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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Das Südxolargebiet.

steigen, die er nach seinen Schiffen taufte, und einen bis 100 Meter hohen Eis¬
wall, der über großen Seetiefen schwebte, sich an die Küste lehnen und gewisser¬
maßen den magnetische!? Südpol dem suchenden Blick verschließen. Zwei Mal
überschritt er den 78. Grad südlicher Breite und erreichte mit 78° 9' 30" die
höchste aller bis dahin erreichten südlichen Breiten. Hier glaubte er Berge zu
sehen, aber vertraut mit den Täuschungen, denen das Auge in diesen Gegenden
unterworfen ist, unterließ er es sie in seine Karten einzutragen.

Roß' Reise bezeichnet das zweite Stadium in der Entwicklung unsrer Kenntniß
der südlichst erreichten Erdgebiete, und seine Beobachtungen über Magnetismus,
Meerestemperaturen und -Tiefen, Luftdruck und -Temperatur und dergleichen bilden
die Grundlage unsrer heutigen Kenntniß, die wegen der damals mangelhaften
Instrumente, hauptsächlich was die Meeresverhältnisse anlangt, dringend einer
Nachmessung bedürfen. Was seitdem für die Erforschung des Südpvlargebiets
geleistet worden ist, kann als eine wesentliche Forderung der Sache nicht bezeichnet
werden und läßt sich mit wenig Worten kennzeichnen. Weder Moore 1845 noch
Rares auf dem LümllsnMr drangen über 69 Grad südlicher Breite vor; Dall-
mcmn mit dem deutschen Schiffe "Grönland" vervollständigte nur Biseoes Ent¬
deckung auf Grcchams Land, indem er constatirte, daß an Stelle des von Biseoe
vermutheten zusammenhängenden Landes ein gegen 60 Seemeilen ausgebreiteter
Archipel sich vorfindet, die "Kaiser Wilhelm-Inseln."

Den dritten Abschnitt der Entdeckungsgeschichte in den Südpolargebieten
will die oben erwähnte italienische antarktische Expedition eröffnen. Die
auf 600 000 Lire berechneten Kosten hofft man durch eine Nationalsnbscription
aufzubringen, und den Aufbruch hat man auf den Mai dieses Jahres, das Ende
der Expedition auf 1884 festgesetzt. Von Feuerland aus, aus dem ein Depot
an Bedarfsgegenständen aller Art errichtet und von der italienischen Colonie in
Montevideo ans ergänzt werden soll, will die Expedition das Grahcun-Land
besuchen, von da nach Alcxandcrland steuern, das vermuthete Südpolarland um¬
segeln und überhaupt das mögliche und erreichbare ausführen.

Italien tritt damit in die Reihe derjenigen Staaten, welche die Wissen¬
schaft und den allgemeinen Fortschritt der Menschheit wirklich fördern, und es
ist nur zu wünschen, daß dies erste Nationalmiternehmen des geeinigten Italiens
ihm selbst und der Erdkunde reiche Früchte tragen möge.




Grenzboten II. 1831.48
Das Südxolargebiet.

steigen, die er nach seinen Schiffen taufte, und einen bis 100 Meter hohen Eis¬
wall, der über großen Seetiefen schwebte, sich an die Küste lehnen und gewisser¬
maßen den magnetische!? Südpol dem suchenden Blick verschließen. Zwei Mal
überschritt er den 78. Grad südlicher Breite und erreichte mit 78° 9' 30" die
höchste aller bis dahin erreichten südlichen Breiten. Hier glaubte er Berge zu
sehen, aber vertraut mit den Täuschungen, denen das Auge in diesen Gegenden
unterworfen ist, unterließ er es sie in seine Karten einzutragen.

Roß' Reise bezeichnet das zweite Stadium in der Entwicklung unsrer Kenntniß
der südlichst erreichten Erdgebiete, und seine Beobachtungen über Magnetismus,
Meerestemperaturen und -Tiefen, Luftdruck und -Temperatur und dergleichen bilden
die Grundlage unsrer heutigen Kenntniß, die wegen der damals mangelhaften
Instrumente, hauptsächlich was die Meeresverhältnisse anlangt, dringend einer
Nachmessung bedürfen. Was seitdem für die Erforschung des Südpvlargebiets
geleistet worden ist, kann als eine wesentliche Forderung der Sache nicht bezeichnet
werden und läßt sich mit wenig Worten kennzeichnen. Weder Moore 1845 noch
Rares auf dem LümllsnMr drangen über 69 Grad südlicher Breite vor; Dall-
mcmn mit dem deutschen Schiffe „Grönland" vervollständigte nur Biseoes Ent¬
deckung auf Grcchams Land, indem er constatirte, daß an Stelle des von Biseoe
vermutheten zusammenhängenden Landes ein gegen 60 Seemeilen ausgebreiteter
Archipel sich vorfindet, die „Kaiser Wilhelm-Inseln."

Den dritten Abschnitt der Entdeckungsgeschichte in den Südpolargebieten
will die oben erwähnte italienische antarktische Expedition eröffnen. Die
auf 600 000 Lire berechneten Kosten hofft man durch eine Nationalsnbscription
aufzubringen, und den Aufbruch hat man auf den Mai dieses Jahres, das Ende
der Expedition auf 1884 festgesetzt. Von Feuerland aus, aus dem ein Depot
an Bedarfsgegenständen aller Art errichtet und von der italienischen Colonie in
Montevideo ans ergänzt werden soll, will die Expedition das Grahcun-Land
besuchen, von da nach Alcxandcrland steuern, das vermuthete Südpolarland um¬
segeln und überhaupt das mögliche und erreichbare ausführen.

Italien tritt damit in die Reihe derjenigen Staaten, welche die Wissen¬
schaft und den allgemeinen Fortschritt der Menschheit wirklich fördern, und es
ist nur zu wünschen, daß dies erste Nationalmiternehmen des geeinigten Italiens
ihm selbst und der Erdkunde reiche Früchte tragen möge.




Grenzboten II. 1831.48
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[0381] Das Südxolargebiet. steigen, die er nach seinen Schiffen taufte, und einen bis 100 Meter hohen Eis¬ wall, der über großen Seetiefen schwebte, sich an die Küste lehnen und gewisser¬ maßen den magnetische!? Südpol dem suchenden Blick verschließen. Zwei Mal überschritt er den 78. Grad südlicher Breite und erreichte mit 78° 9' 30" die höchste aller bis dahin erreichten südlichen Breiten. Hier glaubte er Berge zu sehen, aber vertraut mit den Täuschungen, denen das Auge in diesen Gegenden unterworfen ist, unterließ er es sie in seine Karten einzutragen. Roß' Reise bezeichnet das zweite Stadium in der Entwicklung unsrer Kenntniß der südlichst erreichten Erdgebiete, und seine Beobachtungen über Magnetismus, Meerestemperaturen und -Tiefen, Luftdruck und -Temperatur und dergleichen bilden die Grundlage unsrer heutigen Kenntniß, die wegen der damals mangelhaften Instrumente, hauptsächlich was die Meeresverhältnisse anlangt, dringend einer Nachmessung bedürfen. Was seitdem für die Erforschung des Südpvlargebiets geleistet worden ist, kann als eine wesentliche Forderung der Sache nicht bezeichnet werden und läßt sich mit wenig Worten kennzeichnen. Weder Moore 1845 noch Rares auf dem LümllsnMr drangen über 69 Grad südlicher Breite vor; Dall- mcmn mit dem deutschen Schiffe „Grönland" vervollständigte nur Biseoes Ent¬ deckung auf Grcchams Land, indem er constatirte, daß an Stelle des von Biseoe vermutheten zusammenhängenden Landes ein gegen 60 Seemeilen ausgebreiteter Archipel sich vorfindet, die „Kaiser Wilhelm-Inseln." Den dritten Abschnitt der Entdeckungsgeschichte in den Südpolargebieten will die oben erwähnte italienische antarktische Expedition eröffnen. Die auf 600 000 Lire berechneten Kosten hofft man durch eine Nationalsnbscription aufzubringen, und den Aufbruch hat man auf den Mai dieses Jahres, das Ende der Expedition auf 1884 festgesetzt. Von Feuerland aus, aus dem ein Depot an Bedarfsgegenständen aller Art errichtet und von der italienischen Colonie in Montevideo ans ergänzt werden soll, will die Expedition das Grahcun-Land besuchen, von da nach Alcxandcrland steuern, das vermuthete Südpolarland um¬ segeln und überhaupt das mögliche und erreichbare ausführen. Italien tritt damit in die Reihe derjenigen Staaten, welche die Wissen¬ schaft und den allgemeinen Fortschritt der Menschheit wirklich fördern, und es ist nur zu wünschen, daß dies erste Nationalmiternehmen des geeinigten Italiens ihm selbst und der Erdkunde reiche Früchte tragen möge. Grenzboten II. 1831.48

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/381>, abgerufen am 19.05.2024.