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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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wovon dann das Hauptwort rsmM't (Wall) gebildet wurde. Aber so groß
auch die Vortheile einer solchen Anlage waren, sie kam doch nicht eben oft zur
Ausführung; denn sie hatte einen Fehler, der den Nutzen bei weitem zu über¬
bieten schien: der Sturz der gebrochnen Mauer zog unbedingt denjenigen der
Erdmasse nach und machte die Bresche weit zugänglicher, als sie sonst gewesen
wäre. "Wenn die Mauer fiel," sagt Philipp von Cleve, "so habe ich stets den
Wall mit stürzen sehen, und dann konnte man leicht hinaufsteigen." Dieser
Uebelstand war aber zu jener Zeit von noch größerer Bedeutung als später;
denn damals galten gerade die letzten Momente der Vertheidigung für diejenigen,
in denen sich ihre höchste Stärke entfaltete; das mußte aufhören, sobald die
Bresche gangbar wurde. Die Kriegsgclehrten sannen darüber nach, wie dem ab¬
zuhelfen sei. Herzog Philipp schlüge vor, den zur Geschützaufstellung bestimmten
Erdwall nicht an die Mauer zu lehnen, ihn vielmehr mit Balken zu durchziehen,
um ihm möglichst große eigne Standfestigkeit zu verleihen, zwischen ihn und
die Mauer aber einen breiten Graben zu legen, so daß nach dem Mauersturze
sofort eine zweite Enecintc hinter der Bresche stehe. Einen ganz ähnlichen Vor¬
schlag macht Maechiavelli. Er sagt: "Wenn ihr die Gräben, um die Anwendung
der Sturmleitern zu erschweren, vor den Mauern zieht, so vermag ein Feind,
der über bedeutende Streitkräfte gebietet, den Graben unzweifelhaft früher oder
später auszufüllen, und dann ist ihm die Mauer preisgegeben. Ich glaube daher,
unbeschadet einer bessern Meinung, daß man den Graben nicht vor, sondern
hinter die hohe Mauer legen soll. Dies ist die festeste Art der Befestigung,
welche man anwenden kann; denn sie sichert zugleich vor dem Geschütze, wie vor
der Escalade und verbietet dem Feinde, den Graben auszufüllen. Die Mauer
darf nicht weniger als 6 Fuß (3 drs-evich dick sein, um ihre Zerstörung nicht
leicht zu machen; ihre Thürme müssen in Zwischeuräumen von 29V Fuß errichtet
werden. Der innere Graben muß wenigstens 60 Fuß (30 braven) breit und
24 tief sein; alle ausgegrabene Erde wird gegen die Stadt zu aufgeschüttet und
so ein übermannshoher Wall hinter dein Graben errichtet, der durch eine von
der Grabensohle aufsteigende Mauer bekleidet wird____ .Hinter diesem Walle
nun wird das schwere Geschütz (1's.rtMvri ^rosso) aufgestellt; während zur
Vertheidigung der hohen Vormauer und ihrer Thürme nur kleine und mittlere
Kaliber (Ätrs vllo Is luinuw o ins^Wnö) angewendet werden können. Versucht
dann der Feind die Leiterersteigung, so schützt euch die Höhe der ersten Mauer;
rückt er mit seinem Geschütze vor, so hat er zunächst in diese Mauer Bresche zu
legen (Mtors). Geschieht dies, so fallen ihre Trümmer, einem bekannten Ge¬
setze zufolge, vorwärts gegen den Feind zu; da sie aber hier kein Graben auf¬
nimmt, so erhöhen sie nur das Terrain, geben dem hinter ihnen liegenden Graben


Grenzboten I. Is81. 74
Mcicchicwclli c>is militärischer Techniker.

wovon dann das Hauptwort rsmM't (Wall) gebildet wurde. Aber so groß
auch die Vortheile einer solchen Anlage waren, sie kam doch nicht eben oft zur
Ausführung; denn sie hatte einen Fehler, der den Nutzen bei weitem zu über¬
bieten schien: der Sturz der gebrochnen Mauer zog unbedingt denjenigen der
Erdmasse nach und machte die Bresche weit zugänglicher, als sie sonst gewesen
wäre. „Wenn die Mauer fiel," sagt Philipp von Cleve, „so habe ich stets den
Wall mit stürzen sehen, und dann konnte man leicht hinaufsteigen." Dieser
Uebelstand war aber zu jener Zeit von noch größerer Bedeutung als später;
denn damals galten gerade die letzten Momente der Vertheidigung für diejenigen,
in denen sich ihre höchste Stärke entfaltete; das mußte aufhören, sobald die
Bresche gangbar wurde. Die Kriegsgclehrten sannen darüber nach, wie dem ab¬
zuhelfen sei. Herzog Philipp schlüge vor, den zur Geschützaufstellung bestimmten
Erdwall nicht an die Mauer zu lehnen, ihn vielmehr mit Balken zu durchziehen,
um ihm möglichst große eigne Standfestigkeit zu verleihen, zwischen ihn und
die Mauer aber einen breiten Graben zu legen, so daß nach dem Mauersturze
sofort eine zweite Enecintc hinter der Bresche stehe. Einen ganz ähnlichen Vor¬
schlag macht Maechiavelli. Er sagt: „Wenn ihr die Gräben, um die Anwendung
der Sturmleitern zu erschweren, vor den Mauern zieht, so vermag ein Feind,
der über bedeutende Streitkräfte gebietet, den Graben unzweifelhaft früher oder
später auszufüllen, und dann ist ihm die Mauer preisgegeben. Ich glaube daher,
unbeschadet einer bessern Meinung, daß man den Graben nicht vor, sondern
hinter die hohe Mauer legen soll. Dies ist die festeste Art der Befestigung,
welche man anwenden kann; denn sie sichert zugleich vor dem Geschütze, wie vor
der Escalade und verbietet dem Feinde, den Graben auszufüllen. Die Mauer
darf nicht weniger als 6 Fuß (3 drs-evich dick sein, um ihre Zerstörung nicht
leicht zu machen; ihre Thürme müssen in Zwischeuräumen von 29V Fuß errichtet
werden. Der innere Graben muß wenigstens 60 Fuß (30 braven) breit und
24 tief sein; alle ausgegrabene Erde wird gegen die Stadt zu aufgeschüttet und
so ein übermannshoher Wall hinter dein Graben errichtet, der durch eine von
der Grabensohle aufsteigende Mauer bekleidet wird____ .Hinter diesem Walle
nun wird das schwere Geschütz (1's.rtMvri ^rosso) aufgestellt; während zur
Vertheidigung der hohen Vormauer und ihrer Thürme nur kleine und mittlere
Kaliber (Ätrs vllo Is luinuw o ins^Wnö) angewendet werden können. Versucht
dann der Feind die Leiterersteigung, so schützt euch die Höhe der ersten Mauer;
rückt er mit seinem Geschütze vor, so hat er zunächst in diese Mauer Bresche zu
legen (Mtors). Geschieht dies, so fallen ihre Trümmer, einem bekannten Ge¬
setze zufolge, vorwärts gegen den Feind zu; da sie aber hier kein Graben auf¬
nimmt, so erhöhen sie nur das Terrain, geben dem hinter ihnen liegenden Graben


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[0565] Mcicchicwclli c>is militärischer Techniker. wovon dann das Hauptwort rsmM't (Wall) gebildet wurde. Aber so groß auch die Vortheile einer solchen Anlage waren, sie kam doch nicht eben oft zur Ausführung; denn sie hatte einen Fehler, der den Nutzen bei weitem zu über¬ bieten schien: der Sturz der gebrochnen Mauer zog unbedingt denjenigen der Erdmasse nach und machte die Bresche weit zugänglicher, als sie sonst gewesen wäre. „Wenn die Mauer fiel," sagt Philipp von Cleve, „so habe ich stets den Wall mit stürzen sehen, und dann konnte man leicht hinaufsteigen." Dieser Uebelstand war aber zu jener Zeit von noch größerer Bedeutung als später; denn damals galten gerade die letzten Momente der Vertheidigung für diejenigen, in denen sich ihre höchste Stärke entfaltete; das mußte aufhören, sobald die Bresche gangbar wurde. Die Kriegsgclehrten sannen darüber nach, wie dem ab¬ zuhelfen sei. Herzog Philipp schlüge vor, den zur Geschützaufstellung bestimmten Erdwall nicht an die Mauer zu lehnen, ihn vielmehr mit Balken zu durchziehen, um ihm möglichst große eigne Standfestigkeit zu verleihen, zwischen ihn und die Mauer aber einen breiten Graben zu legen, so daß nach dem Mauersturze sofort eine zweite Enecintc hinter der Bresche stehe. Einen ganz ähnlichen Vor¬ schlag macht Maechiavelli. Er sagt: „Wenn ihr die Gräben, um die Anwendung der Sturmleitern zu erschweren, vor den Mauern zieht, so vermag ein Feind, der über bedeutende Streitkräfte gebietet, den Graben unzweifelhaft früher oder später auszufüllen, und dann ist ihm die Mauer preisgegeben. Ich glaube daher, unbeschadet einer bessern Meinung, daß man den Graben nicht vor, sondern hinter die hohe Mauer legen soll. Dies ist die festeste Art der Befestigung, welche man anwenden kann; denn sie sichert zugleich vor dem Geschütze, wie vor der Escalade und verbietet dem Feinde, den Graben auszufüllen. Die Mauer darf nicht weniger als 6 Fuß (3 drs-evich dick sein, um ihre Zerstörung nicht leicht zu machen; ihre Thürme müssen in Zwischeuräumen von 29V Fuß errichtet werden. Der innere Graben muß wenigstens 60 Fuß (30 braven) breit und 24 tief sein; alle ausgegrabene Erde wird gegen die Stadt zu aufgeschüttet und so ein übermannshoher Wall hinter dein Graben errichtet, der durch eine von der Grabensohle aufsteigende Mauer bekleidet wird____ .Hinter diesem Walle nun wird das schwere Geschütz (1's.rtMvri ^rosso) aufgestellt; während zur Vertheidigung der hohen Vormauer und ihrer Thürme nur kleine und mittlere Kaliber (Ätrs vllo Is luinuw o ins^Wnö) angewendet werden können. Versucht dann der Feind die Leiterersteigung, so schützt euch die Höhe der ersten Mauer; rückt er mit seinem Geschütze vor, so hat er zunächst in diese Mauer Bresche zu legen (Mtors). Geschieht dies, so fallen ihre Trümmer, einem bekannten Ge¬ setze zufolge, vorwärts gegen den Feind zu; da sie aber hier kein Graben auf¬ nimmt, so erhöhen sie nur das Terrain, geben dem hinter ihnen liegenden Graben Grenzboten I. Is81. 74

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/565>, abgerufen am 30.05.2024.