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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Die Düsseldorfer Schule.

übertragnen Bilder "Herzog Friedrich von Schwaben bei der Erstürmung von
Ikonium" lieferte er jedoch nur den Entwurf und eine Oelskizze. Die Fresko¬
malerei entsprach seinen Neigungen nicht, und so überließ er die Ausführung
seinem Freunde Hermann Plüddemann, von welchem auch ein drittes Bild, der
"Tod Friedrichs", herrührt. Alle übrigen Gemälde find Arbeiten Mückes, der
auch noch anderwärts als Freskomaler thätig war.

Das Gros der Düsseldorfer huldigte dagegen ausschließlich der Oelmalerei.
deren Ausbildung bald zum Gegenstände des eifrigsten Studiums gemacht wurde.
Den ersten großen Erfolg, dem sich schnell eine Reihe andrer anschloß, errang
die junge Schule auf der Berliner Ausstellung von 1830, wo Lessing mit seinem
"Trauernden Königspaar" und seinem "Kirchhof im Schnee", Theodor Hilde¬
brand mit den: melancholisch vor sich hinbrütenden "Räuber" und "Judith und
Holofernes" und Karl Sohn mit dem "Raube des Hylas" erschienen und die
Berliner Salons und ästhetischen Theezirkel in einen Taumel des Entzückens
versetzten. Obwohl die Berliner Kritik, die anfangs in das allgemeine Ent¬
zücken eingestimmt hatte, später nicht verfehlte, die Düsseldorfer Schwärmer in
allen möglichen Tonarten, oft in derbster Satire und in grotesken Humor,
durch Wort und Bild zu verhöhnen, fo blieb ihnen doch fast zwei Jahrzehnte lang
die Gunst des großen Publicums und namentlich der Mäcene treu. Die Mit¬
glieder des preußischen Königshauses bezeugten durch regelmäßige Ankäufe den
Düsseldorfern ihre Theilnahme, und der Consul Wagner brachte durch jährliche
Erwerbungen jene kostbare Sammlung älterer Düsseldorfer Meister zusammen,
welche den Grundstock der Nationalgalerie bildet. Es ist bekannt, welchen nach¬
haltigen Einfluß sie auf die Berliner Malerei ausgeübt haben, bis ihre Herr¬
schaft durch den belgischen Colorismus gebrochen wurde, dem sie sich dann selbst
nicht entziehen konnten.

In dem engen Kreise, bei der beständigen gemeinschaftlichen Arbeit, bildete
sich freilich in Düsseldorf bald eine gewisse Einseitigkeit, eine ermüdende Ein¬
förmigkeit in der Wahl der Stoffe wie in der coloristischen Vortragsweise aus,
die von der Kritik schnell bemerkt wurde. Auch Immermann, der doch den
romantischen Zug der Schule mit hatte einimpfen helfen, gehörte zu denen, die
mit ihrer Unzufriedenheit nicht zurückhielten. Seine Charakteristik der Schule,
wie sie sich ungefähr in der Mitte der dreißiger Jahre gestaltet hatte, ist so
treffend und so unbefangen, daß sie hier eine Stelle finden mag: "Bei den
Düsseldorfern -- feige er -- vermißt man die geniale Sicherheit, das s. xlomd
der alten Meister, die überzeugende Kraft und Nothwendigkeit der Gestalten.
Es sind Versuche, aber schwankend zwischen der Kühnheit des Individuums,
immer nur sich und sein Personellstes auszudrücken, und der Scheu, Fehler zu


Die Düsseldorfer Schule.

übertragnen Bilder „Herzog Friedrich von Schwaben bei der Erstürmung von
Ikonium" lieferte er jedoch nur den Entwurf und eine Oelskizze. Die Fresko¬
malerei entsprach seinen Neigungen nicht, und so überließ er die Ausführung
seinem Freunde Hermann Plüddemann, von welchem auch ein drittes Bild, der
„Tod Friedrichs", herrührt. Alle übrigen Gemälde find Arbeiten Mückes, der
auch noch anderwärts als Freskomaler thätig war.

Das Gros der Düsseldorfer huldigte dagegen ausschließlich der Oelmalerei.
deren Ausbildung bald zum Gegenstände des eifrigsten Studiums gemacht wurde.
Den ersten großen Erfolg, dem sich schnell eine Reihe andrer anschloß, errang
die junge Schule auf der Berliner Ausstellung von 1830, wo Lessing mit seinem
„Trauernden Königspaar" und seinem „Kirchhof im Schnee", Theodor Hilde¬
brand mit den: melancholisch vor sich hinbrütenden „Räuber" und „Judith und
Holofernes" und Karl Sohn mit dem „Raube des Hylas" erschienen und die
Berliner Salons und ästhetischen Theezirkel in einen Taumel des Entzückens
versetzten. Obwohl die Berliner Kritik, die anfangs in das allgemeine Ent¬
zücken eingestimmt hatte, später nicht verfehlte, die Düsseldorfer Schwärmer in
allen möglichen Tonarten, oft in derbster Satire und in grotesken Humor,
durch Wort und Bild zu verhöhnen, fo blieb ihnen doch fast zwei Jahrzehnte lang
die Gunst des großen Publicums und namentlich der Mäcene treu. Die Mit¬
glieder des preußischen Königshauses bezeugten durch regelmäßige Ankäufe den
Düsseldorfern ihre Theilnahme, und der Consul Wagner brachte durch jährliche
Erwerbungen jene kostbare Sammlung älterer Düsseldorfer Meister zusammen,
welche den Grundstock der Nationalgalerie bildet. Es ist bekannt, welchen nach¬
haltigen Einfluß sie auf die Berliner Malerei ausgeübt haben, bis ihre Herr¬
schaft durch den belgischen Colorismus gebrochen wurde, dem sie sich dann selbst
nicht entziehen konnten.

In dem engen Kreise, bei der beständigen gemeinschaftlichen Arbeit, bildete
sich freilich in Düsseldorf bald eine gewisse Einseitigkeit, eine ermüdende Ein¬
förmigkeit in der Wahl der Stoffe wie in der coloristischen Vortragsweise aus,
die von der Kritik schnell bemerkt wurde. Auch Immermann, der doch den
romantischen Zug der Schule mit hatte einimpfen helfen, gehörte zu denen, die
mit ihrer Unzufriedenheit nicht zurückhielten. Seine Charakteristik der Schule,
wie sie sich ungefähr in der Mitte der dreißiger Jahre gestaltet hatte, ist so
treffend und so unbefangen, daß sie hier eine Stelle finden mag: „Bei den
Düsseldorfern — feige er — vermißt man die geniale Sicherheit, das s. xlomd
der alten Meister, die überzeugende Kraft und Nothwendigkeit der Gestalten.
Es sind Versuche, aber schwankend zwischen der Kühnheit des Individuums,
immer nur sich und sein Personellstes auszudrücken, und der Scheu, Fehler zu


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[0503] Die Düsseldorfer Schule. übertragnen Bilder „Herzog Friedrich von Schwaben bei der Erstürmung von Ikonium" lieferte er jedoch nur den Entwurf und eine Oelskizze. Die Fresko¬ malerei entsprach seinen Neigungen nicht, und so überließ er die Ausführung seinem Freunde Hermann Plüddemann, von welchem auch ein drittes Bild, der „Tod Friedrichs", herrührt. Alle übrigen Gemälde find Arbeiten Mückes, der auch noch anderwärts als Freskomaler thätig war. Das Gros der Düsseldorfer huldigte dagegen ausschließlich der Oelmalerei. deren Ausbildung bald zum Gegenstände des eifrigsten Studiums gemacht wurde. Den ersten großen Erfolg, dem sich schnell eine Reihe andrer anschloß, errang die junge Schule auf der Berliner Ausstellung von 1830, wo Lessing mit seinem „Trauernden Königspaar" und seinem „Kirchhof im Schnee", Theodor Hilde¬ brand mit den: melancholisch vor sich hinbrütenden „Räuber" und „Judith und Holofernes" und Karl Sohn mit dem „Raube des Hylas" erschienen und die Berliner Salons und ästhetischen Theezirkel in einen Taumel des Entzückens versetzten. Obwohl die Berliner Kritik, die anfangs in das allgemeine Ent¬ zücken eingestimmt hatte, später nicht verfehlte, die Düsseldorfer Schwärmer in allen möglichen Tonarten, oft in derbster Satire und in grotesken Humor, durch Wort und Bild zu verhöhnen, fo blieb ihnen doch fast zwei Jahrzehnte lang die Gunst des großen Publicums und namentlich der Mäcene treu. Die Mit¬ glieder des preußischen Königshauses bezeugten durch regelmäßige Ankäufe den Düsseldorfern ihre Theilnahme, und der Consul Wagner brachte durch jährliche Erwerbungen jene kostbare Sammlung älterer Düsseldorfer Meister zusammen, welche den Grundstock der Nationalgalerie bildet. Es ist bekannt, welchen nach¬ haltigen Einfluß sie auf die Berliner Malerei ausgeübt haben, bis ihre Herr¬ schaft durch den belgischen Colorismus gebrochen wurde, dem sie sich dann selbst nicht entziehen konnten. In dem engen Kreise, bei der beständigen gemeinschaftlichen Arbeit, bildete sich freilich in Düsseldorf bald eine gewisse Einseitigkeit, eine ermüdende Ein¬ förmigkeit in der Wahl der Stoffe wie in der coloristischen Vortragsweise aus, die von der Kritik schnell bemerkt wurde. Auch Immermann, der doch den romantischen Zug der Schule mit hatte einimpfen helfen, gehörte zu denen, die mit ihrer Unzufriedenheit nicht zurückhielten. Seine Charakteristik der Schule, wie sie sich ungefähr in der Mitte der dreißiger Jahre gestaltet hatte, ist so treffend und so unbefangen, daß sie hier eine Stelle finden mag: „Bei den Düsseldorfern — feige er — vermißt man die geniale Sicherheit, das s. xlomd der alten Meister, die überzeugende Kraft und Nothwendigkeit der Gestalten. Es sind Versuche, aber schwankend zwischen der Kühnheit des Individuums, immer nur sich und sein Personellstes auszudrücken, und der Scheu, Fehler zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/503>, abgerufen am 15.05.2024.