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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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kungskreis gerathen: aus einem Exerciermeister und Bildner der Jugend war
ich ein Bildner und Exerciermeister von Soldaten geworden.

Mit dieser Schaar, die sich im Svldatenrocke ohne soldatische Tournüre
freilich ganz posstrlich ausnahm, langte ich nebst einem Offizier und einem
Unteroffizier über Erfurt und Langensalza in Göttingen an, wo ich mit dem
Stabsoffizier, der diesen Zug hierher begleitet hatte, in der Snperintendenten-
wvhnung einquartirt wurde. Wir befanden uns in Göttingen unter vielem
französischen Militär, welches früher, nebst mehreren Generalen, dort angekom-
men war, und waren dem Spotte dieser Frauzosen ausgesetzt. Als der erwähnte
Offizier zwei Schildwachen vor der der Superintendentur gegenüber befindlichen
Apotheke (in welcher ein Offizier von uus lag) stehen sah, sagte er, dies werde
auffallen, da nur Generale Schildwachen hätten, ich solle dafür sorgen, daß ein
Säbelposten hingestellt würde. Diesem Befehle kam ich treulich uach; aber als
der Posten aufziehen sollte, schienen wohl bei 20 Mann die Säbel in ihre
Scheiden eingewachsen; sie staken so fest, daß sie nur durch zwei Maun, die
oben und unten zogen, aus ihren Behältern heraus ans Tageslicht gefördert
werden konnten. Darüber erhoben die Studenten, welche hiervon auf die Be¬
schaffenheit dieser Truppen einen Schluß machten, lautes Gelächter, und ich zog
mich beschämt in aller Stille zurück, um nicht von ihnen als ein dem verspot¬
teten Militär Angehöriger erkannt zu werden. Ebenso diente unsere Mannschaft
zur Erschütterung französischen Zwerchfells, als ich dieselbe, in Hannover ange¬
kommen, bei dem in einem Schlosse logirenden französischen General der Ord¬
nung gemäß angemeldet hatte. Um unsere Leute zu sehen, trat er auf den
Altan, und da sie präsentiren sollten, benahmen sie sich bis zur Lächerlichkeit
linkisch. schamroth fragte ich den hohen Zuschauer, ob er noch etwas zu be¬
fehlen habe? und er gab mir lachend die Antwort: "Ich danke dafür, daß ich
durch die Truppen so amüstrt worden bin; seit Jahren ist mein Zwerchfell nicht
so erschüttert worden, als es heute beim Anblick dieser Kriegsleute geschehe" ist."

Es war mir sehr lieb, daß wir nicht lange der Gegenstand des Spottes
bleiben mußten; schon am folgenden Tage marschirten wir weiter über Celle
und Harburg nach Hamburg. Hier hielten wir uns einige Wochen auf. Es
fand ein tüchtiges Exercitium unter dem General Se. Cyr statt. Wir wurden
darauf nach Bremen, Bremerhafen nach Oldenburg detachirt, uach Hamburg
zurückversetzt und dann weiter über Rostock und Stralsund beordert. Vou hier
aus wurde ein Theil unserer Brigade auf Inseln verlegt; ich kam zu meiner
großen Freude auf die Insel Rügen. Hier befand ich mich bei meinem Sinne
für Naturschönheiten, an welchen Rügen so reich ist, sehr wohl, ich denke noch
jetzt mit Entzücken an die von mir theils in Geschäften, theils zum Vergnügen
besuchten Orte Bergen und Puttbus, an die Stubbenkammer, an eine Hohle in


kungskreis gerathen: aus einem Exerciermeister und Bildner der Jugend war
ich ein Bildner und Exerciermeister von Soldaten geworden.

Mit dieser Schaar, die sich im Svldatenrocke ohne soldatische Tournüre
freilich ganz posstrlich ausnahm, langte ich nebst einem Offizier und einem
Unteroffizier über Erfurt und Langensalza in Göttingen an, wo ich mit dem
Stabsoffizier, der diesen Zug hierher begleitet hatte, in der Snperintendenten-
wvhnung einquartirt wurde. Wir befanden uns in Göttingen unter vielem
französischen Militär, welches früher, nebst mehreren Generalen, dort angekom-
men war, und waren dem Spotte dieser Frauzosen ausgesetzt. Als der erwähnte
Offizier zwei Schildwachen vor der der Superintendentur gegenüber befindlichen
Apotheke (in welcher ein Offizier von uus lag) stehen sah, sagte er, dies werde
auffallen, da nur Generale Schildwachen hätten, ich solle dafür sorgen, daß ein
Säbelposten hingestellt würde. Diesem Befehle kam ich treulich uach; aber als
der Posten aufziehen sollte, schienen wohl bei 20 Mann die Säbel in ihre
Scheiden eingewachsen; sie staken so fest, daß sie nur durch zwei Maun, die
oben und unten zogen, aus ihren Behältern heraus ans Tageslicht gefördert
werden konnten. Darüber erhoben die Studenten, welche hiervon auf die Be¬
schaffenheit dieser Truppen einen Schluß machten, lautes Gelächter, und ich zog
mich beschämt in aller Stille zurück, um nicht von ihnen als ein dem verspot¬
teten Militär Angehöriger erkannt zu werden. Ebenso diente unsere Mannschaft
zur Erschütterung französischen Zwerchfells, als ich dieselbe, in Hannover ange¬
kommen, bei dem in einem Schlosse logirenden französischen General der Ord¬
nung gemäß angemeldet hatte. Um unsere Leute zu sehen, trat er auf den
Altan, und da sie präsentiren sollten, benahmen sie sich bis zur Lächerlichkeit
linkisch. schamroth fragte ich den hohen Zuschauer, ob er noch etwas zu be¬
fehlen habe? und er gab mir lachend die Antwort: „Ich danke dafür, daß ich
durch die Truppen so amüstrt worden bin; seit Jahren ist mein Zwerchfell nicht
so erschüttert worden, als es heute beim Anblick dieser Kriegsleute geschehe» ist."

Es war mir sehr lieb, daß wir nicht lange der Gegenstand des Spottes
bleiben mußten; schon am folgenden Tage marschirten wir weiter über Celle
und Harburg nach Hamburg. Hier hielten wir uns einige Wochen auf. Es
fand ein tüchtiges Exercitium unter dem General Se. Cyr statt. Wir wurden
darauf nach Bremen, Bremerhafen nach Oldenburg detachirt, uach Hamburg
zurückversetzt und dann weiter über Rostock und Stralsund beordert. Vou hier
aus wurde ein Theil unserer Brigade auf Inseln verlegt; ich kam zu meiner
großen Freude auf die Insel Rügen. Hier befand ich mich bei meinem Sinne
für Naturschönheiten, an welchen Rügen so reich ist, sehr wohl, ich denke noch
jetzt mit Entzücken an die von mir theils in Geschäften, theils zum Vergnügen
besuchten Orte Bergen und Puttbus, an die Stubbenkammer, an eine Hohle in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/315>, abgerufen am 21.05.2024.