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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Sprachliche NcuIiildungl'N.

nimmt, Ist es nicht eben so gut ein Zeichen geringer Bildung, wenn jemand
so wenig fest in seiner Sprache ist, daß alles, was an neumodischen Wörter"
auftaucht, sofort in seinen Wortvorrath hineinsickert, daß er alle jene überflüssigen
Modewörter schleunigst aufschnappt und nachschwätzt?

Ja, um Modewörter handelt sichs; nirgends zeigt sich dabei etwas von
genialer, naturnotlMendiger, triebkräftiger Sprachschöpfung, Ich denke manchmal:
Wenn du, Professor so und so, der du in der Vorrede zu deinem neuesten Opus
so schlankweg vom Fertigstellen oder gar vom Drnckfertigstcllen deines
Manuskriptes redest, verfolgen könntest, welcher einfältige Reportcrjunge dieses
Wort vielleicht zuerst gebraucht hat, das du ihm hier so gefällig nachbrauchst,
du würdest dich sicherlich schämen. Viele der oben angeführten Wörter können
gar nicht von Deutschen gebildet sein. Es ist undenkbar, daß ein deutscher
Schriftsteller, der den Reichthum seiner Muttersprache nur einigermaßen beherrscht,
das Bedürfniß gefühlt haben sollte, den guten, naheliegenden Wörtern aus dem
Wege zu gehen und zu so überflüssigen, schlechten und geschmacklosen Analogie¬
bildungen zu greifen. Ein guter Theil derselben ist -- um es gerade heraus¬
zusagen -- modernes Judendeutsch, aufgebracht von jüdischen Ladeudieucru,
jüdischen Handlungsreisender, jüdischen Zeitungsschreibern, sie erklingen erst in
ihren echten Heimatlauteu, wenn sie -- womöglich begleitet von einer gewissen
Beinstellung und Armhaltung -- durch die Gurgel gesprochen werden. Und dn,
deutscher Kaufmann, deutscher Schriftsteller, deutscher Schulmeister und Professor,
plärrst sie ihnen nach!

Noch einmal: um Modewörter handelt sichs, aufgenommen in die Sprache
der Zeitungen, der Behörden, der öffentlichen Verhandlungen, der Salons, aber
gemieden von allen wirklich vornehmen Schriftstellern. Und das ist noch der
einzige Trost dabei. So lange wir diese Modewörter nicht lesen bei Theodor
Storm, bei Gottfried Keller, bei Paul Heyse, bei Heinrich von Treitschke, bei
Ernst Curtius, bei Anton Springer, so lange sie nicht eindringen in die "Lite¬
ratur" im höhern Sinne, so lange ist Hoffnung, daß sie abWirthschaften und
wieder verschwinden werden. Ein Wort wie selbstredend wird und muß ja
den Leuten über kurz oder lang so ekelhaft werden wie seinerzeit das Cri-cri.

Es ist leider so weit gekommen, daß wir in Deutschland zwei verschiedne
Schriftsprachen haben, das Deutsch einer kleinen Anzahl von Gelehrten und
Schriftstellern, die die Sprache mit Keuschheit und künstlerischem Bewußtsein hand¬
haben, und daneben das Kanzlei- und Zeitungsdeutsch. Des letztern bedienen
sich alle Bekanntmachungen der Behörden, alle Verhandlungen in Kammern,
Vereinen und Versammlungen, zum guten Theil auch die Conversation des Salons.
Deutsch ist ja schließlich beides. Im übrigen aber besteht zwischen der Sprache


Sprachliche NcuIiildungl'N.

nimmt, Ist es nicht eben so gut ein Zeichen geringer Bildung, wenn jemand
so wenig fest in seiner Sprache ist, daß alles, was an neumodischen Wörter»
auftaucht, sofort in seinen Wortvorrath hineinsickert, daß er alle jene überflüssigen
Modewörter schleunigst aufschnappt und nachschwätzt?

Ja, um Modewörter handelt sichs; nirgends zeigt sich dabei etwas von
genialer, naturnotlMendiger, triebkräftiger Sprachschöpfung, Ich denke manchmal:
Wenn du, Professor so und so, der du in der Vorrede zu deinem neuesten Opus
so schlankweg vom Fertigstellen oder gar vom Drnckfertigstcllen deines
Manuskriptes redest, verfolgen könntest, welcher einfältige Reportcrjunge dieses
Wort vielleicht zuerst gebraucht hat, das du ihm hier so gefällig nachbrauchst,
du würdest dich sicherlich schämen. Viele der oben angeführten Wörter können
gar nicht von Deutschen gebildet sein. Es ist undenkbar, daß ein deutscher
Schriftsteller, der den Reichthum seiner Muttersprache nur einigermaßen beherrscht,
das Bedürfniß gefühlt haben sollte, den guten, naheliegenden Wörtern aus dem
Wege zu gehen und zu so überflüssigen, schlechten und geschmacklosen Analogie¬
bildungen zu greifen. Ein guter Theil derselben ist — um es gerade heraus¬
zusagen — modernes Judendeutsch, aufgebracht von jüdischen Ladeudieucru,
jüdischen Handlungsreisender, jüdischen Zeitungsschreibern, sie erklingen erst in
ihren echten Heimatlauteu, wenn sie — womöglich begleitet von einer gewissen
Beinstellung und Armhaltung — durch die Gurgel gesprochen werden. Und dn,
deutscher Kaufmann, deutscher Schriftsteller, deutscher Schulmeister und Professor,
plärrst sie ihnen nach!

Noch einmal: um Modewörter handelt sichs, aufgenommen in die Sprache
der Zeitungen, der Behörden, der öffentlichen Verhandlungen, der Salons, aber
gemieden von allen wirklich vornehmen Schriftstellern. Und das ist noch der
einzige Trost dabei. So lange wir diese Modewörter nicht lesen bei Theodor
Storm, bei Gottfried Keller, bei Paul Heyse, bei Heinrich von Treitschke, bei
Ernst Curtius, bei Anton Springer, so lange sie nicht eindringen in die „Lite¬
ratur" im höhern Sinne, so lange ist Hoffnung, daß sie abWirthschaften und
wieder verschwinden werden. Ein Wort wie selbstredend wird und muß ja
den Leuten über kurz oder lang so ekelhaft werden wie seinerzeit das Cri-cri.

Es ist leider so weit gekommen, daß wir in Deutschland zwei verschiedne
Schriftsprachen haben, das Deutsch einer kleinen Anzahl von Gelehrten und
Schriftstellern, die die Sprache mit Keuschheit und künstlerischem Bewußtsein hand¬
haben, und daneben das Kanzlei- und Zeitungsdeutsch. Des letztern bedienen
sich alle Bekanntmachungen der Behörden, alle Verhandlungen in Kammern,
Vereinen und Versammlungen, zum guten Theil auch die Conversation des Salons.
Deutsch ist ja schließlich beides. Im übrigen aber besteht zwischen der Sprache


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/584>, abgerufen am 15.05.2024.