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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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als in Hamburg, 1878 aber betrug er in Antwerpen 36 Procent mehr als in
Hamburg. Hamburgs großem Kaffeehandel gegenüber war der Antwerpens
früher unbedeutend, jetzt hat sich dies bedenklich zu Hamburgs Nachtheil geändert.
Die Einfuhr von Kaffee bezifferte sich in Hamburg 1877 auf 1327 545 und
1879 auf 1350494, in Antwerpen 1877 auf 427330 und 1879 auf 745646 Sack.
Also bei Hamburg fast Stillstand, bei Antwerpen eine Zunahme von 75 Procent
binnen zwei Jahren. "Wie lauge Hamburg angesichts solcher Zunahme des
Antwerpener Kaffeehandels die Versorgung Skandinaviens noch behalten wird,
mögen die Herren in Hamburg sich selbst fügen. Sicher ist, daß jener Zuwachs
von derselben Kundschaft aufgenommen worden ist, welche sich anch in Hamburg
versorgt, nämlich vom deutschen Inlande, und daß jeder neue Käufer, der
Kaffee von Antwerpen bezieht, dort auch andern Bedarf befriedigen wird."

Die Nothwendigkeit der Einführung eines Unterscheidnugszvlls wurde scholl
1845 anerkannt. Die Sache unterblieb, weil die unabhängige" deutschen
Staaten nicht unter einen Hut zu bringen waren. Was Preußen aber damals
unterlassen mußte, kann das deutsche Reich jetzt thun. Die Schwierigkeiten, zu
denen anch die Freihafeustellung der Hansestädte gehört, werdeu überwunden
werden, zumal da der Uuterscheidungszvll den letzteren große Vortheile verheißt.
Das Reich kann, so lauge Hamburg und Bremen Freihafen bleiben, in denselben
den Unterscheidungszoll weder als Vvrzoll noch in andrer Weise erheben, da
hierzu die Zustimmung der verfassungsmäßig von jedem Zoll befreiten Städte
gehören würde. "Ebenso wenig aber kann die Einfuhr aus den Zollausschlüssen
von der Maßregel ausgenommen werden; denn dann würde die indirecte Ein¬
fuhr über deren Gebiet freibleiben, der Zweck des Gesetzes also nicht erreicht
werden, und es können auch bei der Einfuhr ans den Zollausschlüssen die
direct in dieselben eingeführten Waaren nicht den gleichen Vorzug genießen
wie die direct in das Zollgebiet eingeführten, weil sich kein Unterscheidungs¬
merkmal bietet, an dem sich beim Passiren der Zolllinie constatiren ließe, ob
die Waare direct oder indirect in die Zollansschlüsse eingeführt worden, ist.
Das Reich muß also, wenn es den Unterscheidungszoll einführen will, eine
Verständigung mit den Zollausschlüssen suchen, was angesichts der Vortheile
der Maßregel wahrscheinlich gelingen wird. Sollte aber ein solcher ernstlicher
Versuch mißlingen, sollten die Hansestädte trotz aller ihnen entgegengehaltenen
Einwände und trotz aller ihnen gebotenen Vortheile an der Freihafenstellung
festhalten, sich auf ihren Schein, den Artikel 34 der Reichsverfassung berufen,
so tritt für das Reich, wenn es seinerseits auf die im Gesammtinteresse seiner
Angehörigen so dringend gebotene und so außerordentlich segensreich wirkende
Maßregel nicht verzichten will, die Nothwendigkeit ein, die Consequenz des
Artikes 34 zu ziehen. Das Reich muß dann, der Zwangslage entsprechend, den


als in Hamburg, 1878 aber betrug er in Antwerpen 36 Procent mehr als in
Hamburg. Hamburgs großem Kaffeehandel gegenüber war der Antwerpens
früher unbedeutend, jetzt hat sich dies bedenklich zu Hamburgs Nachtheil geändert.
Die Einfuhr von Kaffee bezifferte sich in Hamburg 1877 auf 1327 545 und
1879 auf 1350494, in Antwerpen 1877 auf 427330 und 1879 auf 745646 Sack.
Also bei Hamburg fast Stillstand, bei Antwerpen eine Zunahme von 75 Procent
binnen zwei Jahren. „Wie lauge Hamburg angesichts solcher Zunahme des
Antwerpener Kaffeehandels die Versorgung Skandinaviens noch behalten wird,
mögen die Herren in Hamburg sich selbst fügen. Sicher ist, daß jener Zuwachs
von derselben Kundschaft aufgenommen worden ist, welche sich anch in Hamburg
versorgt, nämlich vom deutschen Inlande, und daß jeder neue Käufer, der
Kaffee von Antwerpen bezieht, dort auch andern Bedarf befriedigen wird."

Die Nothwendigkeit der Einführung eines Unterscheidnugszvlls wurde scholl
1845 anerkannt. Die Sache unterblieb, weil die unabhängige« deutschen
Staaten nicht unter einen Hut zu bringen waren. Was Preußen aber damals
unterlassen mußte, kann das deutsche Reich jetzt thun. Die Schwierigkeiten, zu
denen anch die Freihafeustellung der Hansestädte gehört, werdeu überwunden
werden, zumal da der Uuterscheidungszvll den letzteren große Vortheile verheißt.
Das Reich kann, so lauge Hamburg und Bremen Freihafen bleiben, in denselben
den Unterscheidungszoll weder als Vvrzoll noch in andrer Weise erheben, da
hierzu die Zustimmung der verfassungsmäßig von jedem Zoll befreiten Städte
gehören würde. „Ebenso wenig aber kann die Einfuhr aus den Zollausschlüssen
von der Maßregel ausgenommen werden; denn dann würde die indirecte Ein¬
fuhr über deren Gebiet freibleiben, der Zweck des Gesetzes also nicht erreicht
werden, und es können auch bei der Einfuhr ans den Zollausschlüssen die
direct in dieselben eingeführten Waaren nicht den gleichen Vorzug genießen
wie die direct in das Zollgebiet eingeführten, weil sich kein Unterscheidungs¬
merkmal bietet, an dem sich beim Passiren der Zolllinie constatiren ließe, ob
die Waare direct oder indirect in die Zollansschlüsse eingeführt worden, ist.
Das Reich muß also, wenn es den Unterscheidungszoll einführen will, eine
Verständigung mit den Zollausschlüssen suchen, was angesichts der Vortheile
der Maßregel wahrscheinlich gelingen wird. Sollte aber ein solcher ernstlicher
Versuch mißlingen, sollten die Hansestädte trotz aller ihnen entgegengehaltenen
Einwände und trotz aller ihnen gebotenen Vortheile an der Freihafenstellung
festhalten, sich auf ihren Schein, den Artikel 34 der Reichsverfassung berufen,
so tritt für das Reich, wenn es seinerseits auf die im Gesammtinteresse seiner
Angehörigen so dringend gebotene und so außerordentlich segensreich wirkende
Maßregel nicht verzichten will, die Nothwendigkeit ein, die Consequenz des
Artikes 34 zu ziehen. Das Reich muß dann, der Zwangslage entsprechend, den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/313>, abgerufen am 21.05.2024.