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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Die Düsseldorfer Schule.

deutung, wie die Einsegnung eines Fischerbootes durch einen Geistlichen. Die bunten,
fliegenden Gewänder im hellsten Sonnenlicht geben dann gewöhnlich die höchsten
Töne der Farbenseala ein, denen sich die vollem und tiefern Accorde unterordnen.

Mit besondrer Vorliebe schildert er die Wirkungen des Sonnenlichtes auf
den aufwirbelnden Staub oder das Durchdringen des Sonnenlichtes durch das
Blätterdach staubiger Alleen und durch die Zwischenräume, welche die Bäume offen¬
lassen. Wie flüssiges Gold schwimmt überall das glitzernde Licht auf Bäumen und
Blättern, auf der Erde, auf den Menschen und in der Luft herum. Ein solches
Motiv unter Abendbeleuchtung behandelt die "Villa Torlonia bei Frascati" in der
Berliner Nationalgalerie. Oswald Achenbachs historische Bedeutung liegt darin,
daß er als der erste die Licht- und Luftphünomene des Südens für die Kunst nutz¬
bar gemacht hat, an denen die Italiener selbst, welche auch heute das Poetische ihres
Landes noch nicht recht herausgefühlt haben, mit merkwürdiger Gleichgiltigkeit
vorübergegangen sind. Er, der Bahnbrecher, ist bis jetzt noch von keinem seiner
Rivalen übertroffen worden, und selbst im Auslande findet er seines gleichen nicht.

Von Beginn der sechziger Jahre bis 1372 stand der Künstler, jedoch mit
Unterbrechungen, der LandschaftSklasse der Akademie vor. In dieser Stellung
vertrat ihn während der letzten Zeit sein Studiengenosse Albert Flaum, welcher
zugleich mit ihm unter Andreas' Leitung in dessen Atelier gearbeitet und gelernt
hatte. Geboren 1323 zu Köln, widmete er sich in den Jahren 1836--1838
auf der Düsseldorfer Akademie dem Baufach, dann nach einem Studienaufenthalte
in Belgien während der Jahre 1840 und 1841 der Malerei. Der beständige
Verkehr, die gemeinschaftliche Arbeit und später auch die gemeinsamen Reisen
mit Oswald Ueberhand bewirkten, daß er, der nicht in gleichem Maße begabte,
dem starken Einfluß des jüngern Genossen sich willig hingab, und daß sich bald
zwischen ihnen eine Uebereinstimmung bildete, die sich vornehmlich auf die äußern
Factoren, die Behandlung der Architektur, der Staffage und der Lufttöne, erstreckt.
Im Bewußtsein von dem Umfange seiner Kraft versteigt sich Flaum nicht zu
glänzenden Effcetstücken, sondern er sucht mit Vorliebe schlichte Motive, für welche
sein Können völlig ausreicht. Die Campagna zur Frühlings- und Sommers¬
zeit mit ihren ausgedörrten Grasflüchen und riesigen, unter den Hufen der Cam¬
pagnapferde und -Büffel aufgewirbelten Staubwolken, durch welche die Strahlen
der Sonne mühsam hindurchdringen, ist ihm ein geläufiges Terrain. Langsamer
und sorgsamer arbeitend als die beiden Ueberhand ist er ihnen nicht selten in
der feinen Durchführung der Einzelformen überlegen.




Die Düsseldorfer Schule.

deutung, wie die Einsegnung eines Fischerbootes durch einen Geistlichen. Die bunten,
fliegenden Gewänder im hellsten Sonnenlicht geben dann gewöhnlich die höchsten
Töne der Farbenseala ein, denen sich die vollem und tiefern Accorde unterordnen.

Mit besondrer Vorliebe schildert er die Wirkungen des Sonnenlichtes auf
den aufwirbelnden Staub oder das Durchdringen des Sonnenlichtes durch das
Blätterdach staubiger Alleen und durch die Zwischenräume, welche die Bäume offen¬
lassen. Wie flüssiges Gold schwimmt überall das glitzernde Licht auf Bäumen und
Blättern, auf der Erde, auf den Menschen und in der Luft herum. Ein solches
Motiv unter Abendbeleuchtung behandelt die „Villa Torlonia bei Frascati" in der
Berliner Nationalgalerie. Oswald Achenbachs historische Bedeutung liegt darin,
daß er als der erste die Licht- und Luftphünomene des Südens für die Kunst nutz¬
bar gemacht hat, an denen die Italiener selbst, welche auch heute das Poetische ihres
Landes noch nicht recht herausgefühlt haben, mit merkwürdiger Gleichgiltigkeit
vorübergegangen sind. Er, der Bahnbrecher, ist bis jetzt noch von keinem seiner
Rivalen übertroffen worden, und selbst im Auslande findet er seines gleichen nicht.

Von Beginn der sechziger Jahre bis 1372 stand der Künstler, jedoch mit
Unterbrechungen, der LandschaftSklasse der Akademie vor. In dieser Stellung
vertrat ihn während der letzten Zeit sein Studiengenosse Albert Flaum, welcher
zugleich mit ihm unter Andreas' Leitung in dessen Atelier gearbeitet und gelernt
hatte. Geboren 1323 zu Köln, widmete er sich in den Jahren 1836—1838
auf der Düsseldorfer Akademie dem Baufach, dann nach einem Studienaufenthalte
in Belgien während der Jahre 1840 und 1841 der Malerei. Der beständige
Verkehr, die gemeinschaftliche Arbeit und später auch die gemeinsamen Reisen
mit Oswald Ueberhand bewirkten, daß er, der nicht in gleichem Maße begabte,
dem starken Einfluß des jüngern Genossen sich willig hingab, und daß sich bald
zwischen ihnen eine Uebereinstimmung bildete, die sich vornehmlich auf die äußern
Factoren, die Behandlung der Architektur, der Staffage und der Lufttöne, erstreckt.
Im Bewußtsein von dem Umfange seiner Kraft versteigt sich Flaum nicht zu
glänzenden Effcetstücken, sondern er sucht mit Vorliebe schlichte Motive, für welche
sein Können völlig ausreicht. Die Campagna zur Frühlings- und Sommers¬
zeit mit ihren ausgedörrten Grasflüchen und riesigen, unter den Hufen der Cam¬
pagnapferde und -Büffel aufgewirbelten Staubwolken, durch welche die Strahlen
der Sonne mühsam hindurchdringen, ist ihm ein geläufiges Terrain. Langsamer
und sorgsamer arbeitend als die beiden Ueberhand ist er ihnen nicht selten in
der feinen Durchführung der Einzelformen überlegen.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/340>, abgerufen am 19.05.2024.