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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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Lxsoies-Ouvawn die entführte Gräfin binnen 4 Wochen nach Breslau zu lie¬
fern." Der Graf von Promnitz achtete nicht auf diesen ihm zugestellten Befehl;
die Zeit verstrich, und so wurde ihm unter Vorbehalt der schon verwirkten
Strafe aufgegeben, abermals bei 12 000 Dukaten Strafe für die Auslieferung
seines Mündels zu sorgen. Da wurde ihm bange. Er begab sich schleunigst
zu seiner Mutter, der Herzogin von Weißenfels, und bat sie inständig, ihn und
seine Kinder nicht unglücklich zu machen und die junge Gräfin nach Breslau
zu schicken. In gleicher Weise bat Graf Schafgotsch die Herzogin; man werde
ja ans keinen Fall die junge Gräfin ihrer Mutter zurückgeben, weil man in
Wien viel zu genau von der Lebensweise der Gräfin Callenberg unterrichtet sei.
Der Kaiser aber wolle auf jeden Fall Gehorsam haben.

Jetzt war guter Rath theuer. Da sich kein Ausweg finden ließ und man
besonders die 18 000 Dukaten Strafe fürchtete, gab die Herzogin nothgedrungen
nach und verpflichtete sich, innerhalb sechs Wochen selbst ihre Enkelin nach Breslau
zu bringen, unter der Bedingung, daß sie ihr zur Erziehung überlassen bleiben,
keinesfalls aber ihrer Mutter übergeben werden solle. Das letztere wurde von
Graf Schafgotsch bereitwilligst zugestanden, der erste Punkt stillschweigend über¬
gangen. So begab sich die Herzogin im Herbst des Jahres 1724 in Beglei¬
tung der jungen Gräfin von Promnitz nach Breslau, ihr Onkel und Vormund,
der Graf von Promnitz, folgte bald darauf nach. Die für den letzteren festge¬
setzte Strafe wurde auf 2 000 Dukaten vermindert, die er auch bezahlen mußte,
während der andere Vormund, Graf Rhedern, straflos ausging. Drei Monate
blieb die Herzogin in Breslau, während deren Graf Schafgotsch nach Kräften
für ihre Unterhaltung und Zerstreuung besorgt war. Eines Tages jedoch wurde
ihm der peinliche Auftrag, der Herzogin den kaiserlichen Befehl zu überbringen,
die junge Gräfin von Promnitz sofort nach Empfang des Befehls nach Wien
zur Kaiserin zu schicken. Die Herzogin siel bei dieser Nachricht in Ohnmacht,
denn sie wußte, was der Befehl zu bedeuten hatte. Als sie wieder zu sich ge¬
kommen, rief sie, wie Büsching mittheilt, aus: "O meine nnn auf ewig un¬
glückliche Comtesse! Wie soll ich dich retten, wie soll ich dir helfen! Nun
ist sie nach Seele und Leib verloren, nun muß sie katholisch werden." Graf
Schafgotsch suchte ihr diese Gedanken auszureden und schlug ihr vor, der Gräfin
das evangelische Früuleiu von Hund mitzugeben. Dies tröstete die Herzogin
einigermaßen. Auch verschob der Graf Schafgotsch die Abreise auf eigene Ver¬
antwortung um zwei Tage. Die Großmutter beschwor ihre Enkelin unter heißen
Thränen, bei der evangelisch-lutherischen Kirche zu bleiben und sich durch nichts,
weder durch Drohungen noch durch Bitte", von derselben abwendig machen zu
lassen, und die Enkelin versprach es ihr heilig und theuer.


dieses sacruni mit der Schärfe angesehen wissen wollen: bei Strafe von 6009
Lxsoies-Ouvawn die entführte Gräfin binnen 4 Wochen nach Breslau zu lie¬
fern." Der Graf von Promnitz achtete nicht auf diesen ihm zugestellten Befehl;
die Zeit verstrich, und so wurde ihm unter Vorbehalt der schon verwirkten
Strafe aufgegeben, abermals bei 12 000 Dukaten Strafe für die Auslieferung
seines Mündels zu sorgen. Da wurde ihm bange. Er begab sich schleunigst
zu seiner Mutter, der Herzogin von Weißenfels, und bat sie inständig, ihn und
seine Kinder nicht unglücklich zu machen und die junge Gräfin nach Breslau
zu schicken. In gleicher Weise bat Graf Schafgotsch die Herzogin; man werde
ja ans keinen Fall die junge Gräfin ihrer Mutter zurückgeben, weil man in
Wien viel zu genau von der Lebensweise der Gräfin Callenberg unterrichtet sei.
Der Kaiser aber wolle auf jeden Fall Gehorsam haben.

Jetzt war guter Rath theuer. Da sich kein Ausweg finden ließ und man
besonders die 18 000 Dukaten Strafe fürchtete, gab die Herzogin nothgedrungen
nach und verpflichtete sich, innerhalb sechs Wochen selbst ihre Enkelin nach Breslau
zu bringen, unter der Bedingung, daß sie ihr zur Erziehung überlassen bleiben,
keinesfalls aber ihrer Mutter übergeben werden solle. Das letztere wurde von
Graf Schafgotsch bereitwilligst zugestanden, der erste Punkt stillschweigend über¬
gangen. So begab sich die Herzogin im Herbst des Jahres 1724 in Beglei¬
tung der jungen Gräfin von Promnitz nach Breslau, ihr Onkel und Vormund,
der Graf von Promnitz, folgte bald darauf nach. Die für den letzteren festge¬
setzte Strafe wurde auf 2 000 Dukaten vermindert, die er auch bezahlen mußte,
während der andere Vormund, Graf Rhedern, straflos ausging. Drei Monate
blieb die Herzogin in Breslau, während deren Graf Schafgotsch nach Kräften
für ihre Unterhaltung und Zerstreuung besorgt war. Eines Tages jedoch wurde
ihm der peinliche Auftrag, der Herzogin den kaiserlichen Befehl zu überbringen,
die junge Gräfin von Promnitz sofort nach Empfang des Befehls nach Wien
zur Kaiserin zu schicken. Die Herzogin siel bei dieser Nachricht in Ohnmacht,
denn sie wußte, was der Befehl zu bedeuten hatte. Als sie wieder zu sich ge¬
kommen, rief sie, wie Büsching mittheilt, aus: „O meine nnn auf ewig un¬
glückliche Comtesse! Wie soll ich dich retten, wie soll ich dir helfen! Nun
ist sie nach Seele und Leib verloren, nun muß sie katholisch werden." Graf
Schafgotsch suchte ihr diese Gedanken auszureden und schlug ihr vor, der Gräfin
das evangelische Früuleiu von Hund mitzugeben. Dies tröstete die Herzogin
einigermaßen. Auch verschob der Graf Schafgotsch die Abreise auf eigene Ver¬
antwortung um zwei Tage. Die Großmutter beschwor ihre Enkelin unter heißen
Thränen, bei der evangelisch-lutherischen Kirche zu bleiben und sich durch nichts,
weder durch Drohungen noch durch Bitte«, von derselben abwendig machen zu
lassen, und die Enkelin versprach es ihr heilig und theuer.


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[0217] dieses sacruni mit der Schärfe angesehen wissen wollen: bei Strafe von 6009 Lxsoies-Ouvawn die entführte Gräfin binnen 4 Wochen nach Breslau zu lie¬ fern." Der Graf von Promnitz achtete nicht auf diesen ihm zugestellten Befehl; die Zeit verstrich, und so wurde ihm unter Vorbehalt der schon verwirkten Strafe aufgegeben, abermals bei 12 000 Dukaten Strafe für die Auslieferung seines Mündels zu sorgen. Da wurde ihm bange. Er begab sich schleunigst zu seiner Mutter, der Herzogin von Weißenfels, und bat sie inständig, ihn und seine Kinder nicht unglücklich zu machen und die junge Gräfin nach Breslau zu schicken. In gleicher Weise bat Graf Schafgotsch die Herzogin; man werde ja ans keinen Fall die junge Gräfin ihrer Mutter zurückgeben, weil man in Wien viel zu genau von der Lebensweise der Gräfin Callenberg unterrichtet sei. Der Kaiser aber wolle auf jeden Fall Gehorsam haben. Jetzt war guter Rath theuer. Da sich kein Ausweg finden ließ und man besonders die 18 000 Dukaten Strafe fürchtete, gab die Herzogin nothgedrungen nach und verpflichtete sich, innerhalb sechs Wochen selbst ihre Enkelin nach Breslau zu bringen, unter der Bedingung, daß sie ihr zur Erziehung überlassen bleiben, keinesfalls aber ihrer Mutter übergeben werden solle. Das letztere wurde von Graf Schafgotsch bereitwilligst zugestanden, der erste Punkt stillschweigend über¬ gangen. So begab sich die Herzogin im Herbst des Jahres 1724 in Beglei¬ tung der jungen Gräfin von Promnitz nach Breslau, ihr Onkel und Vormund, der Graf von Promnitz, folgte bald darauf nach. Die für den letzteren festge¬ setzte Strafe wurde auf 2 000 Dukaten vermindert, die er auch bezahlen mußte, während der andere Vormund, Graf Rhedern, straflos ausging. Drei Monate blieb die Herzogin in Breslau, während deren Graf Schafgotsch nach Kräften für ihre Unterhaltung und Zerstreuung besorgt war. Eines Tages jedoch wurde ihm der peinliche Auftrag, der Herzogin den kaiserlichen Befehl zu überbringen, die junge Gräfin von Promnitz sofort nach Empfang des Befehls nach Wien zur Kaiserin zu schicken. Die Herzogin siel bei dieser Nachricht in Ohnmacht, denn sie wußte, was der Befehl zu bedeuten hatte. Als sie wieder zu sich ge¬ kommen, rief sie, wie Büsching mittheilt, aus: „O meine nnn auf ewig un¬ glückliche Comtesse! Wie soll ich dich retten, wie soll ich dir helfen! Nun ist sie nach Seele und Leib verloren, nun muß sie katholisch werden." Graf Schafgotsch suchte ihr diese Gedanken auszureden und schlug ihr vor, der Gräfin das evangelische Früuleiu von Hund mitzugeben. Dies tröstete die Herzogin einigermaßen. Auch verschob der Graf Schafgotsch die Abreise auf eigene Ver¬ antwortung um zwei Tage. Die Großmutter beschwor ihre Enkelin unter heißen Thränen, bei der evangelisch-lutherischen Kirche zu bleiben und sich durch nichts, weder durch Drohungen noch durch Bitte«, von derselben abwendig machen zu lassen, und die Enkelin versprach es ihr heilig und theuer.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/217>, abgerufen am 14.06.2024.