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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Lornelii>5 im Lichte der Gegenwart.

Personen, in dessen Mitte ein mangelhaft organisirter Mann mit ausgebreiteten
Händen stand, die Befreiung der Seelen des alten Bundes, die ihrer Erlösung
Jahrtausende entgegen geharrt, vorstellen? Auch diejenigen, die sehr wohl wissen,
worin bis dahin Cornelius' Größe bestand, mußten schmerzlich das Haupt
schütteln."

Ich will hier nicht wiederholen, was ich schon vor zwei Jahren (1878
2. Quartal) an dieser Stelle über Cornelius' Verhältniß zu Berlin und den
Berlinern, welches, zumeist durch die Schuld des starrsinnigen, zu keiner Con¬
cession bereiten Malers, von Jahr zu Jahr immer gespannter wurde, auf Grund
authentischer Quellen zusammengestellt habe. Nur so viel sei hier noch zusätz¬
lich bemerkt, daß auch ein zweites Oelgemälde, welches Cornelius sechzehn Jahre
später für einen andern Berliner Mäcen, den Consul Wagner, malte, "Hagen
versenkt den Nibelungenhort" (jetzt in der Nationalgalerie), ebenfalls nicht dazu
angethan war, eine besonders hohe Meinung von dem technischen Können des
Meisters zu erwecken.

Das Jnteressanteste, was die Aufzeichnungen Lohdes enthalten, bilden die
Aeußerungen des Meisters über alles Technische. Sie gipfeln zunächst in einer
gründlichen Verachtung der Oelmalerei. "Wenn Sie malen, malen Sie um
Himmels Willen nicht auf den Pinsel hin! Der Pinsel ist der Verderb unserer
Kunst geworden, er führte von der Natur ab zum Manierismus. Sehen Sie
die alten Meister an! Sehen Sie da den Pinsel? Nein, die Natur! Wenn
Sie malen, malen Sie nur Ihre Gedanken und die Natur." Als Löste ihm
eines Tages erzählte, daß er anfangs, obwohl er stets auf die Historienmalerei
losgesteuert, viel "gelcmdschaftet" habe, weil es hieße, daß man mit dem Leichtern
beginnen müsse, gab ihm Cornelius zur Antwort: "El was! man packt doch
den Stier bei den Hörnern und nicht beim Schwanz, will man ihn bändigen.
Hat man das Schwerste, kommt das Leichte von selbst. Durch das Studium
des menschliche" Körpers haben Sie das Studium der Form überhaupt; nur
die sei Ihr erstes Streben." Das einseitige dieser Dogmen leuchtet von selbst
ein. Sie sind unschuldig, so lange sie einer als seine Privatansicht äußert, sie
werden aber gefährlich, wenn jemand, der die Macht und das Ansehn dazu be¬
sitzt, sie an entscheidender Stelle durchführen will. Und das hat Cornelius
versucht, als er dem Könige von Baiern Vorschläge zur Reorganisation der
Münchener Kunstakademie machte. "Einen Lehrstuhl der Genre- und Landschafts¬
malerei -- so schrieb er im December 1825 an den König -- halte ich für
überflüssig. Die wahre Kunst kennt kein abgesondertes Fach; sie umfaßt die
ganze sichtbare Natur. Die Gattungsmalerei ist eine Art von Moos oder
Flechtengewächs am großen Stamme der Kunst." Zur weitern Erläuterung
dieses Satzes mag dienen, was Cornelius zu seinem Schüler Förster äußerte


Lornelii>5 im Lichte der Gegenwart.

Personen, in dessen Mitte ein mangelhaft organisirter Mann mit ausgebreiteten
Händen stand, die Befreiung der Seelen des alten Bundes, die ihrer Erlösung
Jahrtausende entgegen geharrt, vorstellen? Auch diejenigen, die sehr wohl wissen,
worin bis dahin Cornelius' Größe bestand, mußten schmerzlich das Haupt
schütteln."

Ich will hier nicht wiederholen, was ich schon vor zwei Jahren (1878
2. Quartal) an dieser Stelle über Cornelius' Verhältniß zu Berlin und den
Berlinern, welches, zumeist durch die Schuld des starrsinnigen, zu keiner Con¬
cession bereiten Malers, von Jahr zu Jahr immer gespannter wurde, auf Grund
authentischer Quellen zusammengestellt habe. Nur so viel sei hier noch zusätz¬
lich bemerkt, daß auch ein zweites Oelgemälde, welches Cornelius sechzehn Jahre
später für einen andern Berliner Mäcen, den Consul Wagner, malte, „Hagen
versenkt den Nibelungenhort" (jetzt in der Nationalgalerie), ebenfalls nicht dazu
angethan war, eine besonders hohe Meinung von dem technischen Können des
Meisters zu erwecken.

Das Jnteressanteste, was die Aufzeichnungen Lohdes enthalten, bilden die
Aeußerungen des Meisters über alles Technische. Sie gipfeln zunächst in einer
gründlichen Verachtung der Oelmalerei. „Wenn Sie malen, malen Sie um
Himmels Willen nicht auf den Pinsel hin! Der Pinsel ist der Verderb unserer
Kunst geworden, er führte von der Natur ab zum Manierismus. Sehen Sie
die alten Meister an! Sehen Sie da den Pinsel? Nein, die Natur! Wenn
Sie malen, malen Sie nur Ihre Gedanken und die Natur." Als Löste ihm
eines Tages erzählte, daß er anfangs, obwohl er stets auf die Historienmalerei
losgesteuert, viel „gelcmdschaftet" habe, weil es hieße, daß man mit dem Leichtern
beginnen müsse, gab ihm Cornelius zur Antwort: „El was! man packt doch
den Stier bei den Hörnern und nicht beim Schwanz, will man ihn bändigen.
Hat man das Schwerste, kommt das Leichte von selbst. Durch das Studium
des menschliche» Körpers haben Sie das Studium der Form überhaupt; nur
die sei Ihr erstes Streben." Das einseitige dieser Dogmen leuchtet von selbst
ein. Sie sind unschuldig, so lange sie einer als seine Privatansicht äußert, sie
werden aber gefährlich, wenn jemand, der die Macht und das Ansehn dazu be¬
sitzt, sie an entscheidender Stelle durchführen will. Und das hat Cornelius
versucht, als er dem Könige von Baiern Vorschläge zur Reorganisation der
Münchener Kunstakademie machte. „Einen Lehrstuhl der Genre- und Landschafts¬
malerei — so schrieb er im December 1825 an den König — halte ich für
überflüssig. Die wahre Kunst kennt kein abgesondertes Fach; sie umfaßt die
ganze sichtbare Natur. Die Gattungsmalerei ist eine Art von Moos oder
Flechtengewächs am großen Stamme der Kunst." Zur weitern Erläuterung
dieses Satzes mag dienen, was Cornelius zu seinem Schüler Förster äußerte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/46>, abgerufen am 15.05.2024.