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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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Meine lebhaftesten Wünsche und wiederholten Grüße zum Schluß mit der
hinzugefügten Bitte: Sie möchten mich von Zeit zu Zeit mit anmuthiger Nach¬
richt von Ihrem und der lieben Ihrigen Wohlbefinden geneigtest erfreuen und
erquicken.

Von den beiden an Frau von Levetzow gerichteten Briefen hatte der Kanzler
Müller, dem sie also ohne Zweifel im Original oder in Abschrift mitgetheilt
worden, Copie genommen, aus seinem Nachlaß hat dann Salomon Hirzel eigen¬
händig wiederum eine solche seinen Sammlungen einverleibt. Ueber dem ersten
Briefe steht: "Goethe an Frau von Lcvezon nach Dresden", über dem zweiten:
"An Frau von Lewezow, geb. von Bresegke." Man sieht, daß Kanzler Müller
die bei den Briefen sich findenden Adressen auf seine Weise benutzt und verkürzt hatte.
Im ersten Briefe wird auf das Regierungsjubilümn des Großherzogs Karl August,
im zweiten auf dessen Tod Bezug genommen. Die Terrasse des ersten Briefes ist
die von Marienbad.

Was das Verhältniß zu Ulrike von Levetzow betrifft, so sehen wir noch
heute nicht ganz klar. Aus dem Buche von K. I. Schröer, Die deutsche Dichtung
des 19. Jahrhunderts, ist Folgendes, das auf eigenen Mittheilungen Ulrikes von
Levetzow beruht, zu entnehmen: "Freiin Ulrike ist geboren den 4. Februar 1804
zu Leipzig. Gräfin Amalie von Klebelsberg, verwittwete Freiin von Levetzow, ge-
borne Freiin von Brösigke, war ihre Mutter. Schon die Großmutter Ulrikens,
Freiin von Brösigke, war mit Goethe, sowie auch mit Schiller persönlich bekannt.
Die Mutter Ulrikens, wechselte einige Briefe mit Goethe.---Ueber das
Verhältniß zu Goethe spricht Freun Ulrike sich wie folgt aus: ,Goethe war mit
meinen Eltern und Großeltern befreundet. Ich selbst habe Goethe nur im Jahre
1822 und 1823 in Marienbad und Karlsbad gesehen und war wohl zu jung, um
die Geistesgröße des mich mit Liebenswürdigkeit und väterlicher Liebe behandelnden
Freundes zu fassen. Es war eine reiche, schöne Zeit!"'

Am Besten hat wohl Frese das einschlägige Material (Lewes, Leben. Goethes,
11. Aufl., Bd. 2. S. 569 fig.) zusammengestellt. Manches Einzelne ist allerdings
immer noch nachzutragen, wenn wir auch gestehen müssen, daß der Goethe-Klatsch
gerade hierbei sich recht unerträglich breit gemacht hat. So bleibe denn Goethes letzte
Liebe, wie man sie Wohl genannt, ein holdes Geheimniß, bis ein günstiges Geschick
einst volle Aufklärung gewährt. In den beiden vorliegenden Briefen wenigstens
spricht sich nichts von der entsagenden Leidenschaft mehr aus, die den Dichter zu
der herrlichen Elegie aus Marienbad entflammte. Wie eine reine, süße Gestalt aus
uralten Märchen steht Ulrike in der deutschen Litteraturgeschichte da; mit allem Reiz
der Sage schon zu ihren Lebzeiten geschmückt, wird ihr Andenken bei späteren Ge¬
schlechtern fortleben.


"Und dann auch soll, wenn Enkel um uns trauern,
Zu ihrer Lust noch unsre Liebe dauern I"

W. Arndt.


Meine lebhaftesten Wünsche und wiederholten Grüße zum Schluß mit der
hinzugefügten Bitte: Sie möchten mich von Zeit zu Zeit mit anmuthiger Nach¬
richt von Ihrem und der lieben Ihrigen Wohlbefinden geneigtest erfreuen und
erquicken.

Von den beiden an Frau von Levetzow gerichteten Briefen hatte der Kanzler
Müller, dem sie also ohne Zweifel im Original oder in Abschrift mitgetheilt
worden, Copie genommen, aus seinem Nachlaß hat dann Salomon Hirzel eigen¬
händig wiederum eine solche seinen Sammlungen einverleibt. Ueber dem ersten
Briefe steht: „Goethe an Frau von Lcvezon nach Dresden", über dem zweiten:
„An Frau von Lewezow, geb. von Bresegke." Man sieht, daß Kanzler Müller
die bei den Briefen sich findenden Adressen auf seine Weise benutzt und verkürzt hatte.
Im ersten Briefe wird auf das Regierungsjubilümn des Großherzogs Karl August,
im zweiten auf dessen Tod Bezug genommen. Die Terrasse des ersten Briefes ist
die von Marienbad.

Was das Verhältniß zu Ulrike von Levetzow betrifft, so sehen wir noch
heute nicht ganz klar. Aus dem Buche von K. I. Schröer, Die deutsche Dichtung
des 19. Jahrhunderts, ist Folgendes, das auf eigenen Mittheilungen Ulrikes von
Levetzow beruht, zu entnehmen: „Freiin Ulrike ist geboren den 4. Februar 1804
zu Leipzig. Gräfin Amalie von Klebelsberg, verwittwete Freiin von Levetzow, ge-
borne Freiin von Brösigke, war ihre Mutter. Schon die Großmutter Ulrikens,
Freiin von Brösigke, war mit Goethe, sowie auch mit Schiller persönlich bekannt.
Die Mutter Ulrikens, wechselte einige Briefe mit Goethe.---Ueber das
Verhältniß zu Goethe spricht Freun Ulrike sich wie folgt aus: ,Goethe war mit
meinen Eltern und Großeltern befreundet. Ich selbst habe Goethe nur im Jahre
1822 und 1823 in Marienbad und Karlsbad gesehen und war wohl zu jung, um
die Geistesgröße des mich mit Liebenswürdigkeit und väterlicher Liebe behandelnden
Freundes zu fassen. Es war eine reiche, schöne Zeit!"'

Am Besten hat wohl Frese das einschlägige Material (Lewes, Leben. Goethes,
11. Aufl., Bd. 2. S. 569 fig.) zusammengestellt. Manches Einzelne ist allerdings
immer noch nachzutragen, wenn wir auch gestehen müssen, daß der Goethe-Klatsch
gerade hierbei sich recht unerträglich breit gemacht hat. So bleibe denn Goethes letzte
Liebe, wie man sie Wohl genannt, ein holdes Geheimniß, bis ein günstiges Geschick
einst volle Aufklärung gewährt. In den beiden vorliegenden Briefen wenigstens
spricht sich nichts von der entsagenden Leidenschaft mehr aus, die den Dichter zu
der herrlichen Elegie aus Marienbad entflammte. Wie eine reine, süße Gestalt aus
uralten Märchen steht Ulrike in der deutschen Litteraturgeschichte da; mit allem Reiz
der Sage schon zu ihren Lebzeiten geschmückt, wird ihr Andenken bei späteren Ge¬
schlechtern fortleben.


„Und dann auch soll, wenn Enkel um uns trauern,
Zu ihrer Lust noch unsre Liebe dauern I"

W. Arndt.


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[0365] Meine lebhaftesten Wünsche und wiederholten Grüße zum Schluß mit der hinzugefügten Bitte: Sie möchten mich von Zeit zu Zeit mit anmuthiger Nach¬ richt von Ihrem und der lieben Ihrigen Wohlbefinden geneigtest erfreuen und erquicken. Von den beiden an Frau von Levetzow gerichteten Briefen hatte der Kanzler Müller, dem sie also ohne Zweifel im Original oder in Abschrift mitgetheilt worden, Copie genommen, aus seinem Nachlaß hat dann Salomon Hirzel eigen¬ händig wiederum eine solche seinen Sammlungen einverleibt. Ueber dem ersten Briefe steht: „Goethe an Frau von Lcvezon nach Dresden", über dem zweiten: „An Frau von Lewezow, geb. von Bresegke." Man sieht, daß Kanzler Müller die bei den Briefen sich findenden Adressen auf seine Weise benutzt und verkürzt hatte. Im ersten Briefe wird auf das Regierungsjubilümn des Großherzogs Karl August, im zweiten auf dessen Tod Bezug genommen. Die Terrasse des ersten Briefes ist die von Marienbad. Was das Verhältniß zu Ulrike von Levetzow betrifft, so sehen wir noch heute nicht ganz klar. Aus dem Buche von K. I. Schröer, Die deutsche Dichtung des 19. Jahrhunderts, ist Folgendes, das auf eigenen Mittheilungen Ulrikes von Levetzow beruht, zu entnehmen: „Freiin Ulrike ist geboren den 4. Februar 1804 zu Leipzig. Gräfin Amalie von Klebelsberg, verwittwete Freiin von Levetzow, ge- borne Freiin von Brösigke, war ihre Mutter. Schon die Großmutter Ulrikens, Freiin von Brösigke, war mit Goethe, sowie auch mit Schiller persönlich bekannt. Die Mutter Ulrikens, wechselte einige Briefe mit Goethe.---Ueber das Verhältniß zu Goethe spricht Freun Ulrike sich wie folgt aus: ,Goethe war mit meinen Eltern und Großeltern befreundet. Ich selbst habe Goethe nur im Jahre 1822 und 1823 in Marienbad und Karlsbad gesehen und war wohl zu jung, um die Geistesgröße des mich mit Liebenswürdigkeit und väterlicher Liebe behandelnden Freundes zu fassen. Es war eine reiche, schöne Zeit!"' Am Besten hat wohl Frese das einschlägige Material (Lewes, Leben. Goethes, 11. Aufl., Bd. 2. S. 569 fig.) zusammengestellt. Manches Einzelne ist allerdings immer noch nachzutragen, wenn wir auch gestehen müssen, daß der Goethe-Klatsch gerade hierbei sich recht unerträglich breit gemacht hat. So bleibe denn Goethes letzte Liebe, wie man sie Wohl genannt, ein holdes Geheimniß, bis ein günstiges Geschick einst volle Aufklärung gewährt. In den beiden vorliegenden Briefen wenigstens spricht sich nichts von der entsagenden Leidenschaft mehr aus, die den Dichter zu der herrlichen Elegie aus Marienbad entflammte. Wie eine reine, süße Gestalt aus uralten Märchen steht Ulrike in der deutschen Litteraturgeschichte da; mit allem Reiz der Sage schon zu ihren Lebzeiten geschmückt, wird ihr Andenken bei späteren Ge¬ schlechtern fortleben. „Und dann auch soll, wenn Enkel um uns trauern, Zu ihrer Lust noch unsre Liebe dauern I" W. Arndt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/365>, abgerufen am 21.05.2024.