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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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Kundschafter voll den verschiedensten Punkten zeigten, so überlegsam und vor¬
sichtig wie nur möglich, wobei eine Wolke von Reiterei ihre Bewegungen zu
verhüllen bemüht war. So kam es, daß, als man am 16. ihre Vedetten vor
den Wällen Girischks gewahrte, Berichte einliefen, nach denen sie in Lar, Daman
und Zarak, viele Meilen weiter nördlich, standen. Bewog die Meuterei vom
14. Juli den Führer der Heratis nicht zu rascherem Vordringen, so veranlaßte
sie Burrows zum Zurückgehen in der Richtung von Kandcchar. Am 15. brach
er vom Helmand auf, und am 18. machte er in Chuschk i Nachud Halt, einem
Orte, der etwa 30 englische Meilen von jener Stadt und ebenso weit von
Girischk entfernt ist. Daß er hier Stellung nahm, wird mit der dort offenen
und leicht zu übersehenden Gegend und mit der hier größeren Möglichkeit der
Zufuhr von Lebensmitteln und anderen Bedürfnissen erklärt.

Ajub, der zwischen dem 15. und 18. Girischk erreicht hatte, zog von hier
eine kurze Strecke nordwärts am Helmand hin, wie wenn er einem Zusammen¬
stoße mit Burrows ausweichen und nicht auf Kandcchar, sondern auf Gazui
Marschiren wollte. Burrows scheint dies geglaubt zu haben, denn am 19. brach
er sein Lager ab und rückte dem Feinde 3 Meilen weit entgegen. Aber der
Herati-Fürst dachte nicht an Gazni. Er machte mit seinen Truppen im Dorfe
Hyderabad Halt, ließ seine Reiterei bis dicht an die Vorposten des englischen
Generals Herangehen und verharrte mit seiner Hauptmacht am Helmand, um
sich hier durch Zuströmen der den Engländern feindlichen und auf die Plün¬
derung Kandcchars hoffenden Bevölkerung der Umgegend zu verstärken und sich
dann Schritt für Schritt der Armee der Gegner zu nähern. Am 22. Juli hatte
sich sein Heer auf diese Weise bis auf mindestens 13000 Mann verstärkt, und
am nächsten Tage schwärmte seine Ccwallerie bis Sangar, etwa 14 englische
Meilen von der Stellung vor, die Burrows eingenommen. Die Massen dieser
Reiter waren so groß, daß der englische General in der Befürchtung, sie könnten
einen nächtlichen Ueberfall wagen, sein Lager ein Stück rückwärts verlegte und
hier eine Art Wagenburg für die Kranken, die Lastthiere und die Vorräthe ein¬
richten ließ. Indeß zog sich die feindliche Reiterei jetzt wieder zurück, und Oberst
Se. John berichtete nach Kandcchar, daß der Hauptkörper der Heratis sich noch
zu Hyderabad befinde. Ajub Chan jedoch bereitete sich jetzt auf einen großen
Schlag vor. Noch trennte ihn am 23. eine Strecke von 23 englischen Meilen
vom englischen Lager, und man darf annehmen, daß er am nächsten Tage
Sangar erreichte, am 25. dicht vor den Vorposten Burrows anlangte und am
26. mit Tagesanbruch den Angriff begann, der mit einer empfindlichen Nieder¬
lage seiner Gegner endigte.

Die Gegend, wo dies geschah, ist in der Kriegsgeschichte Afghanistans schon
mehrmals der Schauplatz von Zusammenstößen gewesen. Hyderabad, 12 Meilen

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Kundschafter voll den verschiedensten Punkten zeigten, so überlegsam und vor¬
sichtig wie nur möglich, wobei eine Wolke von Reiterei ihre Bewegungen zu
verhüllen bemüht war. So kam es, daß, als man am 16. ihre Vedetten vor
den Wällen Girischks gewahrte, Berichte einliefen, nach denen sie in Lar, Daman
und Zarak, viele Meilen weiter nördlich, standen. Bewog die Meuterei vom
14. Juli den Führer der Heratis nicht zu rascherem Vordringen, so veranlaßte
sie Burrows zum Zurückgehen in der Richtung von Kandcchar. Am 15. brach
er vom Helmand auf, und am 18. machte er in Chuschk i Nachud Halt, einem
Orte, der etwa 30 englische Meilen von jener Stadt und ebenso weit von
Girischk entfernt ist. Daß er hier Stellung nahm, wird mit der dort offenen
und leicht zu übersehenden Gegend und mit der hier größeren Möglichkeit der
Zufuhr von Lebensmitteln und anderen Bedürfnissen erklärt.

Ajub, der zwischen dem 15. und 18. Girischk erreicht hatte, zog von hier
eine kurze Strecke nordwärts am Helmand hin, wie wenn er einem Zusammen¬
stoße mit Burrows ausweichen und nicht auf Kandcchar, sondern auf Gazui
Marschiren wollte. Burrows scheint dies geglaubt zu haben, denn am 19. brach
er sein Lager ab und rückte dem Feinde 3 Meilen weit entgegen. Aber der
Herati-Fürst dachte nicht an Gazni. Er machte mit seinen Truppen im Dorfe
Hyderabad Halt, ließ seine Reiterei bis dicht an die Vorposten des englischen
Generals Herangehen und verharrte mit seiner Hauptmacht am Helmand, um
sich hier durch Zuströmen der den Engländern feindlichen und auf die Plün¬
derung Kandcchars hoffenden Bevölkerung der Umgegend zu verstärken und sich
dann Schritt für Schritt der Armee der Gegner zu nähern. Am 22. Juli hatte
sich sein Heer auf diese Weise bis auf mindestens 13000 Mann verstärkt, und
am nächsten Tage schwärmte seine Ccwallerie bis Sangar, etwa 14 englische
Meilen von der Stellung vor, die Burrows eingenommen. Die Massen dieser
Reiter waren so groß, daß der englische General in der Befürchtung, sie könnten
einen nächtlichen Ueberfall wagen, sein Lager ein Stück rückwärts verlegte und
hier eine Art Wagenburg für die Kranken, die Lastthiere und die Vorräthe ein¬
richten ließ. Indeß zog sich die feindliche Reiterei jetzt wieder zurück, und Oberst
Se. John berichtete nach Kandcchar, daß der Hauptkörper der Heratis sich noch
zu Hyderabad befinde. Ajub Chan jedoch bereitete sich jetzt auf einen großen
Schlag vor. Noch trennte ihn am 23. eine Strecke von 23 englischen Meilen
vom englischen Lager, und man darf annehmen, daß er am nächsten Tage
Sangar erreichte, am 25. dicht vor den Vorposten Burrows anlangte und am
26. mit Tagesanbruch den Angriff begann, der mit einer empfindlichen Nieder¬
lage seiner Gegner endigte.

Die Gegend, wo dies geschah, ist in der Kriegsgeschichte Afghanistans schon
mehrmals der Schauplatz von Zusammenstößen gewesen. Hyderabad, 12 Meilen

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[0264] Kundschafter voll den verschiedensten Punkten zeigten, so überlegsam und vor¬ sichtig wie nur möglich, wobei eine Wolke von Reiterei ihre Bewegungen zu verhüllen bemüht war. So kam es, daß, als man am 16. ihre Vedetten vor den Wällen Girischks gewahrte, Berichte einliefen, nach denen sie in Lar, Daman und Zarak, viele Meilen weiter nördlich, standen. Bewog die Meuterei vom 14. Juli den Führer der Heratis nicht zu rascherem Vordringen, so veranlaßte sie Burrows zum Zurückgehen in der Richtung von Kandcchar. Am 15. brach er vom Helmand auf, und am 18. machte er in Chuschk i Nachud Halt, einem Orte, der etwa 30 englische Meilen von jener Stadt und ebenso weit von Girischk entfernt ist. Daß er hier Stellung nahm, wird mit der dort offenen und leicht zu übersehenden Gegend und mit der hier größeren Möglichkeit der Zufuhr von Lebensmitteln und anderen Bedürfnissen erklärt. Ajub, der zwischen dem 15. und 18. Girischk erreicht hatte, zog von hier eine kurze Strecke nordwärts am Helmand hin, wie wenn er einem Zusammen¬ stoße mit Burrows ausweichen und nicht auf Kandcchar, sondern auf Gazui Marschiren wollte. Burrows scheint dies geglaubt zu haben, denn am 19. brach er sein Lager ab und rückte dem Feinde 3 Meilen weit entgegen. Aber der Herati-Fürst dachte nicht an Gazni. Er machte mit seinen Truppen im Dorfe Hyderabad Halt, ließ seine Reiterei bis dicht an die Vorposten des englischen Generals Herangehen und verharrte mit seiner Hauptmacht am Helmand, um sich hier durch Zuströmen der den Engländern feindlichen und auf die Plün¬ derung Kandcchars hoffenden Bevölkerung der Umgegend zu verstärken und sich dann Schritt für Schritt der Armee der Gegner zu nähern. Am 22. Juli hatte sich sein Heer auf diese Weise bis auf mindestens 13000 Mann verstärkt, und am nächsten Tage schwärmte seine Ccwallerie bis Sangar, etwa 14 englische Meilen von der Stellung vor, die Burrows eingenommen. Die Massen dieser Reiter waren so groß, daß der englische General in der Befürchtung, sie könnten einen nächtlichen Ueberfall wagen, sein Lager ein Stück rückwärts verlegte und hier eine Art Wagenburg für die Kranken, die Lastthiere und die Vorräthe ein¬ richten ließ. Indeß zog sich die feindliche Reiterei jetzt wieder zurück, und Oberst Se. John berichtete nach Kandcchar, daß der Hauptkörper der Heratis sich noch zu Hyderabad befinde. Ajub Chan jedoch bereitete sich jetzt auf einen großen Schlag vor. Noch trennte ihn am 23. eine Strecke von 23 englischen Meilen vom englischen Lager, und man darf annehmen, daß er am nächsten Tage Sangar erreichte, am 25. dicht vor den Vorposten Burrows anlangte und am 26. mit Tagesanbruch den Angriff begann, der mit einer empfindlichen Nieder¬ lage seiner Gegner endigte. Die Gegend, wo dies geschah, ist in der Kriegsgeschichte Afghanistans schon mehrmals der Schauplatz von Zusammenstößen gewesen. Hyderabad, 12 Meilen ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/264>, abgerufen am 21.05.2024.