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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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albanien, welche die Städte Larissa, Trieala, Melzowo und Janina einschloß,
wurde auf ihr am 25. Juni einstimmig angenommen.

So weit stand die Sache für Griechenland günstig. Aber der Beschluß
der Conferenz war kein Richterspruch und noch weniger ein Befehl für die
Türkei, er war nnr eine Erklärung, deren Beachtung der Pforte als nützlich
empfohlen wurde. In Athen war man zwar andrer Meinung und glaubte,
man könne jetzt ohne weiteres zur Besitznahme der betreffenden Landstrecken ver-
fahrenen. Dieser Glaube wurde deu Griechen aber bald benommen. Am 7. Juli
schon wies Freycinet, bewogen dnrch die Decrete der griechischen Regierung über
die Einberufung der Reserven, den Vertreter Frankreichs am Hofe des Königs
Gcvrgivs an, die Minister desselben auf die Gefahren aufmerksam zu machen,
denen sie ihr Land aussetzen würden, wenn sie sich den Anschein gäben, vor
jeder Provocation von türkischer Seite eine aggressive Politik zu verfolge". In
ganz ähnlichem Sinne riethen auch die übrigen Mächte zur Vorsicht und Mäßi¬
gung. Sie erschienen, äußerlich wenigstens, durchaus einig in dem Wunsche
und Bestreben, Gewaltsamkeiten zu verhüten und das europäische Einvernehmen
zu erhalten und zu befestigen. Als von dem Abgänge deutscher Beamten zum
Eintritt in den türkischen Staatsdienst "ut von einer Sendung französischer Offi¬
ziere nach Athen die Rede war, und beides namentlich in England Aussehn und
Bedeuten erregte, erklärte v. Radowitz, der damals den deutschen Botschafter bei
der französischen Republik vertrat, Freycinet, daß Fürst Bismarck alles vermieden
zu sehen wünsche, was "irgendwie zum geringsten Schein eines Mangels an
Einvernehmen zwischen den Mächten bezüglich des einen oder des andern Punktes
ihres gemeinsamen Vorgehens Anlaß geben könnte."

Am 3. Oetober erklärte sich die Pforte zu gewissen Abtretungen bereit.
Dieselben waren aber von so geringer Ausdehnung, daß die Mächte darauf nicht
eingehen konnten.

Als in Frankreich ein andres Ministerium zur Regierung gelangte, änderte
dies die französische Politik in Betreff Griechenlands in keiner Beziehung. Am
13. November richtete der neue Minister des Auswärtigen, BarthÄemy Se. Hi-
laire, eine ausführliche Instruction an Graf Mouy, den Vertreter Frankreichs
in Athen, in welcher er ihn anwies, der griechischen Regierung die gefährlichen
Folgen eines aggressiven Verhaltens gegenüber der Pforte vorzustellen. Griechen¬
land könne, so hieß es dort, weder an dem festen Willen der französischen Re¬
gierung zweifeln, das angefangne Werk fortzusetzen, noch daran denken, dieselbe
über die Grenze hinauszuziehen, in welcher ihre Action sich bis jetzt gehalten
habe, und welche zu überschreite" die öffentliche Meinung ihr nicht gestatten
würde. Es sei vor allein nöthig, daß die griechische Regierung die allgemeine


albanien, welche die Städte Larissa, Trieala, Melzowo und Janina einschloß,
wurde auf ihr am 25. Juni einstimmig angenommen.

So weit stand die Sache für Griechenland günstig. Aber der Beschluß
der Conferenz war kein Richterspruch und noch weniger ein Befehl für die
Türkei, er war nnr eine Erklärung, deren Beachtung der Pforte als nützlich
empfohlen wurde. In Athen war man zwar andrer Meinung und glaubte,
man könne jetzt ohne weiteres zur Besitznahme der betreffenden Landstrecken ver-
fahrenen. Dieser Glaube wurde deu Griechen aber bald benommen. Am 7. Juli
schon wies Freycinet, bewogen dnrch die Decrete der griechischen Regierung über
die Einberufung der Reserven, den Vertreter Frankreichs am Hofe des Königs
Gcvrgivs an, die Minister desselben auf die Gefahren aufmerksam zu machen,
denen sie ihr Land aussetzen würden, wenn sie sich den Anschein gäben, vor
jeder Provocation von türkischer Seite eine aggressive Politik zu verfolge». In
ganz ähnlichem Sinne riethen auch die übrigen Mächte zur Vorsicht und Mäßi¬
gung. Sie erschienen, äußerlich wenigstens, durchaus einig in dem Wunsche
und Bestreben, Gewaltsamkeiten zu verhüten und das europäische Einvernehmen
zu erhalten und zu befestigen. Als von dem Abgänge deutscher Beamten zum
Eintritt in den türkischen Staatsdienst »ut von einer Sendung französischer Offi¬
ziere nach Athen die Rede war, und beides namentlich in England Aussehn und
Bedeuten erregte, erklärte v. Radowitz, der damals den deutschen Botschafter bei
der französischen Republik vertrat, Freycinet, daß Fürst Bismarck alles vermieden
zu sehen wünsche, was „irgendwie zum geringsten Schein eines Mangels an
Einvernehmen zwischen den Mächten bezüglich des einen oder des andern Punktes
ihres gemeinsamen Vorgehens Anlaß geben könnte."

Am 3. Oetober erklärte sich die Pforte zu gewissen Abtretungen bereit.
Dieselben waren aber von so geringer Ausdehnung, daß die Mächte darauf nicht
eingehen konnten.

Als in Frankreich ein andres Ministerium zur Regierung gelangte, änderte
dies die französische Politik in Betreff Griechenlands in keiner Beziehung. Am
13. November richtete der neue Minister des Auswärtigen, BarthÄemy Se. Hi-
laire, eine ausführliche Instruction an Graf Mouy, den Vertreter Frankreichs
in Athen, in welcher er ihn anwies, der griechischen Regierung die gefährlichen
Folgen eines aggressiven Verhaltens gegenüber der Pforte vorzustellen. Griechen¬
land könne, so hieß es dort, weder an dem festen Willen der französischen Re¬
gierung zweifeln, das angefangne Werk fortzusetzen, noch daran denken, dieselbe
über die Grenze hinauszuziehen, in welcher ihre Action sich bis jetzt gehalten
habe, und welche zu überschreite» die öffentliche Meinung ihr nicht gestatten
würde. Es sei vor allein nöthig, daß die griechische Regierung die allgemeine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/553>, abgerufen am 31.05.2024.