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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Anfang und Ende einer Gemäldegalerie des vorigen Jahrhunderts.

Völkern und Menschen erst möglich, wenn sie aufgehört haben zu existiren. In
diesem Sinne könnte erst von sehr wenigen Museen der Welt eine endgiltige
Geschichte geschrieben werden, von allen in der Neuzeit berühmten öffentlichen
Gemäldesammlungen vielleicht nur von der ehemaligen Düsseldorfer Bilder¬
galerie. Denn die berühmten alten Gemäldesammlungen Kaiser Rudolfs II.
und König Karls I. von England zu Anfange des siebzehnten Jahrhunderts
waren doch noch keine für die Bildung und Belehrung der Öffentlichkeit
bestimmten Sammlungen; in Paris war es noch in der Mitte des vorigen
Jahrhunderts die stete Klage, daß die Gemäldeschätze des Königs nnr als
Mobiliar seiner Gemächer angesehen würden; ja die Mehrzahl der heute be¬
rühmtesten öffentlichen Sammlungen Europas verdankt erst dem neunzehnte"
Jahrhundert ihre Entstehung, wenngleich ihr Kern natürlich längst als kurfürst-
liche Kunstkammer oder königliches Kunstcabinet im Privatbesitze der Monarchen
existirt hat. So sind z. B. die großen Galerien von London, Petersburg, Madrid
und Berlin eigentlich erst Schöpfungen unsers Jahrhunderts, und selbst die
Louvre-Galerie ist als solche erst seit der französischen Revolution constituirt
worden. Im vorigen Jahrhundert aber wurden nördlich von den Alpen
nur drei Gemäldegalerien als Sammlungen ersten Ranges anerkannt und
als solche von allen Reisenden aufgesucht, die Wiener, die Dresdener und die
Düsseldorfer Galerie. Als Sammlungen zweiten Ranges wurden daneben die
Münchener, Kasseler u. a. gepriesen. Alle diese Sammlungen des vorigen Jahr¬
hunderts existiren aber auch heute noch, vielfach verändert und erweitert, doch
unversehrt in ihrem alten Kerne; nur die Düsseldorfer Galerie ist als solche,
d. h. überhaupt als zusammenhängende Sammlung, bereits wieder vom Erdboden
verschwunden. Gerade ihre Geschichte läßt sich daher schon jetzt von ihrem An¬
fänge bis zu ihrem Ende verfolgen; und es ist kein uninteressantes Stückchen
Museumsgeschichte, es ist zugleich ein Stückchen deutscher Kunstgeschichte des vorigen
Jahrhunderts, welches wir durch sie kennen lernen.

Daß Düsseldorf heutzutage zu den hervorragendsten deutschen Kunst- und
Künstlerstädten gehört, weiß alle Welt; daß dasselbe aber schon zu Anfange des
vorigen Jahrhunderts der Fall war, daß damals schon eine Reihe der berühm¬
testen Maler der Zeit sich in Düsseldorf versammelten, ist in weitern Kreisen wenig
oder gar nicht bekannt. Nur der Ruhm der alten Düsseldorfer Bildergalerie
lebt als Tradition noch heute im Bewußtsein der Kunstfreunde fort. An die
Thatsache dieses Ruhms braucht hier daher nur kurz erinnert zu werden.

Das alte Düsseldorf war an sich keine anziehende Stadt, und seine Um¬
gebung war ehemals so wenig reizvoll wie heute. Albrecht Dürer berichtet im
Tagebuche seiner niederländischen Reise von 1521 nichts weiter über die Stadt,
als: "Darnach fuhren wir nach Düsseldorf, einem Städtchen; verzehrte zwei


Anfang und Ende einer Gemäldegalerie des vorigen Jahrhunderts.

Völkern und Menschen erst möglich, wenn sie aufgehört haben zu existiren. In
diesem Sinne könnte erst von sehr wenigen Museen der Welt eine endgiltige
Geschichte geschrieben werden, von allen in der Neuzeit berühmten öffentlichen
Gemäldesammlungen vielleicht nur von der ehemaligen Düsseldorfer Bilder¬
galerie. Denn die berühmten alten Gemäldesammlungen Kaiser Rudolfs II.
und König Karls I. von England zu Anfange des siebzehnten Jahrhunderts
waren doch noch keine für die Bildung und Belehrung der Öffentlichkeit
bestimmten Sammlungen; in Paris war es noch in der Mitte des vorigen
Jahrhunderts die stete Klage, daß die Gemäldeschätze des Königs nnr als
Mobiliar seiner Gemächer angesehen würden; ja die Mehrzahl der heute be¬
rühmtesten öffentlichen Sammlungen Europas verdankt erst dem neunzehnte»
Jahrhundert ihre Entstehung, wenngleich ihr Kern natürlich längst als kurfürst-
liche Kunstkammer oder königliches Kunstcabinet im Privatbesitze der Monarchen
existirt hat. So sind z. B. die großen Galerien von London, Petersburg, Madrid
und Berlin eigentlich erst Schöpfungen unsers Jahrhunderts, und selbst die
Louvre-Galerie ist als solche erst seit der französischen Revolution constituirt
worden. Im vorigen Jahrhundert aber wurden nördlich von den Alpen
nur drei Gemäldegalerien als Sammlungen ersten Ranges anerkannt und
als solche von allen Reisenden aufgesucht, die Wiener, die Dresdener und die
Düsseldorfer Galerie. Als Sammlungen zweiten Ranges wurden daneben die
Münchener, Kasseler u. a. gepriesen. Alle diese Sammlungen des vorigen Jahr¬
hunderts existiren aber auch heute noch, vielfach verändert und erweitert, doch
unversehrt in ihrem alten Kerne; nur die Düsseldorfer Galerie ist als solche,
d. h. überhaupt als zusammenhängende Sammlung, bereits wieder vom Erdboden
verschwunden. Gerade ihre Geschichte läßt sich daher schon jetzt von ihrem An¬
fänge bis zu ihrem Ende verfolgen; und es ist kein uninteressantes Stückchen
Museumsgeschichte, es ist zugleich ein Stückchen deutscher Kunstgeschichte des vorigen
Jahrhunderts, welches wir durch sie kennen lernen.

Daß Düsseldorf heutzutage zu den hervorragendsten deutschen Kunst- und
Künstlerstädten gehört, weiß alle Welt; daß dasselbe aber schon zu Anfange des
vorigen Jahrhunderts der Fall war, daß damals schon eine Reihe der berühm¬
testen Maler der Zeit sich in Düsseldorf versammelten, ist in weitern Kreisen wenig
oder gar nicht bekannt. Nur der Ruhm der alten Düsseldorfer Bildergalerie
lebt als Tradition noch heute im Bewußtsein der Kunstfreunde fort. An die
Thatsache dieses Ruhms braucht hier daher nur kurz erinnert zu werden.

Das alte Düsseldorf war an sich keine anziehende Stadt, und seine Um¬
gebung war ehemals so wenig reizvoll wie heute. Albrecht Dürer berichtet im
Tagebuche seiner niederländischen Reise von 1521 nichts weiter über die Stadt,
als: „Darnach fuhren wir nach Düsseldorf, einem Städtchen; verzehrte zwei


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[0156] Anfang und Ende einer Gemäldegalerie des vorigen Jahrhunderts. Völkern und Menschen erst möglich, wenn sie aufgehört haben zu existiren. In diesem Sinne könnte erst von sehr wenigen Museen der Welt eine endgiltige Geschichte geschrieben werden, von allen in der Neuzeit berühmten öffentlichen Gemäldesammlungen vielleicht nur von der ehemaligen Düsseldorfer Bilder¬ galerie. Denn die berühmten alten Gemäldesammlungen Kaiser Rudolfs II. und König Karls I. von England zu Anfange des siebzehnten Jahrhunderts waren doch noch keine für die Bildung und Belehrung der Öffentlichkeit bestimmten Sammlungen; in Paris war es noch in der Mitte des vorigen Jahrhunderts die stete Klage, daß die Gemäldeschätze des Königs nnr als Mobiliar seiner Gemächer angesehen würden; ja die Mehrzahl der heute be¬ rühmtesten öffentlichen Sammlungen Europas verdankt erst dem neunzehnte» Jahrhundert ihre Entstehung, wenngleich ihr Kern natürlich längst als kurfürst- liche Kunstkammer oder königliches Kunstcabinet im Privatbesitze der Monarchen existirt hat. So sind z. B. die großen Galerien von London, Petersburg, Madrid und Berlin eigentlich erst Schöpfungen unsers Jahrhunderts, und selbst die Louvre-Galerie ist als solche erst seit der französischen Revolution constituirt worden. Im vorigen Jahrhundert aber wurden nördlich von den Alpen nur drei Gemäldegalerien als Sammlungen ersten Ranges anerkannt und als solche von allen Reisenden aufgesucht, die Wiener, die Dresdener und die Düsseldorfer Galerie. Als Sammlungen zweiten Ranges wurden daneben die Münchener, Kasseler u. a. gepriesen. Alle diese Sammlungen des vorigen Jahr¬ hunderts existiren aber auch heute noch, vielfach verändert und erweitert, doch unversehrt in ihrem alten Kerne; nur die Düsseldorfer Galerie ist als solche, d. h. überhaupt als zusammenhängende Sammlung, bereits wieder vom Erdboden verschwunden. Gerade ihre Geschichte läßt sich daher schon jetzt von ihrem An¬ fänge bis zu ihrem Ende verfolgen; und es ist kein uninteressantes Stückchen Museumsgeschichte, es ist zugleich ein Stückchen deutscher Kunstgeschichte des vorigen Jahrhunderts, welches wir durch sie kennen lernen. Daß Düsseldorf heutzutage zu den hervorragendsten deutschen Kunst- und Künstlerstädten gehört, weiß alle Welt; daß dasselbe aber schon zu Anfange des vorigen Jahrhunderts der Fall war, daß damals schon eine Reihe der berühm¬ testen Maler der Zeit sich in Düsseldorf versammelten, ist in weitern Kreisen wenig oder gar nicht bekannt. Nur der Ruhm der alten Düsseldorfer Bildergalerie lebt als Tradition noch heute im Bewußtsein der Kunstfreunde fort. An die Thatsache dieses Ruhms braucht hier daher nur kurz erinnert zu werden. Das alte Düsseldorf war an sich keine anziehende Stadt, und seine Um¬ gebung war ehemals so wenig reizvoll wie heute. Albrecht Dürer berichtet im Tagebuche seiner niederländischen Reise von 1521 nichts weiter über die Stadt, als: „Darnach fuhren wir nach Düsseldorf, einem Städtchen; verzehrte zwei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/156>, abgerufen am 15.05.2024.