Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Zchliemanns Trojanische Sammlung.

auf die Besucher auszuüben schien. Es war der Zauber des Neuen, des
Neuesten.

Natürlich war England begierig, diesen außerordentlichen Schatz zu behalten,
wenn er auch nicht nu derselben Stelle aufgestellt bleiben konnte und, im Falte
er England verblieben wäre, zu den verwandten Schätzen i"S britische Museum
hätte gebracht werden müssen, wo sich die assyrischen, ägyptischen, amerikanischen
und afrikanischen Alterthümer aufgestellt finden. Im Sommer 1880 hörten
wir in London mit Bestimmtheit behaupten, daß Schliemann seine Sammlung
an das 8outb Xsnsington Nussmn für 6000 Pfund Sterling verkauft habe.
Jetzt ist es klar, daß aus diesem Handel, wenn er überhaupt in Frage gestanden
hat. nichts geworden ist. Daß England Anerbietungen gemacht hat, ist unum¬
stößlich gewiß; möglich aber erscheint es, daß die gemachten Anerbietungen zu
niedrig waren, um Schliemann. der ein Vermögen an den Erwerb seiner Samm¬
lung gesetzt hat, ganz zu schweigen von der unendliche" Mühe und der großen
Gefahr, zu befriedigen. England hat schon mehr als einmal aus übelberathener
Knauserei auf den Erwerb wichtiger Schätze der Wissenschaft verzichtet, und es
wird wohl nun, nachdem mit dem Verlust der Schliemcmnschen Sammlung eine
große Lücke in der Vollständigkeit seiner Sammlungen entstanden ist, diesen
Verlust innig beklagen.

Das 8eine>n X<zu8inZ't,on Nusvuin ist wesentlich zu dem Zwecke gegründet,
um der britischen Kunstindustrie durch Muster, die aus allen Ländern und Zeiten
zusammengebracht sind, zu .Hilfe zu kommen. Der Einfluß, den dieses Museum
mif den Geschmack und die Erfindung englischer Industrie und Kunst schon jetzt
ausgeübt hat, ist von unberechenbarer Größe. Für diesen Zweck boten freilich
die trojanischen Alterthümer kaum einen nennenswerthen Nutzen, da sie einen
noch sehr jugendlichen Standpunkt sowohl der Goldschmiedekunst als der Töpferei
repräsentiren. Ihre ganze Bedeutung liegt auf Seiten der Wissenschaft. Ob¬
gleich nun auch das wissenschaftliche Interesse in der Leitung des Loutb. Ksn-
sinken Nuseuin stark vertreten ist, wie denn überhaupt die Bethätigung der
britischen Gelehrten an der Alterthumswissenschaft eine hervorragende und dnrch
grandiose Mittel unterstützte ist. so überwiegt doch, wie die jüngst gemachte Erfah¬
rung lehrt, das kunstindustrielle Interesse, welches zum Rückhalt das kaufmännische
hat. Und anderntheils muß das wissenschaftliche Interesse in Bezug auf die Troja-
Sammlung nicht mit jenem Eifer und jener Ueberzeugung von dem Werthe der¬
selben verbunden gewesen sein, welche dem Verluste derselben hätten vorbeugen
können. Es ist klar, daß die englischen Gelehrten in Betreff der wissenschaftlichen
Bedeutung der Sammlung zu keiner vollen Ueberzeugung gekommen waren, und daß
der Glaube, den sie anfänglich den Auffassungen Schliemcmns entgegengebracht


Zchliemanns Trojanische Sammlung.

auf die Besucher auszuüben schien. Es war der Zauber des Neuen, des
Neuesten.

Natürlich war England begierig, diesen außerordentlichen Schatz zu behalten,
wenn er auch nicht nu derselben Stelle aufgestellt bleiben konnte und, im Falte
er England verblieben wäre, zu den verwandten Schätzen i»S britische Museum
hätte gebracht werden müssen, wo sich die assyrischen, ägyptischen, amerikanischen
und afrikanischen Alterthümer aufgestellt finden. Im Sommer 1880 hörten
wir in London mit Bestimmtheit behaupten, daß Schliemann seine Sammlung
an das 8outb Xsnsington Nussmn für 6000 Pfund Sterling verkauft habe.
Jetzt ist es klar, daß aus diesem Handel, wenn er überhaupt in Frage gestanden
hat. nichts geworden ist. Daß England Anerbietungen gemacht hat, ist unum¬
stößlich gewiß; möglich aber erscheint es, daß die gemachten Anerbietungen zu
niedrig waren, um Schliemann. der ein Vermögen an den Erwerb seiner Samm¬
lung gesetzt hat, ganz zu schweigen von der unendliche» Mühe und der großen
Gefahr, zu befriedigen. England hat schon mehr als einmal aus übelberathener
Knauserei auf den Erwerb wichtiger Schätze der Wissenschaft verzichtet, und es
wird wohl nun, nachdem mit dem Verlust der Schliemcmnschen Sammlung eine
große Lücke in der Vollständigkeit seiner Sammlungen entstanden ist, diesen
Verlust innig beklagen.

Das 8eine>n X<zu8inZ't,on Nusvuin ist wesentlich zu dem Zwecke gegründet,
um der britischen Kunstindustrie durch Muster, die aus allen Ländern und Zeiten
zusammengebracht sind, zu .Hilfe zu kommen. Der Einfluß, den dieses Museum
mif den Geschmack und die Erfindung englischer Industrie und Kunst schon jetzt
ausgeübt hat, ist von unberechenbarer Größe. Für diesen Zweck boten freilich
die trojanischen Alterthümer kaum einen nennenswerthen Nutzen, da sie einen
noch sehr jugendlichen Standpunkt sowohl der Goldschmiedekunst als der Töpferei
repräsentiren. Ihre ganze Bedeutung liegt auf Seiten der Wissenschaft. Ob¬
gleich nun auch das wissenschaftliche Interesse in der Leitung des Loutb. Ksn-
sinken Nuseuin stark vertreten ist, wie denn überhaupt die Bethätigung der
britischen Gelehrten an der Alterthumswissenschaft eine hervorragende und dnrch
grandiose Mittel unterstützte ist. so überwiegt doch, wie die jüngst gemachte Erfah¬
rung lehrt, das kunstindustrielle Interesse, welches zum Rückhalt das kaufmännische
hat. Und anderntheils muß das wissenschaftliche Interesse in Bezug auf die Troja-
Sammlung nicht mit jenem Eifer und jener Ueberzeugung von dem Werthe der¬
selben verbunden gewesen sein, welche dem Verluste derselben hätten vorbeugen
können. Es ist klar, daß die englischen Gelehrten in Betreff der wissenschaftlichen
Bedeutung der Sammlung zu keiner vollen Ueberzeugung gekommen waren, und daß
der Glaube, den sie anfänglich den Auffassungen Schliemcmns entgegengebracht


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0395" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/149379"/>
          <fw type="header" place="top"> Zchliemanns Trojanische Sammlung.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1067" prev="#ID_1066"> auf die Besucher auszuüben schien. Es war der Zauber des Neuen, des<lb/>
Neuesten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1068"> Natürlich war England begierig, diesen außerordentlichen Schatz zu behalten,<lb/>
wenn er auch nicht nu derselben Stelle aufgestellt bleiben konnte und, im Falte<lb/>
er England verblieben wäre, zu den verwandten Schätzen i»S britische Museum<lb/>
hätte gebracht werden müssen, wo sich die assyrischen, ägyptischen, amerikanischen<lb/>
und afrikanischen Alterthümer aufgestellt finden. Im Sommer 1880 hörten<lb/>
wir in London mit Bestimmtheit behaupten, daß Schliemann seine Sammlung<lb/>
an das 8outb Xsnsington Nussmn für 6000 Pfund Sterling verkauft habe.<lb/>
Jetzt ist es klar, daß aus diesem Handel, wenn er überhaupt in Frage gestanden<lb/>
hat. nichts geworden ist. Daß England Anerbietungen gemacht hat, ist unum¬<lb/>
stößlich gewiß; möglich aber erscheint es, daß die gemachten Anerbietungen zu<lb/>
niedrig waren, um Schliemann. der ein Vermögen an den Erwerb seiner Samm¬<lb/>
lung gesetzt hat, ganz zu schweigen von der unendliche» Mühe und der großen<lb/>
Gefahr, zu befriedigen. England hat schon mehr als einmal aus übelberathener<lb/>
Knauserei auf den Erwerb wichtiger Schätze der Wissenschaft verzichtet, und es<lb/>
wird wohl nun, nachdem mit dem Verlust der Schliemcmnschen Sammlung eine<lb/>
große Lücke in der Vollständigkeit seiner Sammlungen entstanden ist, diesen<lb/>
Verlust innig beklagen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1069" next="#ID_1070"> Das 8eine&gt;n X&lt;zu8inZ't,on Nusvuin ist wesentlich zu dem Zwecke gegründet,<lb/>
um der britischen Kunstindustrie durch Muster, die aus allen Ländern und Zeiten<lb/>
zusammengebracht sind, zu .Hilfe zu kommen. Der Einfluß, den dieses Museum<lb/>
mif den Geschmack und die Erfindung englischer Industrie und Kunst schon jetzt<lb/>
ausgeübt hat, ist von unberechenbarer Größe. Für diesen Zweck boten freilich<lb/>
die trojanischen Alterthümer kaum einen nennenswerthen Nutzen, da sie einen<lb/>
noch sehr jugendlichen Standpunkt sowohl der Goldschmiedekunst als der Töpferei<lb/>
repräsentiren. Ihre ganze Bedeutung liegt auf Seiten der Wissenschaft. Ob¬<lb/>
gleich nun auch das wissenschaftliche Interesse in der Leitung des Loutb. Ksn-<lb/>
sinken Nuseuin stark vertreten ist, wie denn überhaupt die Bethätigung der<lb/>
britischen Gelehrten an der Alterthumswissenschaft eine hervorragende und dnrch<lb/>
grandiose Mittel unterstützte ist. so überwiegt doch, wie die jüngst gemachte Erfah¬<lb/>
rung lehrt, das kunstindustrielle Interesse, welches zum Rückhalt das kaufmännische<lb/>
hat. Und anderntheils muß das wissenschaftliche Interesse in Bezug auf die Troja-<lb/>
Sammlung nicht mit jenem Eifer und jener Ueberzeugung von dem Werthe der¬<lb/>
selben verbunden gewesen sein, welche dem Verluste derselben hätten vorbeugen<lb/>
können. Es ist klar, daß die englischen Gelehrten in Betreff der wissenschaftlichen<lb/>
Bedeutung der Sammlung zu keiner vollen Ueberzeugung gekommen waren, und daß<lb/>
der Glaube, den sie anfänglich den Auffassungen Schliemcmns entgegengebracht</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0395] Zchliemanns Trojanische Sammlung. auf die Besucher auszuüben schien. Es war der Zauber des Neuen, des Neuesten. Natürlich war England begierig, diesen außerordentlichen Schatz zu behalten, wenn er auch nicht nu derselben Stelle aufgestellt bleiben konnte und, im Falte er England verblieben wäre, zu den verwandten Schätzen i»S britische Museum hätte gebracht werden müssen, wo sich die assyrischen, ägyptischen, amerikanischen und afrikanischen Alterthümer aufgestellt finden. Im Sommer 1880 hörten wir in London mit Bestimmtheit behaupten, daß Schliemann seine Sammlung an das 8outb Xsnsington Nussmn für 6000 Pfund Sterling verkauft habe. Jetzt ist es klar, daß aus diesem Handel, wenn er überhaupt in Frage gestanden hat. nichts geworden ist. Daß England Anerbietungen gemacht hat, ist unum¬ stößlich gewiß; möglich aber erscheint es, daß die gemachten Anerbietungen zu niedrig waren, um Schliemann. der ein Vermögen an den Erwerb seiner Samm¬ lung gesetzt hat, ganz zu schweigen von der unendliche» Mühe und der großen Gefahr, zu befriedigen. England hat schon mehr als einmal aus übelberathener Knauserei auf den Erwerb wichtiger Schätze der Wissenschaft verzichtet, und es wird wohl nun, nachdem mit dem Verlust der Schliemcmnschen Sammlung eine große Lücke in der Vollständigkeit seiner Sammlungen entstanden ist, diesen Verlust innig beklagen. Das 8eine>n X<zu8inZ't,on Nusvuin ist wesentlich zu dem Zwecke gegründet, um der britischen Kunstindustrie durch Muster, die aus allen Ländern und Zeiten zusammengebracht sind, zu .Hilfe zu kommen. Der Einfluß, den dieses Museum mif den Geschmack und die Erfindung englischer Industrie und Kunst schon jetzt ausgeübt hat, ist von unberechenbarer Größe. Für diesen Zweck boten freilich die trojanischen Alterthümer kaum einen nennenswerthen Nutzen, da sie einen noch sehr jugendlichen Standpunkt sowohl der Goldschmiedekunst als der Töpferei repräsentiren. Ihre ganze Bedeutung liegt auf Seiten der Wissenschaft. Ob¬ gleich nun auch das wissenschaftliche Interesse in der Leitung des Loutb. Ksn- sinken Nuseuin stark vertreten ist, wie denn überhaupt die Bethätigung der britischen Gelehrten an der Alterthumswissenschaft eine hervorragende und dnrch grandiose Mittel unterstützte ist. so überwiegt doch, wie die jüngst gemachte Erfah¬ rung lehrt, das kunstindustrielle Interesse, welches zum Rückhalt das kaufmännische hat. Und anderntheils muß das wissenschaftliche Interesse in Bezug auf die Troja- Sammlung nicht mit jenem Eifer und jener Ueberzeugung von dem Werthe der¬ selben verbunden gewesen sein, welche dem Verluste derselben hätten vorbeugen können. Es ist klar, daß die englischen Gelehrten in Betreff der wissenschaftlichen Bedeutung der Sammlung zu keiner vollen Ueberzeugung gekommen waren, und daß der Glaube, den sie anfänglich den Auffassungen Schliemcmns entgegengebracht

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/395
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/395>, abgerufen am 16.05.2024.