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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Kriegführung im Mittolalter.

Schwenkungen machen lernten, was doch zu ihrer nutzbaren Verwendung da¬
mals so gut erforderlich war wie heutzutage.

Das niedere Volk wurde nöthigenfalls zum Dienste gezwungen, aber auch
besoldet; denn "gezwungener Dienst ist," wie es in "Dietrichs Flucht" heißt,
"nicht gut," und wenn eine Schlacht beginnen sollte, versprach der Fürst ge¬
wöhnlich nochmals Geld, um seine Leute anzufeuern. Auch die Ritter erhielten
häufig Sold. Viele von ihnen, die jüngere Söhne waren und deshalb nur
geringes Erbe zu erwarten hatten, meldeten sich, sobald Truppen geworben
wurden, weil sie dabei nicht bloß hohen Sold, sondern bei Plünderungen Reich¬
thum und schließlich in dem eroberten Lande ein einträgliches Lehen gewinnen
konnten. Selbst unter den Kreuzfahrern befanden sich, wenn dem Dichter des
"Reinfried" zu glauben ist, nur wenige, die sich dem Zuge aus religiösen Be¬
weggründen anschlössen. Der eine ging aus Abenteuerlust ins heilige Land, der
andere, weil er die Welt sehen wollte, wieder andere trieb Ehrgeiz oder Lange¬
weile oder das Verlangen, Gott zu dienen, dazu an; viele aber zogen mit, "um
der Armseligkeit daheim zu entgehen und Geld und Gut zu erwerben." So
kostete das Kriegführen schon damals viel Geld. Als der Graf von Hennegau
sich an dem fünfwöchentlichen Feldzuge betheiligte, den der Graf von Flandern
im November 1181 gegen den König von Frankreich unternahm, betrugen die
Kosten nach heutigem Geldwerthe 74000 Mark. Hundert Jahre später zahlte
der englische König Heinrich I. jedem seiner Ritter nach jetzigem Gelde 15 Schil¬
linge, der Knappe bekam ebensoviel, der Bogenschütz 2 Schillinge und 6 Pence.

Außerdem stellten sich bei Werbungen auch alte Kriegsknechte ein, die aus
dem Kriegsdienste ihr alleiniges Gewerbe machten und für Lohn jedem folgten,
der sie bezahlen konnte. Derartige Leute werden im ganzen Mittelalter häufig
erwähnt. Dahin gehören die Taffurs, welche am ersten Kreuzzuge theil-
nahmen. Sie paßten nach Guibert von Nogent vorzüglich gut zu verwegnen
Streichen und waren zur Bedienung der Maschinen, zum Fouragiren und zum
Transport von Lasten geeignet. Geld zu besitzen gestattete ihnen ihr "König"
nicht, der sie deshalb bei Brücken und Engpässen visitirte und sie, falls er zwei
solidi bei ihnen fand, aus seiner Truppe ausstieß. Nach dem Romane "Gode-
sried de Bouillon" waren sie von den Sarazenen als Menschenfresser sehr ge¬
fürchtet. Als Waffen trugen sie Streitäxte, Hellebarden, Keulen und Messer,
oft aber auch bloß Holzspieße, deren Spitze am Jener gehärtet war. Weß
Geistes Kinder sie waren, ersteht man daraus, daß sie, nachdem ihr König vor
Damaskus gefallen, sich einen neuen wählten, der sich in den Wirthshäusern
besondern Ruhm erworben hatte.

Als Ludwig VII. von Frankreich ans seinem Kreuzzuge abwesend war, bil¬
deten sich große Räuberbanden, welche das Land plündernd und mordend durch-


Kriegführung im Mittolalter.

Schwenkungen machen lernten, was doch zu ihrer nutzbaren Verwendung da¬
mals so gut erforderlich war wie heutzutage.

Das niedere Volk wurde nöthigenfalls zum Dienste gezwungen, aber auch
besoldet; denn „gezwungener Dienst ist," wie es in „Dietrichs Flucht" heißt,
„nicht gut," und wenn eine Schlacht beginnen sollte, versprach der Fürst ge¬
wöhnlich nochmals Geld, um seine Leute anzufeuern. Auch die Ritter erhielten
häufig Sold. Viele von ihnen, die jüngere Söhne waren und deshalb nur
geringes Erbe zu erwarten hatten, meldeten sich, sobald Truppen geworben
wurden, weil sie dabei nicht bloß hohen Sold, sondern bei Plünderungen Reich¬
thum und schließlich in dem eroberten Lande ein einträgliches Lehen gewinnen
konnten. Selbst unter den Kreuzfahrern befanden sich, wenn dem Dichter des
„Reinfried" zu glauben ist, nur wenige, die sich dem Zuge aus religiösen Be¬
weggründen anschlössen. Der eine ging aus Abenteuerlust ins heilige Land, der
andere, weil er die Welt sehen wollte, wieder andere trieb Ehrgeiz oder Lange¬
weile oder das Verlangen, Gott zu dienen, dazu an; viele aber zogen mit, „um
der Armseligkeit daheim zu entgehen und Geld und Gut zu erwerben." So
kostete das Kriegführen schon damals viel Geld. Als der Graf von Hennegau
sich an dem fünfwöchentlichen Feldzuge betheiligte, den der Graf von Flandern
im November 1181 gegen den König von Frankreich unternahm, betrugen die
Kosten nach heutigem Geldwerthe 74000 Mark. Hundert Jahre später zahlte
der englische König Heinrich I. jedem seiner Ritter nach jetzigem Gelde 15 Schil¬
linge, der Knappe bekam ebensoviel, der Bogenschütz 2 Schillinge und 6 Pence.

Außerdem stellten sich bei Werbungen auch alte Kriegsknechte ein, die aus
dem Kriegsdienste ihr alleiniges Gewerbe machten und für Lohn jedem folgten,
der sie bezahlen konnte. Derartige Leute werden im ganzen Mittelalter häufig
erwähnt. Dahin gehören die Taffurs, welche am ersten Kreuzzuge theil-
nahmen. Sie paßten nach Guibert von Nogent vorzüglich gut zu verwegnen
Streichen und waren zur Bedienung der Maschinen, zum Fouragiren und zum
Transport von Lasten geeignet. Geld zu besitzen gestattete ihnen ihr „König"
nicht, der sie deshalb bei Brücken und Engpässen visitirte und sie, falls er zwei
solidi bei ihnen fand, aus seiner Truppe ausstieß. Nach dem Romane „Gode-
sried de Bouillon" waren sie von den Sarazenen als Menschenfresser sehr ge¬
fürchtet. Als Waffen trugen sie Streitäxte, Hellebarden, Keulen und Messer,
oft aber auch bloß Holzspieße, deren Spitze am Jener gehärtet war. Weß
Geistes Kinder sie waren, ersteht man daraus, daß sie, nachdem ihr König vor
Damaskus gefallen, sich einen neuen wählten, der sich in den Wirthshäusern
besondern Ruhm erworben hatte.

Als Ludwig VII. von Frankreich ans seinem Kreuzzuge abwesend war, bil¬
deten sich große Räuberbanden, welche das Land plündernd und mordend durch-


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[0092] Kriegführung im Mittolalter. Schwenkungen machen lernten, was doch zu ihrer nutzbaren Verwendung da¬ mals so gut erforderlich war wie heutzutage. Das niedere Volk wurde nöthigenfalls zum Dienste gezwungen, aber auch besoldet; denn „gezwungener Dienst ist," wie es in „Dietrichs Flucht" heißt, „nicht gut," und wenn eine Schlacht beginnen sollte, versprach der Fürst ge¬ wöhnlich nochmals Geld, um seine Leute anzufeuern. Auch die Ritter erhielten häufig Sold. Viele von ihnen, die jüngere Söhne waren und deshalb nur geringes Erbe zu erwarten hatten, meldeten sich, sobald Truppen geworben wurden, weil sie dabei nicht bloß hohen Sold, sondern bei Plünderungen Reich¬ thum und schließlich in dem eroberten Lande ein einträgliches Lehen gewinnen konnten. Selbst unter den Kreuzfahrern befanden sich, wenn dem Dichter des „Reinfried" zu glauben ist, nur wenige, die sich dem Zuge aus religiösen Be¬ weggründen anschlössen. Der eine ging aus Abenteuerlust ins heilige Land, der andere, weil er die Welt sehen wollte, wieder andere trieb Ehrgeiz oder Lange¬ weile oder das Verlangen, Gott zu dienen, dazu an; viele aber zogen mit, „um der Armseligkeit daheim zu entgehen und Geld und Gut zu erwerben." So kostete das Kriegführen schon damals viel Geld. Als der Graf von Hennegau sich an dem fünfwöchentlichen Feldzuge betheiligte, den der Graf von Flandern im November 1181 gegen den König von Frankreich unternahm, betrugen die Kosten nach heutigem Geldwerthe 74000 Mark. Hundert Jahre später zahlte der englische König Heinrich I. jedem seiner Ritter nach jetzigem Gelde 15 Schil¬ linge, der Knappe bekam ebensoviel, der Bogenschütz 2 Schillinge und 6 Pence. Außerdem stellten sich bei Werbungen auch alte Kriegsknechte ein, die aus dem Kriegsdienste ihr alleiniges Gewerbe machten und für Lohn jedem folgten, der sie bezahlen konnte. Derartige Leute werden im ganzen Mittelalter häufig erwähnt. Dahin gehören die Taffurs, welche am ersten Kreuzzuge theil- nahmen. Sie paßten nach Guibert von Nogent vorzüglich gut zu verwegnen Streichen und waren zur Bedienung der Maschinen, zum Fouragiren und zum Transport von Lasten geeignet. Geld zu besitzen gestattete ihnen ihr „König" nicht, der sie deshalb bei Brücken und Engpässen visitirte und sie, falls er zwei solidi bei ihnen fand, aus seiner Truppe ausstieß. Nach dem Romane „Gode- sried de Bouillon" waren sie von den Sarazenen als Menschenfresser sehr ge¬ fürchtet. Als Waffen trugen sie Streitäxte, Hellebarden, Keulen und Messer, oft aber auch bloß Holzspieße, deren Spitze am Jener gehärtet war. Weß Geistes Kinder sie waren, ersteht man daraus, daß sie, nachdem ihr König vor Damaskus gefallen, sich einen neuen wählten, der sich in den Wirthshäusern besondern Ruhm erworben hatte. Als Ludwig VII. von Frankreich ans seinem Kreuzzuge abwesend war, bil¬ deten sich große Räuberbanden, welche das Land plündernd und mordend durch-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/92>, abgerufen am 29.05.2024.