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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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sie bereit waren, sobald als sich die Elemente einer neuen Autorität zusammen¬
gefunden, in würdigere Hände niederzulegen." Diese Männer waren der Baron
Emanuel d'Hooghvorst, Befehlshaber der Brüsseler Bürgergarde, Charles Rogier,
Commandant der Freiwilligen-Compagnie, welche der Hauptstadt aus Lüttich
zu Hilfe gezogen, und Jolly, ein ehemaliger Genieoffizier; sie hatten zu Secre-
tären die Herren de Coppin und I. Vanderlinden. Die Proclamation begeg¬
nete allgemeiner Zustimmung und verdoppelte den Muth und die Zuversicht des
kämpfenden Volkes, das jetzt einen Mittelpunkt des Handelns vor sich sah. Ueber-
dies wäre es unmöglich gewesen, in Brüssel Leute zu finden, die sich größerer
Popularität erfreut hätten als die Herren d'Hooghvorst und Rogier. Die Führer
der parlamentarischen Opposition befanden sich im Haag, und die anderen An¬
stifter der Bewegung hatten sich -- in wenig rühmlicher Weise, wenn wir den
Memoiren des Grafen van der Meere glauben dürfen*), die in diesen Tagen
bei Muquart in Brüssel in zweiter Auflage erschienen sind und auf S. 140
bis 160 von diesen Ereignissen handeln -- nach Valenciennes in Sicherheit ge¬
bracht, wo sie mit dem berühmtesten unter den Gegnern der holländischen Herr¬
schaft, de Potter, zusammengetroffen waren, der auf acht Jahre aus dem Lande
verbannt war.

Die Verwaltuugs-Commission ernannte im Obersten Don Juan van Halm,
einen ehemaligen Adjutanten des liberalen spanischen Generals Mina einen
Oberbefehlshaber der ihr zur Verfügung stehenden Streitkräfte. Sie blieb in
Permanenz, um die Freiwilligen zu sammeln, welche aus den Nachbarstädten
herbeieilten, über die Sicherheit der Stadt vor Ausschreitungen zu wachen, die
Kämpfer zu ermuthigen und den Gefallenen ein feierliches Begräbniß auf der
Place Samt Michel zu veranstalten, die fortan den Namen der "Place des
Martyrs" führen sollte.

Die drei Männer, welche in den Tagen der Gefahr die Regierung des
aufgestandenen Belgiens gebildet, fühlten bald, daß die Last, die sie damit über¬
nommen, für sie zu schwer war. Die Politiker, welche nicht geglaubt hatten,
daß Widerstand mit Erfolg möglich sei, kamen auf die Kunde, daß die Revo¬
lution gesiegt, nach Brüssel zurück und stellten sich jenen zur Verfügung. Man
einigte sich darüber, daß die Commission noch zwei hervorragende Mitglieder
der liberalen Opposition und, da man die Unterstützung der Katholiken nicht
entbehren konnte, ein Mitglied des Hauses Mrode in ihre Mitte aufnehmen
sollte, und am 26. September verkündete eine neue Proclamation, daß sich aus
der Verwaltuugs-Commission eine Provisorische Regierung entwickelt, die aus



*) Diese IlSmoire" an 6fror"1 vowts V"in ilsr Ufers bilden einen Theil der voomusnt"
1n"torihllW nur l'orijzins an Rov^ums as Zslxiliue.

sie bereit waren, sobald als sich die Elemente einer neuen Autorität zusammen¬
gefunden, in würdigere Hände niederzulegen." Diese Männer waren der Baron
Emanuel d'Hooghvorst, Befehlshaber der Brüsseler Bürgergarde, Charles Rogier,
Commandant der Freiwilligen-Compagnie, welche der Hauptstadt aus Lüttich
zu Hilfe gezogen, und Jolly, ein ehemaliger Genieoffizier; sie hatten zu Secre-
tären die Herren de Coppin und I. Vanderlinden. Die Proclamation begeg¬
nete allgemeiner Zustimmung und verdoppelte den Muth und die Zuversicht des
kämpfenden Volkes, das jetzt einen Mittelpunkt des Handelns vor sich sah. Ueber-
dies wäre es unmöglich gewesen, in Brüssel Leute zu finden, die sich größerer
Popularität erfreut hätten als die Herren d'Hooghvorst und Rogier. Die Führer
der parlamentarischen Opposition befanden sich im Haag, und die anderen An¬
stifter der Bewegung hatten sich — in wenig rühmlicher Weise, wenn wir den
Memoiren des Grafen van der Meere glauben dürfen*), die in diesen Tagen
bei Muquart in Brüssel in zweiter Auflage erschienen sind und auf S. 140
bis 160 von diesen Ereignissen handeln — nach Valenciennes in Sicherheit ge¬
bracht, wo sie mit dem berühmtesten unter den Gegnern der holländischen Herr¬
schaft, de Potter, zusammengetroffen waren, der auf acht Jahre aus dem Lande
verbannt war.

Die Verwaltuugs-Commission ernannte im Obersten Don Juan van Halm,
einen ehemaligen Adjutanten des liberalen spanischen Generals Mina einen
Oberbefehlshaber der ihr zur Verfügung stehenden Streitkräfte. Sie blieb in
Permanenz, um die Freiwilligen zu sammeln, welche aus den Nachbarstädten
herbeieilten, über die Sicherheit der Stadt vor Ausschreitungen zu wachen, die
Kämpfer zu ermuthigen und den Gefallenen ein feierliches Begräbniß auf der
Place Samt Michel zu veranstalten, die fortan den Namen der „Place des
Martyrs" führen sollte.

Die drei Männer, welche in den Tagen der Gefahr die Regierung des
aufgestandenen Belgiens gebildet, fühlten bald, daß die Last, die sie damit über¬
nommen, für sie zu schwer war. Die Politiker, welche nicht geglaubt hatten,
daß Widerstand mit Erfolg möglich sei, kamen auf die Kunde, daß die Revo¬
lution gesiegt, nach Brüssel zurück und stellten sich jenen zur Verfügung. Man
einigte sich darüber, daß die Commission noch zwei hervorragende Mitglieder
der liberalen Opposition und, da man die Unterstützung der Katholiken nicht
entbehren konnte, ein Mitglied des Hauses Mrode in ihre Mitte aufnehmen
sollte, und am 26. September verkündete eine neue Proclamation, daß sich aus
der Verwaltuugs-Commission eine Provisorische Regierung entwickelt, die aus



*) Diese IlSmoire» an 6fror»1 vowts V«in ilsr Ufers bilden einen Theil der voomusnt»
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/104>, abgerufen am 15.06.2024.