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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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ihren Dienst haben als jener; denn sie haben Penston zu erwarten. In Frank¬
reich sorgt anch der kleine Mann, wenn er rechtschaffen denkt und irgend etwas
zurückzulegen im Stande ist, für seine Zukunft, indem er Rente kauft. Etwas
ähnliches soll für unsere Arbeiter eingerichtet werden.

Man nennt das Staatssocialismus und denkt die Sache damit abgethan
zu haben. Als ob mit einem Worte, einer Phrase aus dem Jargon der Man-
chcsternen ein großer Gedanke zu den Todten zu werfen wäre! Mag er wirk¬
lich Staatssocialismus sein, dieser Gedanke, er war einem dringenden Bedürf¬
nisse entsprungen, er war nothwendig, und was sind denn die jetzigen Einrich¬
tungen mit dem Unterstützungswohnsitz? Gemeindesveialismus, dächten wir.

Man wirft ein, das Gesetz werde zu seiner Ausführung große Summen
erfordern, wenigstens hundert Millionen Mark, wahrscheinlich aber doppelt so
viel. Aber auch dreihundert Millionen würden, wie wir zu glauben Ursache
haben, den Reichskanzler nicht abschrecken. Es müssen die Mittel beschafft
werden, staatlich freigebig zu sein gegen die Armuth. Die Zufriedenheit der
besitzlosen Classen, der "Enterbten", ist auch mit einer sehr großen Summe
nicht zu theuer erkauft. "Sie müssen einsehen lernen, daß der Staat auch
nützlich ist," daß er nicht bloß verlangt, sondern auch giebt. Und wenn dieser
die Angelegenheit in die Hand nimmt, der Staat, der nichts verdienen will, der
keine Verzinsung und keine Dividenden erstrebt, so wird es schon gehen.

Man könnte ja schlimmsten Falls das Tabaksmonopol dazu verwenden.
Dasselbe "würde denn gestatten, für die Armen eine Fideicommiß-Rente zu
schaffen." Wir brauchen aber das Monopol nicht in den Vordergrund zu stellen,
es ist nur das äußerste, der höchste Trumpf. Den Armen kann schon durch
höhere Besteuerung vou Genußmitteln wie Tabak, Bier und Branntwein ein
kleines Erbe verschafft und die Zukunft lichter gestaltet werden. Die Engländer,
die Amerikaner, die Russen haben kein Monopol, und doch gewinnen sie ans
höherer Besteuerung jener Genußmittel sehr erhebliche Summen. Wir können
als das gegenwärtig niedrigst besteuerte Volk in dieser Beziehung viel vertragen,
und wenn wir das Ergebniß zur Sicherung der Zukunft unsrer Arbeiter ver¬
wenden, deren Ungewißheit den Hauptgrund zu ihrem Hasse gegen den Staat
bildet, so ist das Geld gut angelegt: wir beugen damit einer socialen Revolution
vor, die in fünfzig, aber auch schou in zehn Jahren ausbrechen kann, und die
anch bei mir kurzdauerndem Erfolge ganz andre Summen verschlingen würde
als das jetzt aufs Tapet gebrachte Vvrbeugungsmittel.

Die Liberalen sehen auch zum Theil im Stillen die Vernünftigkeit dieser
Vorschläge ein, gönnen es aber dem Manne nicht, der sie macht, wollen es
selber besorgen, um populär zu werde" oder zu bleiben. Sie werde" die Sache


ihren Dienst haben als jener; denn sie haben Penston zu erwarten. In Frank¬
reich sorgt anch der kleine Mann, wenn er rechtschaffen denkt und irgend etwas
zurückzulegen im Stande ist, für seine Zukunft, indem er Rente kauft. Etwas
ähnliches soll für unsere Arbeiter eingerichtet werden.

Man nennt das Staatssocialismus und denkt die Sache damit abgethan
zu haben. Als ob mit einem Worte, einer Phrase aus dem Jargon der Man-
chcsternen ein großer Gedanke zu den Todten zu werfen wäre! Mag er wirk¬
lich Staatssocialismus sein, dieser Gedanke, er war einem dringenden Bedürf¬
nisse entsprungen, er war nothwendig, und was sind denn die jetzigen Einrich¬
tungen mit dem Unterstützungswohnsitz? Gemeindesveialismus, dächten wir.

Man wirft ein, das Gesetz werde zu seiner Ausführung große Summen
erfordern, wenigstens hundert Millionen Mark, wahrscheinlich aber doppelt so
viel. Aber auch dreihundert Millionen würden, wie wir zu glauben Ursache
haben, den Reichskanzler nicht abschrecken. Es müssen die Mittel beschafft
werden, staatlich freigebig zu sein gegen die Armuth. Die Zufriedenheit der
besitzlosen Classen, der „Enterbten", ist auch mit einer sehr großen Summe
nicht zu theuer erkauft. „Sie müssen einsehen lernen, daß der Staat auch
nützlich ist," daß er nicht bloß verlangt, sondern auch giebt. Und wenn dieser
die Angelegenheit in die Hand nimmt, der Staat, der nichts verdienen will, der
keine Verzinsung und keine Dividenden erstrebt, so wird es schon gehen.

Man könnte ja schlimmsten Falls das Tabaksmonopol dazu verwenden.
Dasselbe „würde denn gestatten, für die Armen eine Fideicommiß-Rente zu
schaffen." Wir brauchen aber das Monopol nicht in den Vordergrund zu stellen,
es ist nur das äußerste, der höchste Trumpf. Den Armen kann schon durch
höhere Besteuerung vou Genußmitteln wie Tabak, Bier und Branntwein ein
kleines Erbe verschafft und die Zukunft lichter gestaltet werden. Die Engländer,
die Amerikaner, die Russen haben kein Monopol, und doch gewinnen sie ans
höherer Besteuerung jener Genußmittel sehr erhebliche Summen. Wir können
als das gegenwärtig niedrigst besteuerte Volk in dieser Beziehung viel vertragen,
und wenn wir das Ergebniß zur Sicherung der Zukunft unsrer Arbeiter ver¬
wenden, deren Ungewißheit den Hauptgrund zu ihrem Hasse gegen den Staat
bildet, so ist das Geld gut angelegt: wir beugen damit einer socialen Revolution
vor, die in fünfzig, aber auch schou in zehn Jahren ausbrechen kann, und die
anch bei mir kurzdauerndem Erfolge ganz andre Summen verschlingen würde
als das jetzt aufs Tapet gebrachte Vvrbeugungsmittel.

Die Liberalen sehen auch zum Theil im Stillen die Vernünftigkeit dieser
Vorschläge ein, gönnen es aber dem Manne nicht, der sie macht, wollen es
selber besorgen, um populär zu werde» oder zu bleiben. Sie werde» die Sache


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/192>, abgerufen am 15.05.2024.