur Motivirung unseres Standpunktes angeführt, nach welchem
wir die Frage, ob sich in Deutschland das Gemeinwesen unter irgend einer
Form des gesammten Eisenbahnbetriebes bemächtigen müsse, bejahend beant¬
wortet haben. Wir unterwerfen uns dabei nicht sowohl einem unabwendbaren,
wenn auch verhaßten Schreiten der Schicksalsmächte, sondern wir halten diesen
Gang der Entwicklung für den richtigen und bei der Wahl der geeigneten Orga¬
nisationen für einen glückbringenden. Wir werden uns also mit der Frage, o b
der Staat das ganze Eisenbahnwesen in seine Verwaltung nehmen soll, nicht
weiter beschäftigen, sondern nur mit der, wie das gesammte dem Staate in die
Hände fallende Eisenbahnwesen am besten zu organisiren sei. Zunächst wollen
wir andeuten, wieviel auf die Wahl einer richtigen Organisation für das uun
in den Händen des Staates befindliche Eisenbahnwesen ankommt, und zu wie
großen Gefahren eine einseitig eentralisirende Handhabung dieses unge¬
heuren nationalen Hilfsmittels führen kann.

In dem eingangs erwähnten Beschlusse des Hauses der Abgeordneten zeigt
sich das Bestreben, erstens "finanzielle Garantien" zu erlangen, d. h. eine Siehe-


Gruppen bei den übrigen Privatbahnen noch immer in Wirksamkeit, und bei
weiterem Fortschreiten in dieser Richtung würden wir bald dazu gelangen, daß
man in Preußen, abgesehen von den Staatsbahnen, nur einige wenige mächtige
Eisenbahngesellschaften haben würde. Daß ein solcher Zustand nicht zu wünschen
ist, beweist Frankreich, wo es uur 6 größere Eisenbahngesellschaften giebt, wo
aber das Eisenbahnwesen sich in vieler Hinsicht nicht so günstig wie in Deutsch¬
land entwickelt hat, und wo — was das Wichtigste ist — Regierung und
Publikum den Directionen machtlos gegenüberstehen, wenn es diesen gefällt, sich
zu ihrem Vortheile gegen den des Publikums zu vereinigen. Sobald eben die
Netze zu groß werden und ihre Anzahl zu gering, Hort die gegenseitige Con-
currenz aus, und alle Vortheile, welche dieselbe zum Beispiel in Deutschland im
Gefolge gehabt hat, fallen weg. Bei der fortgesetzten Entwicklung zu immer
größeren Gruppen wird also bei einem gewissen Zeitpunkte der Staat selbst
am besten die Verwaltung des gesammten vorhandenen Netzes von Eisenbahnen
übernehmen. Diese Nothwendigkeit macht sich naturgemäß zuerst und vorzugs¬
weise bei dem reichentwickelten Bahnnetze im Herzen Europas, d. i. in Deutsch¬
land, geltend, weil in diesem central gelegenen Netze das Bedürfniß nach ener¬
gischer einheitlicher Leitung am größten sein muß. Um die Anforderungen des
Verkehrs, welche durch die von allen Seiten anschließende:: ausländischen Eisen¬
bahnen gestellt werden, zu vereinigen und ihnen möglichst vollständig zu genügen,
bedarf es der Leitung durch eine einzige kräftige Hand. Bei den peripherisch
gelegenen übrigen Staaten Europas ist dies noch nicht in gleichem Maße er¬
forderlich.

Soviel sei zur Motivirung unseres Standpunktes angeführt, nach welchem
wir die Frage, ob sich in Deutschland das Gemeinwesen unter irgend einer
Form des gesammten Eisenbahnbetriebes bemächtigen müsse, bejahend beant¬
wortet haben. Wir unterwerfen uns dabei nicht sowohl einem unabwendbaren,
wenn auch verhaßten Schreiten der Schicksalsmächte, sondern wir halten diesen
Gang der Entwicklung für den richtigen und bei der Wahl der geeigneten Orga¬
nisationen für einen glückbringenden. Wir werden uns also mit der Frage, o b
der Staat das ganze Eisenbahnwesen in seine Verwaltung nehmen soll, nicht
weiter beschäftigen, sondern nur mit der, wie das gesammte dem Staate in die
Hände fallende Eisenbahnwesen am besten zu organisiren sei. Zunächst wollen
wir andeuten, wieviel auf die Wahl einer richtigen Organisation für das uun
in den Händen des Staates befindliche Eisenbahnwesen ankommt, und zu wie
großen Gefahren eine einseitig eentralisirende Handhabung dieses unge¬
heuren nationalen Hilfsmittels führen kann.

In dem eingangs erwähnten Beschlusse des Hauses der Abgeordneten zeigt
sich das Bestreben, erstens „finanzielle Garantien" zu erlangen, d. h. eine Siehe-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/402>, abgerufen am 27.05.2024.