Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Universitätsferien.

können sich nicht von dem einfachen logische", Schluß lossagen, daß eine vier¬
jährige Studienzeit, die fast zur Hälfte aus Ferien besteht, bei angemessener
Verkürzung der letztem sich zu einem akademischen Triennium, vielleicht sogar
zu einem Biennium abkürzen lasse" müsse. Sie sind außer Stande zu begreifen,
daß ein quantitatives Studium nicht durch ein qualitatives ersetzt werden könne,
daß der Begabte, Fleißige, Strebsame genau so viel Jahre warten müsse, ehe
man ihn zum Examen überhaupt nur zuläßt, als der Nichtsthuer, der auch die
Semester zu den Ferien rechnet und für den selbst eine sechsjährige Studienzeit
zu wenig sein würde.

So stehen die Anschauungen der Lehrenden und der Lernenden einander
gegenüber. Nicht daß von seiten der Docenten die Einwände gegen die Ferien¬
dauer absolut für unbegründet erklärt würden; sie werden nur für nicht stark
genug erachtet, um ein altes Herkommen umzustoßen. Der Universitätsprofessor
ist in dieser Beziehung sehr conservativ. Und die Cultusministerien? Sie hören
das Für und das Wider, fordern Gutachten, beklagen die Mißstände, und --
alles bleibt beim alten.

Und doch wäre ein Ausgleich, der beide Theile befriedigte, nicht schwer.
Wir kommen später aus denselben zurück. Zunächst kommt es uns darauf an,
die Behauptung der Zweckmäßigkeit der jetzigen langen Ferien zu widerlegen.

Wenn der Universitätslehrer erklärt, Forschungen und größere wissenschaft¬
liche Arbeiten seien ohne längere völlige Muße nicht möglich, so wird dies
niemand in Abrede stellen, ebensowenig wie den Satz, daß der Docent neben
seinen, Lehrberufe auch soviel als möglich für Fortbildung seiner Wissenschaft
zu wirken verpflichtet sei. Allein in erster Linie steht doch immer der Lehr¬
beruf, die Heranbildung der Studirenden, die Verpflichtung, letztere so zweck¬
dienlich als möglich für ihren Beruf vorzubereiten, ihnen Zeitverluste zu ersparen
und dadurch das Studium weniger kostspielig zu machen. Für diese Seite
ihrer Stellung werden die Universitätsprofessoren vom Staate besoldet, die
Weiterbildung der Wissenschaft liegt ihnen erst in zweiter Linie ob. Wer in
letzterer seine Hauptaufgabe erblickt, möge als Privatgelehrter mit ungetheilten
Kräften sich der Forschung widmen und seiner Neigung für schriftstellerische
Thätigkeit keinen Zwang anthun. Für den Universitätslehrer halten wir da¬
gegen die heutzutage nur gar zu üblich gewordene journalistische Nebenbeschäf¬
tigung für nicht ersprießlich, da sie weder sonderlich die Wissenschaft fördert,
noch für die Lehrthätigkeit von Nutzen ist. Wir sind gegenwärtig so weit ge¬
kommen, daß -- von Fachjournalen gar nicht zu reden -- wir keine Revue
und fast keine belletristische Zeitschrift aufschlagen können, in der nicht eine An¬
zahl der Aufsätze von Universitätsprofessoren herrührte. Hieraus geht doch
hervor, daß die Lehrkräfte der Universitäten hinreichende Zeit zu einträglichen
Nebenbeschäftigungen haben müssen, daß also der Bedarf an Ferienmuße für
sie kein allzu dringender sein kann. Aber auch außerhalb der Studirstube finden


Universitätsferien.

können sich nicht von dem einfachen logische«, Schluß lossagen, daß eine vier¬
jährige Studienzeit, die fast zur Hälfte aus Ferien besteht, bei angemessener
Verkürzung der letztem sich zu einem akademischen Triennium, vielleicht sogar
zu einem Biennium abkürzen lasse» müsse. Sie sind außer Stande zu begreifen,
daß ein quantitatives Studium nicht durch ein qualitatives ersetzt werden könne,
daß der Begabte, Fleißige, Strebsame genau so viel Jahre warten müsse, ehe
man ihn zum Examen überhaupt nur zuläßt, als der Nichtsthuer, der auch die
Semester zu den Ferien rechnet und für den selbst eine sechsjährige Studienzeit
zu wenig sein würde.

So stehen die Anschauungen der Lehrenden und der Lernenden einander
gegenüber. Nicht daß von seiten der Docenten die Einwände gegen die Ferien¬
dauer absolut für unbegründet erklärt würden; sie werden nur für nicht stark
genug erachtet, um ein altes Herkommen umzustoßen. Der Universitätsprofessor
ist in dieser Beziehung sehr conservativ. Und die Cultusministerien? Sie hören
das Für und das Wider, fordern Gutachten, beklagen die Mißstände, und —
alles bleibt beim alten.

Und doch wäre ein Ausgleich, der beide Theile befriedigte, nicht schwer.
Wir kommen später aus denselben zurück. Zunächst kommt es uns darauf an,
die Behauptung der Zweckmäßigkeit der jetzigen langen Ferien zu widerlegen.

Wenn der Universitätslehrer erklärt, Forschungen und größere wissenschaft¬
liche Arbeiten seien ohne längere völlige Muße nicht möglich, so wird dies
niemand in Abrede stellen, ebensowenig wie den Satz, daß der Docent neben
seinen, Lehrberufe auch soviel als möglich für Fortbildung seiner Wissenschaft
zu wirken verpflichtet sei. Allein in erster Linie steht doch immer der Lehr¬
beruf, die Heranbildung der Studirenden, die Verpflichtung, letztere so zweck¬
dienlich als möglich für ihren Beruf vorzubereiten, ihnen Zeitverluste zu ersparen
und dadurch das Studium weniger kostspielig zu machen. Für diese Seite
ihrer Stellung werden die Universitätsprofessoren vom Staate besoldet, die
Weiterbildung der Wissenschaft liegt ihnen erst in zweiter Linie ob. Wer in
letzterer seine Hauptaufgabe erblickt, möge als Privatgelehrter mit ungetheilten
Kräften sich der Forschung widmen und seiner Neigung für schriftstellerische
Thätigkeit keinen Zwang anthun. Für den Universitätslehrer halten wir da¬
gegen die heutzutage nur gar zu üblich gewordene journalistische Nebenbeschäf¬
tigung für nicht ersprießlich, da sie weder sonderlich die Wissenschaft fördert,
noch für die Lehrthätigkeit von Nutzen ist. Wir sind gegenwärtig so weit ge¬
kommen, daß — von Fachjournalen gar nicht zu reden — wir keine Revue
und fast keine belletristische Zeitschrift aufschlagen können, in der nicht eine An¬
zahl der Aufsätze von Universitätsprofessoren herrührte. Hieraus geht doch
hervor, daß die Lehrkräfte der Universitäten hinreichende Zeit zu einträglichen
Nebenbeschäftigungen haben müssen, daß also der Bedarf an Ferienmuße für
sie kein allzu dringender sein kann. Aber auch außerhalb der Studirstube finden


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0126" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150848"/>
          <fw type="header" place="top"> Universitätsferien.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_384" prev="#ID_383"> können sich nicht von dem einfachen logische«, Schluß lossagen, daß eine vier¬<lb/>
jährige Studienzeit, die fast zur Hälfte aus Ferien besteht, bei angemessener<lb/>
Verkürzung der letztem sich zu einem akademischen Triennium, vielleicht sogar<lb/>
zu einem Biennium abkürzen lasse» müsse. Sie sind außer Stande zu begreifen,<lb/>
daß ein quantitatives Studium nicht durch ein qualitatives ersetzt werden könne,<lb/>
daß der Begabte, Fleißige, Strebsame genau so viel Jahre warten müsse, ehe<lb/>
man ihn zum Examen überhaupt nur zuläßt, als der Nichtsthuer, der auch die<lb/>
Semester zu den Ferien rechnet und für den selbst eine sechsjährige Studienzeit<lb/>
zu wenig sein würde.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_385"> So stehen die Anschauungen der Lehrenden und der Lernenden einander<lb/>
gegenüber. Nicht daß von seiten der Docenten die Einwände gegen die Ferien¬<lb/>
dauer absolut für unbegründet erklärt würden; sie werden nur für nicht stark<lb/>
genug erachtet, um ein altes Herkommen umzustoßen. Der Universitätsprofessor<lb/>
ist in dieser Beziehung sehr conservativ. Und die Cultusministerien? Sie hören<lb/>
das Für und das Wider, fordern Gutachten, beklagen die Mißstände, und &#x2014;<lb/>
alles bleibt beim alten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_386"> Und doch wäre ein Ausgleich, der beide Theile befriedigte, nicht schwer.<lb/>
Wir kommen später aus denselben zurück. Zunächst kommt es uns darauf an,<lb/>
die Behauptung der Zweckmäßigkeit der jetzigen langen Ferien zu widerlegen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_387" next="#ID_388"> Wenn der Universitätslehrer erklärt, Forschungen und größere wissenschaft¬<lb/>
liche Arbeiten seien ohne längere völlige Muße nicht möglich, so wird dies<lb/>
niemand in Abrede stellen, ebensowenig wie den Satz, daß der Docent neben<lb/>
seinen, Lehrberufe auch soviel als möglich für Fortbildung seiner Wissenschaft<lb/>
zu wirken verpflichtet sei. Allein in erster Linie steht doch immer der Lehr¬<lb/>
beruf, die Heranbildung der Studirenden, die Verpflichtung, letztere so zweck¬<lb/>
dienlich als möglich für ihren Beruf vorzubereiten, ihnen Zeitverluste zu ersparen<lb/>
und dadurch das Studium weniger kostspielig zu machen. Für diese Seite<lb/>
ihrer Stellung werden die Universitätsprofessoren vom Staate besoldet, die<lb/>
Weiterbildung der Wissenschaft liegt ihnen erst in zweiter Linie ob. Wer in<lb/>
letzterer seine Hauptaufgabe erblickt, möge als Privatgelehrter mit ungetheilten<lb/>
Kräften sich der Forschung widmen und seiner Neigung für schriftstellerische<lb/>
Thätigkeit keinen Zwang anthun. Für den Universitätslehrer halten wir da¬<lb/>
gegen die heutzutage nur gar zu üblich gewordene journalistische Nebenbeschäf¬<lb/>
tigung für nicht ersprießlich, da sie weder sonderlich die Wissenschaft fördert,<lb/>
noch für die Lehrthätigkeit von Nutzen ist. Wir sind gegenwärtig so weit ge¬<lb/>
kommen, daß &#x2014; von Fachjournalen gar nicht zu reden &#x2014; wir keine Revue<lb/>
und fast keine belletristische Zeitschrift aufschlagen können, in der nicht eine An¬<lb/>
zahl der Aufsätze von Universitätsprofessoren herrührte. Hieraus geht doch<lb/>
hervor, daß die Lehrkräfte der Universitäten hinreichende Zeit zu einträglichen<lb/>
Nebenbeschäftigungen haben müssen, daß also der Bedarf an Ferienmuße für<lb/>
sie kein allzu dringender sein kann. Aber auch außerhalb der Studirstube finden</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0126] Universitätsferien. können sich nicht von dem einfachen logische«, Schluß lossagen, daß eine vier¬ jährige Studienzeit, die fast zur Hälfte aus Ferien besteht, bei angemessener Verkürzung der letztem sich zu einem akademischen Triennium, vielleicht sogar zu einem Biennium abkürzen lasse» müsse. Sie sind außer Stande zu begreifen, daß ein quantitatives Studium nicht durch ein qualitatives ersetzt werden könne, daß der Begabte, Fleißige, Strebsame genau so viel Jahre warten müsse, ehe man ihn zum Examen überhaupt nur zuläßt, als der Nichtsthuer, der auch die Semester zu den Ferien rechnet und für den selbst eine sechsjährige Studienzeit zu wenig sein würde. So stehen die Anschauungen der Lehrenden und der Lernenden einander gegenüber. Nicht daß von seiten der Docenten die Einwände gegen die Ferien¬ dauer absolut für unbegründet erklärt würden; sie werden nur für nicht stark genug erachtet, um ein altes Herkommen umzustoßen. Der Universitätsprofessor ist in dieser Beziehung sehr conservativ. Und die Cultusministerien? Sie hören das Für und das Wider, fordern Gutachten, beklagen die Mißstände, und — alles bleibt beim alten. Und doch wäre ein Ausgleich, der beide Theile befriedigte, nicht schwer. Wir kommen später aus denselben zurück. Zunächst kommt es uns darauf an, die Behauptung der Zweckmäßigkeit der jetzigen langen Ferien zu widerlegen. Wenn der Universitätslehrer erklärt, Forschungen und größere wissenschaft¬ liche Arbeiten seien ohne längere völlige Muße nicht möglich, so wird dies niemand in Abrede stellen, ebensowenig wie den Satz, daß der Docent neben seinen, Lehrberufe auch soviel als möglich für Fortbildung seiner Wissenschaft zu wirken verpflichtet sei. Allein in erster Linie steht doch immer der Lehr¬ beruf, die Heranbildung der Studirenden, die Verpflichtung, letztere so zweck¬ dienlich als möglich für ihren Beruf vorzubereiten, ihnen Zeitverluste zu ersparen und dadurch das Studium weniger kostspielig zu machen. Für diese Seite ihrer Stellung werden die Universitätsprofessoren vom Staate besoldet, die Weiterbildung der Wissenschaft liegt ihnen erst in zweiter Linie ob. Wer in letzterer seine Hauptaufgabe erblickt, möge als Privatgelehrter mit ungetheilten Kräften sich der Forschung widmen und seiner Neigung für schriftstellerische Thätigkeit keinen Zwang anthun. Für den Universitätslehrer halten wir da¬ gegen die heutzutage nur gar zu üblich gewordene journalistische Nebenbeschäf¬ tigung für nicht ersprießlich, da sie weder sonderlich die Wissenschaft fördert, noch für die Lehrthätigkeit von Nutzen ist. Wir sind gegenwärtig so weit ge¬ kommen, daß — von Fachjournalen gar nicht zu reden — wir keine Revue und fast keine belletristische Zeitschrift aufschlagen können, in der nicht eine An¬ zahl der Aufsätze von Universitätsprofessoren herrührte. Hieraus geht doch hervor, daß die Lehrkräfte der Universitäten hinreichende Zeit zu einträglichen Nebenbeschäftigungen haben müssen, daß also der Bedarf an Ferienmuße für sie kein allzu dringender sein kann. Aber auch außerhalb der Studirstube finden

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/126
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/126>, abgerufen am 15.05.2024.