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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Lhr. Gottfried Körner "ut I. G. Göschen.

Verbindung mit Göschen und über die Konsequenzen weitrer Betheiligung am
Verlagsbuchhandel. Als Resultat seines Nachdenkens erscheint folgender charak¬
teristische Brief, den er noch während der Jubilatemesse an den Leipziger
Socius richtete:

Dresden, den 11. Mai 87.*)

Hoffentlich werden Sie, lieber Freund, nunmehr für diese Messe befriedigt
seyn. Bassenge wird Ihnen 600 und Beit 200 Thaler gegeben haben und Schiller
wird Sie über 150 Thlr. quittiren, ohne daß Sie seinen Wechsel einzulösen haben.
Aber nunmehr lassen Sie mich Halte machen. Ich weiß, daß Sie zu keinen andern
Unternehmungen Geld von mir verlangen werden als die Sie auch sür mich vor¬
theilhaft glauben. Aber mich in meiner jetzigen Lage weiter darauf einzulassen,
säugt mir mi bedenklich zu werden. Unglücklicher Weise kommt mich die Aussaat
immer etwas hoch zu stehen. Ich habe noch Schulden abzuzahlen, die ich zu
5 prov. verzinsen muß, während daß meine meisten Capitale sich zu 4 proo. ver-
interessiren. Alle bisher eingegangnen Gelder, die ich zu Tilgung dieser Schulden
hätte verwenden können, habe ich für die Handlung hergegeben. Und was das
schlimmste war, so traf sichs immer, daß sie nicht pünktlich die Zahlwoche eingingen,
sondern 8 Tage oder mehrere Wochen später. So wars besonders dießmal. Sie
konnten nicht warten. Was blieb mir da übrig, als mir ein halb Dutzend Körbe
zu holen und am Ende für 20 proo. bey den Juden Geld aufzunehmen. Wenn
das nicht Studentenwirthschaft ist --

Verstehen Sie mich recht. Ich bin weit entfernt Ihnen Vorwürfe zu machen.
Aber ich fürchte mich vor einem neuen Projekte, wenn Sie mit dem Göthe fertig
sind und deswegen muß ich über diese Sache so offenherzig schreiben. Glauben
Sie, daß es mir schwer wird mich zurückzuhalten und daß Ihr Hang zu Unter¬
nehmungen nicht größer seyn kann, als der meinige, Nur in meiner jetzigen Lage
muß ich mir Gränzen setzen. Es bleibt also bey unsrer Abrede. Die 4000 Thlr.
bleiben in der Handlung, aber die 1500 Thlr. für den Göthe, erwarte ich nach
und nach, sowie er sich kostenfrey gemacht hat, zurück!

Dieser in mehr als einem Betracht interessante Brief konnte begreiflicher¬
weise Göschen nicht sonderlich erfreuen. Für alle Literaturfreunde ist es ein
interessantes Document der Mühen und Nöthe, welche mit dem Zustandekommen
der ersten Gesammtausgabe der Werke unsers größten Dichters verknüpft waren.
Hoffnungsvollen national-ökonomischen Schriftstellern, welche eine Vertheidigung
des Wuchers beabsichtigen, kann das Actenstück nicht dringend genug empfohlen
werden. Da Göschens Geldbedürfnisse hauptsächlich dnrch die im Gange be¬
findliche Goetheausgabe veranlaßt waren, Körner um seinen Socius zu befrie¬
digen von dem vortrefflichen Beit zu unchristlichen Zinsen Summen ausnehmen



6) Die mit 5 bezeichneten Briefe, deren Originale die Dresdner Bibliothek besitzt, sind
unsers Wissens bisher ungedruckt.
Lhr. Gottfried Körner »ut I. G. Göschen.

Verbindung mit Göschen und über die Konsequenzen weitrer Betheiligung am
Verlagsbuchhandel. Als Resultat seines Nachdenkens erscheint folgender charak¬
teristische Brief, den er noch während der Jubilatemesse an den Leipziger
Socius richtete:

Dresden, den 11. Mai 87.*)

Hoffentlich werden Sie, lieber Freund, nunmehr für diese Messe befriedigt
seyn. Bassenge wird Ihnen 600 und Beit 200 Thaler gegeben haben und Schiller
wird Sie über 150 Thlr. quittiren, ohne daß Sie seinen Wechsel einzulösen haben.
Aber nunmehr lassen Sie mich Halte machen. Ich weiß, daß Sie zu keinen andern
Unternehmungen Geld von mir verlangen werden als die Sie auch sür mich vor¬
theilhaft glauben. Aber mich in meiner jetzigen Lage weiter darauf einzulassen,
säugt mir mi bedenklich zu werden. Unglücklicher Weise kommt mich die Aussaat
immer etwas hoch zu stehen. Ich habe noch Schulden abzuzahlen, die ich zu
5 prov. verzinsen muß, während daß meine meisten Capitale sich zu 4 proo. ver-
interessiren. Alle bisher eingegangnen Gelder, die ich zu Tilgung dieser Schulden
hätte verwenden können, habe ich für die Handlung hergegeben. Und was das
schlimmste war, so traf sichs immer, daß sie nicht pünktlich die Zahlwoche eingingen,
sondern 8 Tage oder mehrere Wochen später. So wars besonders dießmal. Sie
konnten nicht warten. Was blieb mir da übrig, als mir ein halb Dutzend Körbe
zu holen und am Ende für 20 proo. bey den Juden Geld aufzunehmen. Wenn
das nicht Studentenwirthschaft ist —

Verstehen Sie mich recht. Ich bin weit entfernt Ihnen Vorwürfe zu machen.
Aber ich fürchte mich vor einem neuen Projekte, wenn Sie mit dem Göthe fertig
sind und deswegen muß ich über diese Sache so offenherzig schreiben. Glauben
Sie, daß es mir schwer wird mich zurückzuhalten und daß Ihr Hang zu Unter¬
nehmungen nicht größer seyn kann, als der meinige, Nur in meiner jetzigen Lage
muß ich mir Gränzen setzen. Es bleibt also bey unsrer Abrede. Die 4000 Thlr.
bleiben in der Handlung, aber die 1500 Thlr. für den Göthe, erwarte ich nach
und nach, sowie er sich kostenfrey gemacht hat, zurück!

Dieser in mehr als einem Betracht interessante Brief konnte begreiflicher¬
weise Göschen nicht sonderlich erfreuen. Für alle Literaturfreunde ist es ein
interessantes Document der Mühen und Nöthe, welche mit dem Zustandekommen
der ersten Gesammtausgabe der Werke unsers größten Dichters verknüpft waren.
Hoffnungsvollen national-ökonomischen Schriftstellern, welche eine Vertheidigung
des Wuchers beabsichtigen, kann das Actenstück nicht dringend genug empfohlen
werden. Da Göschens Geldbedürfnisse hauptsächlich dnrch die im Gange be¬
findliche Goetheausgabe veranlaßt waren, Körner um seinen Socius zu befrie¬
digen von dem vortrefflichen Beit zu unchristlichen Zinsen Summen ausnehmen



6) Die mit 5 bezeichneten Briefe, deren Originale die Dresdner Bibliothek besitzt, sind
unsers Wissens bisher ungedruckt.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/170>, abgerufen am 16.05.2024.