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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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ihn: sein Gönner Firnüan 1765 verschaffte und in der er sich durch seinen zün¬
denden Vortrag die allgemeinste Sympathie erwarb, gewährte ihm doch nicht
die Mittel, sich seinen Lebensabend angenehm und sorgenfrei zu gestalten. Als
Leopold II. einst während seiner Anwesenheit in Mailand einen würdigen Greis
bemerkte, der auf seinen Stock gestützt sich mühsam auf der Straße hinschleppte,
und auf seine Frage erfuhr, daß es der berühmte Parmi sei, soll er angeordnet
haben, daß man seinen Gehalt ausbessere, um ihm die Benutzung eines Wagens
zu ermöglichen; der Befehl kam nicht zur Ausführung, und der arme schwache
Greis war gezwungen, nach wie vor zu Fuß zu gehen und dem Pöbel, wenn
er im Straßenkoth ausglitt, zum Gelächter zu dienen, wie er es selbst in einem
I^s. e^aut!,. betitelten Gedichte rührend ausführt. "Dein Vers," so klagt er daselbst,


Dem Vers, den Alle loben,
Hat dir nicht einmal einen schlechten Wagen,
Der vor des Sturmes Toben
Dich an dem Kreuzweg schütze, eingetragen.

In einem städtischen Amte, in das er unter der französischen Herrschaft gewählt
wurde, vermochte er, demokratischen Uebermuth und Unbestand abhold, wenig
Befriedigung zu finden. Als er eines Tages, so wird erzählt, in einem Aiuts-
lvcal die Beseitigung eines früher daselbst befindlichen Crucifixes bemerkte, rief
er mit Bitterkeit aus: "Was habt ihr denn mit dem Bürger Christus gemacht?"
und als er einst aufgefordert wurde, in den Ruf: "Es lebe die Freiheit, Tod
den Aristokraten!" einzustimmen, hatte er die kühne Entgegnung: "Es lebe
die Freiheit, Tod Niemandem!" Schon nach kurzem zog er sich von der öffent¬
lichen Thätigkeit zurück, indem er den bezogenen Gehalt an die Armen vertheilen
ließ. Den Rest seines Lebens widmete er seinen Studien und dem Umgange
mit wenigen Freunden und starb am 13. August 1799 klaren Geistes, nachdem
er noch in den letzten Tagen in Gesellschaft einiger Vertrauten der Lectüre des
Euripides und des Plutarch obgelegen hatte.

Es wäre in hohem Grade zu wünschen, daß wenigstens das Hauptwerk
des Dichters auch in Deutschland durch eine würdige Übertragung bekannt
würde, die meines Wissens noch fehlt, obgleich die deutsche Uebersetzungskunst
auf dem Gebiete der italienischen Literatur seit Jahren besondere Geschäftigkeit
entwickelt.


Paul Schönfeld.


ihn: sein Gönner Firnüan 1765 verschaffte und in der er sich durch seinen zün¬
denden Vortrag die allgemeinste Sympathie erwarb, gewährte ihm doch nicht
die Mittel, sich seinen Lebensabend angenehm und sorgenfrei zu gestalten. Als
Leopold II. einst während seiner Anwesenheit in Mailand einen würdigen Greis
bemerkte, der auf seinen Stock gestützt sich mühsam auf der Straße hinschleppte,
und auf seine Frage erfuhr, daß es der berühmte Parmi sei, soll er angeordnet
haben, daß man seinen Gehalt ausbessere, um ihm die Benutzung eines Wagens
zu ermöglichen; der Befehl kam nicht zur Ausführung, und der arme schwache
Greis war gezwungen, nach wie vor zu Fuß zu gehen und dem Pöbel, wenn
er im Straßenkoth ausglitt, zum Gelächter zu dienen, wie er es selbst in einem
I^s. e^aut!,. betitelten Gedichte rührend ausführt. „Dein Vers," so klagt er daselbst,


Dem Vers, den Alle loben,
Hat dir nicht einmal einen schlechten Wagen,
Der vor des Sturmes Toben
Dich an dem Kreuzweg schütze, eingetragen.

In einem städtischen Amte, in das er unter der französischen Herrschaft gewählt
wurde, vermochte er, demokratischen Uebermuth und Unbestand abhold, wenig
Befriedigung zu finden. Als er eines Tages, so wird erzählt, in einem Aiuts-
lvcal die Beseitigung eines früher daselbst befindlichen Crucifixes bemerkte, rief
er mit Bitterkeit aus: „Was habt ihr denn mit dem Bürger Christus gemacht?"
und als er einst aufgefordert wurde, in den Ruf: „Es lebe die Freiheit, Tod
den Aristokraten!" einzustimmen, hatte er die kühne Entgegnung: „Es lebe
die Freiheit, Tod Niemandem!" Schon nach kurzem zog er sich von der öffent¬
lichen Thätigkeit zurück, indem er den bezogenen Gehalt an die Armen vertheilen
ließ. Den Rest seines Lebens widmete er seinen Studien und dem Umgange
mit wenigen Freunden und starb am 13. August 1799 klaren Geistes, nachdem
er noch in den letzten Tagen in Gesellschaft einiger Vertrauten der Lectüre des
Euripides und des Plutarch obgelegen hatte.

Es wäre in hohem Grade zu wünschen, daß wenigstens das Hauptwerk
des Dichters auch in Deutschland durch eine würdige Übertragung bekannt
würde, die meines Wissens noch fehlt, obgleich die deutsche Uebersetzungskunst
auf dem Gebiete der italienischen Literatur seit Jahren besondere Geschäftigkeit
entwickelt.


Paul Schönfeld.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/228>, abgerufen am 21.05.2024.