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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Gneisenau in den Jahren ^3^5 bis ^33^,

darum mögen wir getrost mit ihnen im Bündniß bleiben, 200 000 Mann ihrer
Truppen werden in einem Kriege gegen Frankreich uns nützliche Dienste leisten
und früher oder später bricht dieser Krieg dennoch aus,"

Länger als mau Anfangs erwartet, hatte sich der Krieg in die Länge ge¬
zogen. Aber der Feldmarschall wußte den Offizieren seines Hauptquartiers in
seiner leutseligen "ut geistig anregenden Weise den Aufenthalt in Posen zu ver¬
kürzen, Clausewitz in seinen Briefen, Brandt und Nhadcn in ihren Memoiren
haben mancherlei über jene Zeit aufbewahrt. Mit Liebe und Ehrfurcht haben
sie alle Gneisenaus gedacht.

Endlich sollte auch für ihn die letzte Stunde schlagen. Als während des
polnischen Revolutivnskricgs die Cholera sich der preußischen Grenze näherte,
hatte Gneisenau a" seine Gemahlin geschrieben: "Wenn mir die Wahl gelassen
wäre, welcher Todesart ich sterben wolle, so würde ich mir, nächst einer Kanonen¬
kugel oder einem sanften Schlagfluß die Cholera wählen. Wenn man 71 Jahre
alt geworden ist, die geistige und die körperliche Kraft sich gemindert haben und
Erfreuliches nicht mehr zu erwarten ist, oder wenigstens nicht viel mehr, jedann
kann man wohl wie ich, mit Ruhe, in Hinsicht ans sich selbst, inmitten der Seuche
diese mit Gleichgültigkeit betrachten und seine Besorgnisse nur den andern Be¬
drohte" widme"," I" der Nacht vom 22. zum 23, August ergriff ihn die
Krankheit, Nachdem er ohnmächtig zusammengestürzt war, brachte man ihn zu
Bett, Der Arzt wurde geholt, Clausewitz und die nächste Umgebung umstanden
das Lager, Gneisenau hatte das Bewußtsein wieder erlangt, sprach und scherzte
und meinte mit Hinblick ans Diebitsch, welcher derselben Seuche erlegen war.
"un wird man die Cholera wohl die Fcldmarschallstrankheit nennen. Allmählich
wurde er müde, die Ohnmachten wiederholten sich: gegen 12 Uhr ging er ohne
Leiden zur ewigen Ruhe ein.

In einer Redoute nahe dem katholischen Kirchhofe in Posen. zwischen
Gräbern und Zeichen der Andacht, zwischen Kanonen und Brustwehren fand
der Maun, der durch und durch Soldat war und dabei ein wahrhaft frommes
Gemüth besaß, eine passende erste Ruhestatt. Erst 1841 wurde der Sarkophag
nach Sommerschenburg übergeführt und hier erschien König Friedrich Wilhelm IV.
>"it seinen Brüdern, um am Gedenktage von Belle-Alliance der feierlichen Bei-
setzung und der Enthüllung des von der Armee errichteten Denkmals beizuwohnen
und den Manen des großen Todten die schuldige Ehre zu erweisen.




Gneisenau in den Jahren ^3^5 bis ^33^,

darum mögen wir getrost mit ihnen im Bündniß bleiben, 200 000 Mann ihrer
Truppen werden in einem Kriege gegen Frankreich uns nützliche Dienste leisten
und früher oder später bricht dieser Krieg dennoch aus,"

Länger als mau Anfangs erwartet, hatte sich der Krieg in die Länge ge¬
zogen. Aber der Feldmarschall wußte den Offizieren seines Hauptquartiers in
seiner leutseligen »ut geistig anregenden Weise den Aufenthalt in Posen zu ver¬
kürzen, Clausewitz in seinen Briefen, Brandt und Nhadcn in ihren Memoiren
haben mancherlei über jene Zeit aufbewahrt. Mit Liebe und Ehrfurcht haben
sie alle Gneisenaus gedacht.

Endlich sollte auch für ihn die letzte Stunde schlagen. Als während des
polnischen Revolutivnskricgs die Cholera sich der preußischen Grenze näherte,
hatte Gneisenau a» seine Gemahlin geschrieben: „Wenn mir die Wahl gelassen
wäre, welcher Todesart ich sterben wolle, so würde ich mir, nächst einer Kanonen¬
kugel oder einem sanften Schlagfluß die Cholera wählen. Wenn man 71 Jahre
alt geworden ist, die geistige und die körperliche Kraft sich gemindert haben und
Erfreuliches nicht mehr zu erwarten ist, oder wenigstens nicht viel mehr, jedann
kann man wohl wie ich, mit Ruhe, in Hinsicht ans sich selbst, inmitten der Seuche
diese mit Gleichgültigkeit betrachten und seine Besorgnisse nur den andern Be¬
drohte» widme»," I» der Nacht vom 22. zum 23, August ergriff ihn die
Krankheit, Nachdem er ohnmächtig zusammengestürzt war, brachte man ihn zu
Bett, Der Arzt wurde geholt, Clausewitz und die nächste Umgebung umstanden
das Lager, Gneisenau hatte das Bewußtsein wieder erlangt, sprach und scherzte
und meinte mit Hinblick ans Diebitsch, welcher derselben Seuche erlegen war.
»un wird man die Cholera wohl die Fcldmarschallstrankheit nennen. Allmählich
wurde er müde, die Ohnmachten wiederholten sich: gegen 12 Uhr ging er ohne
Leiden zur ewigen Ruhe ein.

In einer Redoute nahe dem katholischen Kirchhofe in Posen. zwischen
Gräbern und Zeichen der Andacht, zwischen Kanonen und Brustwehren fand
der Maun, der durch und durch Soldat war und dabei ein wahrhaft frommes
Gemüth besaß, eine passende erste Ruhestatt. Erst 1841 wurde der Sarkophag
nach Sommerschenburg übergeführt und hier erschien König Friedrich Wilhelm IV.
>»it seinen Brüdern, um am Gedenktage von Belle-Alliance der feierlichen Bei-
setzung und der Enthüllung des von der Armee errichteten Denkmals beizuwohnen
und den Manen des großen Todten die schuldige Ehre zu erweisen.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/407>, abgerufen am 15.05.2024.