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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Der Porträtmaler unsrer Llassiker.

Wenn er Lust habe, nach Augsburg zurückkehren, da seine hauptsächlichsten Gegner
gestorben wären. So machte er sich denn wieder nach Augsburg auf, wo er
von nun an, einige Unterbrechungen abgerechnet, bis zum Jahre 1766 blieb.

Seine Erlebnisse während dieser sieben Jahre sind bald erzählt. Es fehlte
ihm nicht an Arbeit; "kurze, lange, dicke und dünne Patrizier, Senatoren,
Pastores, Weiber und Töchter -- alles wollte sich von ihm malen lassen."
Dabei wurde, theils in Augsburg selbst, theils auf Reisen, die er unternahm,
manche ehrenvolle und folgenreiche Bekanntschaft geknüpft. Gleich nach seiner
Rückkehr nach Augsburg lernte er den jungen Bause aus Halle kennen, den nach¬
mals so berühmt gewordenen Kupferstecher, der eben nach Augsburg gekommen
war, um dort den Grabstichel führen zu lernen. Die neue Bekanntschaft bil¬
dete den Anfang einer lebenslänglichen Freundschaft. Im Jahre 176L reiste
er mit Haid zusammen nach München, um die Bilder des Schlosses und der
Galerie zu Schleißheim zu bewundern und den großen Desmarses zu sehen,
der als kurfürstlicher Hofmaler dort lebte. Von dem gewaltigen Eindruck, den
die Schleißheimer Sammlung auf ihn machte, die erste Gemäldegalerie, die er
überhaupt sah und die ihm zugleich Gelegenheit bot, das größte in seinem Fache
mit dem, was er selbst leistete, zu vergleichen, hat er noch lauge nachher mit Be¬
wunderung gesprochen. Gern erinnerte er sich später auch noch an die erste Be¬
gegnung mit seinem Landsmann, dem Aesthetiker Johann Georg Sulzer. "Im
Jahre 1764 im März," erzählt er selbst, "besuchte mich der Professor Sulzer
aus Berlin auf seiner Rückreise aus der Schweiz. Mit ihm reisten vier junge
Leute, die alle berühmt wurden, nämlich Lavater, Heß, Füßli und Jtzeler aus
Schaffhausen. Während ihres kurzen Aufenthalts in Augsburg hatte ich das
Vergnügen, mit ihnen umzugehen und ihnen die Merkwürdigkeiten der Stadt
SU zeigen. Sulzer lud mich ein, nach Berlin zu kommen. Damals fiel mirs
nicht ein, einst sein Schwiegersohn zu werden." Vom August 1764 bis zum
Februar 1765 weilte er in Regensburg, wo eine Menge von Aufträgen seiner
wartete. Zu Ende des Jahres 1765 reiste er nach der Schweiz, malte zunächst
w seiner Vaterstadt einige Bilder und ging dann nach Zürich, wo er in dem
Kreise Salomon Geßners, um den sich alle Männer von Geist, Geschmack und
Kenntnissen versammelten, Aufnahme fand und glückliche Tage verlebte. Graff
wohnte hier bei Geßner und verblieb seitdem auch mit diesem in lebensläng¬
licher Freundschaft.

Ein wichtiger Wendepunkt in Graffs Leben trat ein, bald nachdem er von
Zürich nach Augsburg zurückgekehrt war: er erhielt einen Ruf als Lehrer für
das Porträtfach an die kurz zuvor, 1764, begründete Dresdener Kunstakademie,
an deren Spitze Christian Ludwig von Hagedorn stand, der jüngere Bruder des
Lyrikers, der Verfasser der bekannten "Betrachtungen über die Malerei." An
der Dresdener Akademie wurde in vier Fächern unterrichtet, in der Baukunst,
der Bildhauerei, der Kupferstechkunst und der Malerei. Während aber die Lehr-


Grmzbotm IV. 1881. 2"
Der Porträtmaler unsrer Llassiker.

Wenn er Lust habe, nach Augsburg zurückkehren, da seine hauptsächlichsten Gegner
gestorben wären. So machte er sich denn wieder nach Augsburg auf, wo er
von nun an, einige Unterbrechungen abgerechnet, bis zum Jahre 1766 blieb.

Seine Erlebnisse während dieser sieben Jahre sind bald erzählt. Es fehlte
ihm nicht an Arbeit; „kurze, lange, dicke und dünne Patrizier, Senatoren,
Pastores, Weiber und Töchter — alles wollte sich von ihm malen lassen."
Dabei wurde, theils in Augsburg selbst, theils auf Reisen, die er unternahm,
manche ehrenvolle und folgenreiche Bekanntschaft geknüpft. Gleich nach seiner
Rückkehr nach Augsburg lernte er den jungen Bause aus Halle kennen, den nach¬
mals so berühmt gewordenen Kupferstecher, der eben nach Augsburg gekommen
war, um dort den Grabstichel führen zu lernen. Die neue Bekanntschaft bil¬
dete den Anfang einer lebenslänglichen Freundschaft. Im Jahre 176L reiste
er mit Haid zusammen nach München, um die Bilder des Schlosses und der
Galerie zu Schleißheim zu bewundern und den großen Desmarses zu sehen,
der als kurfürstlicher Hofmaler dort lebte. Von dem gewaltigen Eindruck, den
die Schleißheimer Sammlung auf ihn machte, die erste Gemäldegalerie, die er
überhaupt sah und die ihm zugleich Gelegenheit bot, das größte in seinem Fache
mit dem, was er selbst leistete, zu vergleichen, hat er noch lauge nachher mit Be¬
wunderung gesprochen. Gern erinnerte er sich später auch noch an die erste Be¬
gegnung mit seinem Landsmann, dem Aesthetiker Johann Georg Sulzer. „Im
Jahre 1764 im März," erzählt er selbst, „besuchte mich der Professor Sulzer
aus Berlin auf seiner Rückreise aus der Schweiz. Mit ihm reisten vier junge
Leute, die alle berühmt wurden, nämlich Lavater, Heß, Füßli und Jtzeler aus
Schaffhausen. Während ihres kurzen Aufenthalts in Augsburg hatte ich das
Vergnügen, mit ihnen umzugehen und ihnen die Merkwürdigkeiten der Stadt
SU zeigen. Sulzer lud mich ein, nach Berlin zu kommen. Damals fiel mirs
nicht ein, einst sein Schwiegersohn zu werden." Vom August 1764 bis zum
Februar 1765 weilte er in Regensburg, wo eine Menge von Aufträgen seiner
wartete. Zu Ende des Jahres 1765 reiste er nach der Schweiz, malte zunächst
w seiner Vaterstadt einige Bilder und ging dann nach Zürich, wo er in dem
Kreise Salomon Geßners, um den sich alle Männer von Geist, Geschmack und
Kenntnissen versammelten, Aufnahme fand und glückliche Tage verlebte. Graff
wohnte hier bei Geßner und verblieb seitdem auch mit diesem in lebensläng¬
licher Freundschaft.

Ein wichtiger Wendepunkt in Graffs Leben trat ein, bald nachdem er von
Zürich nach Augsburg zurückgekehrt war: er erhielt einen Ruf als Lehrer für
das Porträtfach an die kurz zuvor, 1764, begründete Dresdener Kunstakademie,
an deren Spitze Christian Ludwig von Hagedorn stand, der jüngere Bruder des
Lyrikers, der Verfasser der bekannten „Betrachtungen über die Malerei." An
der Dresdener Akademie wurde in vier Fächern unterrichtet, in der Baukunst,
der Bildhauerei, der Kupferstechkunst und der Malerei. Während aber die Lehr-


Grmzbotm IV. 1881. 2»
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[0159] Der Porträtmaler unsrer Llassiker. Wenn er Lust habe, nach Augsburg zurückkehren, da seine hauptsächlichsten Gegner gestorben wären. So machte er sich denn wieder nach Augsburg auf, wo er von nun an, einige Unterbrechungen abgerechnet, bis zum Jahre 1766 blieb. Seine Erlebnisse während dieser sieben Jahre sind bald erzählt. Es fehlte ihm nicht an Arbeit; „kurze, lange, dicke und dünne Patrizier, Senatoren, Pastores, Weiber und Töchter — alles wollte sich von ihm malen lassen." Dabei wurde, theils in Augsburg selbst, theils auf Reisen, die er unternahm, manche ehrenvolle und folgenreiche Bekanntschaft geknüpft. Gleich nach seiner Rückkehr nach Augsburg lernte er den jungen Bause aus Halle kennen, den nach¬ mals so berühmt gewordenen Kupferstecher, der eben nach Augsburg gekommen war, um dort den Grabstichel führen zu lernen. Die neue Bekanntschaft bil¬ dete den Anfang einer lebenslänglichen Freundschaft. Im Jahre 176L reiste er mit Haid zusammen nach München, um die Bilder des Schlosses und der Galerie zu Schleißheim zu bewundern und den großen Desmarses zu sehen, der als kurfürstlicher Hofmaler dort lebte. Von dem gewaltigen Eindruck, den die Schleißheimer Sammlung auf ihn machte, die erste Gemäldegalerie, die er überhaupt sah und die ihm zugleich Gelegenheit bot, das größte in seinem Fache mit dem, was er selbst leistete, zu vergleichen, hat er noch lauge nachher mit Be¬ wunderung gesprochen. Gern erinnerte er sich später auch noch an die erste Be¬ gegnung mit seinem Landsmann, dem Aesthetiker Johann Georg Sulzer. „Im Jahre 1764 im März," erzählt er selbst, „besuchte mich der Professor Sulzer aus Berlin auf seiner Rückreise aus der Schweiz. Mit ihm reisten vier junge Leute, die alle berühmt wurden, nämlich Lavater, Heß, Füßli und Jtzeler aus Schaffhausen. Während ihres kurzen Aufenthalts in Augsburg hatte ich das Vergnügen, mit ihnen umzugehen und ihnen die Merkwürdigkeiten der Stadt SU zeigen. Sulzer lud mich ein, nach Berlin zu kommen. Damals fiel mirs nicht ein, einst sein Schwiegersohn zu werden." Vom August 1764 bis zum Februar 1765 weilte er in Regensburg, wo eine Menge von Aufträgen seiner wartete. Zu Ende des Jahres 1765 reiste er nach der Schweiz, malte zunächst w seiner Vaterstadt einige Bilder und ging dann nach Zürich, wo er in dem Kreise Salomon Geßners, um den sich alle Männer von Geist, Geschmack und Kenntnissen versammelten, Aufnahme fand und glückliche Tage verlebte. Graff wohnte hier bei Geßner und verblieb seitdem auch mit diesem in lebensläng¬ licher Freundschaft. Ein wichtiger Wendepunkt in Graffs Leben trat ein, bald nachdem er von Zürich nach Augsburg zurückgekehrt war: er erhielt einen Ruf als Lehrer für das Porträtfach an die kurz zuvor, 1764, begründete Dresdener Kunstakademie, an deren Spitze Christian Ludwig von Hagedorn stand, der jüngere Bruder des Lyrikers, der Verfasser der bekannten „Betrachtungen über die Malerei." An der Dresdener Akademie wurde in vier Fächern unterrichtet, in der Baukunst, der Bildhauerei, der Kupferstechkunst und der Malerei. Während aber die Lehr- Grmzbotm IV. 1881. 2»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/159>, abgerufen am 29.05.2024.