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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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Zeit in frischem Zustande und wohlschmeckend zu erhalten. Der Elephant, welcher
im Lena-Eise gefunden wurde, gab genießbares Fleisch und hatte doch Jahr¬
tausende in jener natürlichen Eiskammer gelegen. Die Anwendung von Eis
zur Conservirung thierischer Nahrungsmittel ist denn auch längst bekannt, und
es muß mit Recht Verwunderung erregen, daß es bis anf diesen Augenblick
noch nicht gelungen ist, die ungeheueren Reichthümer und Vorräthe an thieri¬
scher Nahrung, welche die überseeischen Länder bieten, der Bevölkerung Europas
in ausreichenden Quantitäten zugänglich und nutzbar zu machen.

Im Februar 1874 langten die ersten 12 Tons frischen canadischen Ochsen¬
fleisches in eisgekühltem Schiffsraum zu Liverpool an, wurden theilweife nach
London transportirt und zu 6 bis 7 Pence das englische Pfund verkauft. Im
October 1875 begann der regelmäßige Import frischen Fleisches aus New-Dort
nach England, und er betrug im Jahre 1876 33,3,1877 49,2,1878 54,0,1879
58,5 Millionen englische Pfund. Im ersten Vierteljahre 1880 stieg der Import
bereits auf 16,8 Millionen Pfund; es kamen wöchentlich 2000 ausgeschlachtete
Ochsen von je circa 800 Pfund Schlachtgewicht und 1000 Stück ausgeschlach¬
tete Hammel von je 70 bis 80 Pfund Schlachtgewicht in England an.

Die amerikanischen Importeure schließen mit den Dampferlinien Vertrüge auf
eine bestimmte Anzahl von Kubiktonnen Schiffsraum ab -- 40 englische Kubikfuß
1 Kubiktonne -- und zahlen für die Knbiktonne ca. 25 Schillinge Fracht,
haben aber den gemietheten Raum auf ihre Kosten zum Fleischtransport ein¬
zurichten, d. h. ihn mit Jsolirwänden, Kühlapparaten und Eis zu versehen. Es
wird dabei gerechnet, daß zwei Ochsenkörper drei Tonnen Schiffsraum bean¬
spruchen, dabei aber soviel Platz frei bleibt, daß noch einige Schafkörper in den
Zwischenräumen aufgehängt werden können- Die Ochsenkörper werden in je
vier Viertel getheilt, alles Fleisch zwei bis drei Tage lang in Kühlkammern voll¬
ständig ausgekühlt, dann in weißen Kattun genäht, in die Kühlräume, die un¬
tersten Räume des Schiffes, gebracht und so neben einander gehängt, daß die
einzelnen Stücke oder Körper sich nicht berühren. Dann wird der Schiffsraum
geschlossen und fortwährend kalt erhalten. Zu diesem Zwecke ist in dem Fleisch¬
raume ein Verschlag als Eis- und Salzkammer hergerichtet, mit einer kleinen
ein pferdigen Dampfmaschine. Ein viereckiger Kasten wird mit Eis gefüllt, und
dies mit rohem Salz bestreut. In dieser Kältemischung liegen Zinkröhren,
welche bis in die Fleischkammern reichen und an deren Wänden befestigt sind.
Die kleine Dampfmaschine, welche aus dem Schiffsdampfkessel ihren Dampf er¬
hält, treibt das kalte Wasser durch die Zinkröhren ununterbrochen fort, so lange
Fleisch in der Kammer, also so lange das Schiff im englischen Hafen liegt, und
erhält die Temperatur wenige Grad über dem Gefrierpunkt. Die Feuchtigkeit
im Fleischraume und im Fleische selbst schlägt sich allmählich an den Zinkröhren


Zeit in frischem Zustande und wohlschmeckend zu erhalten. Der Elephant, welcher
im Lena-Eise gefunden wurde, gab genießbares Fleisch und hatte doch Jahr¬
tausende in jener natürlichen Eiskammer gelegen. Die Anwendung von Eis
zur Conservirung thierischer Nahrungsmittel ist denn auch längst bekannt, und
es muß mit Recht Verwunderung erregen, daß es bis anf diesen Augenblick
noch nicht gelungen ist, die ungeheueren Reichthümer und Vorräthe an thieri¬
scher Nahrung, welche die überseeischen Länder bieten, der Bevölkerung Europas
in ausreichenden Quantitäten zugänglich und nutzbar zu machen.

Im Februar 1874 langten die ersten 12 Tons frischen canadischen Ochsen¬
fleisches in eisgekühltem Schiffsraum zu Liverpool an, wurden theilweife nach
London transportirt und zu 6 bis 7 Pence das englische Pfund verkauft. Im
October 1875 begann der regelmäßige Import frischen Fleisches aus New-Dort
nach England, und er betrug im Jahre 1876 33,3,1877 49,2,1878 54,0,1879
58,5 Millionen englische Pfund. Im ersten Vierteljahre 1880 stieg der Import
bereits auf 16,8 Millionen Pfund; es kamen wöchentlich 2000 ausgeschlachtete
Ochsen von je circa 800 Pfund Schlachtgewicht und 1000 Stück ausgeschlach¬
tete Hammel von je 70 bis 80 Pfund Schlachtgewicht in England an.

Die amerikanischen Importeure schließen mit den Dampferlinien Vertrüge auf
eine bestimmte Anzahl von Kubiktonnen Schiffsraum ab — 40 englische Kubikfuß
1 Kubiktonne — und zahlen für die Knbiktonne ca. 25 Schillinge Fracht,
haben aber den gemietheten Raum auf ihre Kosten zum Fleischtransport ein¬
zurichten, d. h. ihn mit Jsolirwänden, Kühlapparaten und Eis zu versehen. Es
wird dabei gerechnet, daß zwei Ochsenkörper drei Tonnen Schiffsraum bean¬
spruchen, dabei aber soviel Platz frei bleibt, daß noch einige Schafkörper in den
Zwischenräumen aufgehängt werden können- Die Ochsenkörper werden in je
vier Viertel getheilt, alles Fleisch zwei bis drei Tage lang in Kühlkammern voll¬
ständig ausgekühlt, dann in weißen Kattun genäht, in die Kühlräume, die un¬
tersten Räume des Schiffes, gebracht und so neben einander gehängt, daß die
einzelnen Stücke oder Körper sich nicht berühren. Dann wird der Schiffsraum
geschlossen und fortwährend kalt erhalten. Zu diesem Zwecke ist in dem Fleisch¬
raume ein Verschlag als Eis- und Salzkammer hergerichtet, mit einer kleinen
ein pferdigen Dampfmaschine. Ein viereckiger Kasten wird mit Eis gefüllt, und
dies mit rohem Salz bestreut. In dieser Kältemischung liegen Zinkröhren,
welche bis in die Fleischkammern reichen und an deren Wänden befestigt sind.
Die kleine Dampfmaschine, welche aus dem Schiffsdampfkessel ihren Dampf er¬
hält, treibt das kalte Wasser durch die Zinkröhren ununterbrochen fort, so lange
Fleisch in der Kammer, also so lange das Schiff im englischen Hafen liegt, und
erhält die Temperatur wenige Grad über dem Gefrierpunkt. Die Feuchtigkeit
im Fleischraume und im Fleische selbst schlägt sich allmählich an den Zinkröhren


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[0489] Zeit in frischem Zustande und wohlschmeckend zu erhalten. Der Elephant, welcher im Lena-Eise gefunden wurde, gab genießbares Fleisch und hatte doch Jahr¬ tausende in jener natürlichen Eiskammer gelegen. Die Anwendung von Eis zur Conservirung thierischer Nahrungsmittel ist denn auch längst bekannt, und es muß mit Recht Verwunderung erregen, daß es bis anf diesen Augenblick noch nicht gelungen ist, die ungeheueren Reichthümer und Vorräthe an thieri¬ scher Nahrung, welche die überseeischen Länder bieten, der Bevölkerung Europas in ausreichenden Quantitäten zugänglich und nutzbar zu machen. Im Februar 1874 langten die ersten 12 Tons frischen canadischen Ochsen¬ fleisches in eisgekühltem Schiffsraum zu Liverpool an, wurden theilweife nach London transportirt und zu 6 bis 7 Pence das englische Pfund verkauft. Im October 1875 begann der regelmäßige Import frischen Fleisches aus New-Dort nach England, und er betrug im Jahre 1876 33,3,1877 49,2,1878 54,0,1879 58,5 Millionen englische Pfund. Im ersten Vierteljahre 1880 stieg der Import bereits auf 16,8 Millionen Pfund; es kamen wöchentlich 2000 ausgeschlachtete Ochsen von je circa 800 Pfund Schlachtgewicht und 1000 Stück ausgeschlach¬ tete Hammel von je 70 bis 80 Pfund Schlachtgewicht in England an. Die amerikanischen Importeure schließen mit den Dampferlinien Vertrüge auf eine bestimmte Anzahl von Kubiktonnen Schiffsraum ab — 40 englische Kubikfuß 1 Kubiktonne — und zahlen für die Knbiktonne ca. 25 Schillinge Fracht, haben aber den gemietheten Raum auf ihre Kosten zum Fleischtransport ein¬ zurichten, d. h. ihn mit Jsolirwänden, Kühlapparaten und Eis zu versehen. Es wird dabei gerechnet, daß zwei Ochsenkörper drei Tonnen Schiffsraum bean¬ spruchen, dabei aber soviel Platz frei bleibt, daß noch einige Schafkörper in den Zwischenräumen aufgehängt werden können- Die Ochsenkörper werden in je vier Viertel getheilt, alles Fleisch zwei bis drei Tage lang in Kühlkammern voll¬ ständig ausgekühlt, dann in weißen Kattun genäht, in die Kühlräume, die un¬ tersten Räume des Schiffes, gebracht und so neben einander gehängt, daß die einzelnen Stücke oder Körper sich nicht berühren. Dann wird der Schiffsraum geschlossen und fortwährend kalt erhalten. Zu diesem Zwecke ist in dem Fleisch¬ raume ein Verschlag als Eis- und Salzkammer hergerichtet, mit einer kleinen ein pferdigen Dampfmaschine. Ein viereckiger Kasten wird mit Eis gefüllt, und dies mit rohem Salz bestreut. In dieser Kältemischung liegen Zinkröhren, welche bis in die Fleischkammern reichen und an deren Wänden befestigt sind. Die kleine Dampfmaschine, welche aus dem Schiffsdampfkessel ihren Dampf er¬ hält, treibt das kalte Wasser durch die Zinkröhren ununterbrochen fort, so lange Fleisch in der Kammer, also so lange das Schiff im englischen Hafen liegt, und erhält die Temperatur wenige Grad über dem Gefrierpunkt. Die Feuchtigkeit im Fleischraume und im Fleische selbst schlägt sich allmählich an den Zinkröhren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/489>, abgerufen am 21.05.2024.