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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Deutsche j)alastinafahrten.

Haar haben, desto mehr lieben sie es zu schmücken; man findet selten eine, die ihr Haar
natürlich schön und lang habe, sie tragen viel gemachte und todte Haare, das machen
sie schon gelb und kraus und binden es ans dem Kopf zu Häuf, wie man in
deutschen Landen einem Pferde den Schwanz aufbindet; und das krause Haar
lassen sie über die Ohren hängen, wie die Männer anzusehen. Vorne sind die
Haar schöne, hintenzu ist ihr Haar am Nacken kohlschwarz; auch über dem
Kopfe tragen sie über dem Haar hübsche seidene Tücher von allerlei Farbe,
schwarze, gelbe, weiße; die stecken sie dann über die Gürtel und ziehen sie über
die Köpfe; sie erscheinen, wenn man sie ansiehet, wie allhier in Deutschland die
Nonnen. Auch mag ich sagen, daß ich wahrhaftig an Weibern keine schänd¬
lichere Kleidung gesehen habe, so ausgeschnitten, daß man hinten bis auf den
halben Rücken hinab, desgleichen vorn bis unter die Brust sehen kann, worüber
sie auf das allersubtilste, als sie uur immer finden können, Tüchlein tragen.
Darum, so ehrlich die Männer in ihrer Kleidung einhergehen, so schändlich
sind dagegen die Weiber, Sie tragen dazu auch hölzerne Schuhe, die mau
in etliche" Landen Zocket nennt; etliche sind eine, etliche zwei Spannen, daß sie
nicht darauf gehen können. Sie sind mit Sammet oder Scharlachtuch über¬
zogen, wie es ihnen gefällig ist. Jede hat ihre Magd, an der sie sich halten
und gehen; denn es wäre sonst nicht möglich, daß sie darauf gehen könnten;
und wer die höchsten Schuhe hat, dünkt sich am besten. Auch sind sie an ihren
Händen wohlgezieret mit köstlichen Ringen und Edelsteinen, so köstlich sie es nur
immer haben können. Was sie sonst für viele gute Kurzweil habe", will ich in
der Feder lassen, denn es ist nicht alles zu schreiben. Auch ist es ihre Gewohn¬
heit, daß sie sich überall anstreichen und ihr Angesicht malen, was doch wider
die weisliche Natur ist. Doch sind sie sehr lieblich, wovon nicht weiter schreiben
und sagen will.

Manche Reisenden benutzten gern die Gelegenheit, ihre Kenntnisse plan¬
mäßig zu bereichern. Unter ihnen ragt der durch seinen Schloßbau berühmt
gewordene Ottheinrich, Pfalzgraf beim Rhein, am meisten hervor. Er, aus dessen
1621 unternommener Pilgerfahrt uns bis jetzt nur eine sagenhafte Episode
durch Victor v. Scheffels berühmtes "Enderle von Ketsch" geläufig ist, hat diese
seine Pilgerfahrt selbst beschrieben und giebt besonders schätzenswerthe Winke
über die innere Organisation der Johanniter auf Rhodus. Vor seiner Abfahrt
weilte er sehr lange in Venedig, bekam manches zu sehen, was Pilger sonst
wenig interessirte. Eines Tages fuhr er nach Muranv, um die Fabrikation
venetianischer Gläser kennen zu lernen. Ein andermal begab er sich nach Treviso,
um sich einen Wasserbau anzusehen, "den man auch im Reich nicht findet." Auf
der Rückfahrt nach Venedig sah er zum erstenmale ein todtes Krokodil, dessen Maße
er mit peinlicher Genauigkeit angiebt. Zwei Tage später besucht er das Arsenal
und den Hafen von Venedig; er bewundert Harnische, Büchsen und Galeeren,
macht sich auch Notizen über das vorhandene Material.


Deutsche j)alastinafahrten.

Haar haben, desto mehr lieben sie es zu schmücken; man findet selten eine, die ihr Haar
natürlich schön und lang habe, sie tragen viel gemachte und todte Haare, das machen
sie schon gelb und kraus und binden es ans dem Kopf zu Häuf, wie man in
deutschen Landen einem Pferde den Schwanz aufbindet; und das krause Haar
lassen sie über die Ohren hängen, wie die Männer anzusehen. Vorne sind die
Haar schöne, hintenzu ist ihr Haar am Nacken kohlschwarz; auch über dem
Kopfe tragen sie über dem Haar hübsche seidene Tücher von allerlei Farbe,
schwarze, gelbe, weiße; die stecken sie dann über die Gürtel und ziehen sie über
die Köpfe; sie erscheinen, wenn man sie ansiehet, wie allhier in Deutschland die
Nonnen. Auch mag ich sagen, daß ich wahrhaftig an Weibern keine schänd¬
lichere Kleidung gesehen habe, so ausgeschnitten, daß man hinten bis auf den
halben Rücken hinab, desgleichen vorn bis unter die Brust sehen kann, worüber
sie auf das allersubtilste, als sie uur immer finden können, Tüchlein tragen.
Darum, so ehrlich die Männer in ihrer Kleidung einhergehen, so schändlich
sind dagegen die Weiber, Sie tragen dazu auch hölzerne Schuhe, die mau
in etliche» Landen Zocket nennt; etliche sind eine, etliche zwei Spannen, daß sie
nicht darauf gehen können. Sie sind mit Sammet oder Scharlachtuch über¬
zogen, wie es ihnen gefällig ist. Jede hat ihre Magd, an der sie sich halten
und gehen; denn es wäre sonst nicht möglich, daß sie darauf gehen könnten;
und wer die höchsten Schuhe hat, dünkt sich am besten. Auch sind sie an ihren
Händen wohlgezieret mit köstlichen Ringen und Edelsteinen, so köstlich sie es nur
immer haben können. Was sie sonst für viele gute Kurzweil habe», will ich in
der Feder lassen, denn es ist nicht alles zu schreiben. Auch ist es ihre Gewohn¬
heit, daß sie sich überall anstreichen und ihr Angesicht malen, was doch wider
die weisliche Natur ist. Doch sind sie sehr lieblich, wovon nicht weiter schreiben
und sagen will.

Manche Reisenden benutzten gern die Gelegenheit, ihre Kenntnisse plan¬
mäßig zu bereichern. Unter ihnen ragt der durch seinen Schloßbau berühmt
gewordene Ottheinrich, Pfalzgraf beim Rhein, am meisten hervor. Er, aus dessen
1621 unternommener Pilgerfahrt uns bis jetzt nur eine sagenhafte Episode
durch Victor v. Scheffels berühmtes „Enderle von Ketsch" geläufig ist, hat diese
seine Pilgerfahrt selbst beschrieben und giebt besonders schätzenswerthe Winke
über die innere Organisation der Johanniter auf Rhodus. Vor seiner Abfahrt
weilte er sehr lange in Venedig, bekam manches zu sehen, was Pilger sonst
wenig interessirte. Eines Tages fuhr er nach Muranv, um die Fabrikation
venetianischer Gläser kennen zu lernen. Ein andermal begab er sich nach Treviso,
um sich einen Wasserbau anzusehen, „den man auch im Reich nicht findet." Auf
der Rückfahrt nach Venedig sah er zum erstenmale ein todtes Krokodil, dessen Maße
er mit peinlicher Genauigkeit angiebt. Zwei Tage später besucht er das Arsenal
und den Hafen von Venedig; er bewundert Harnische, Büchsen und Galeeren,
macht sich auch Notizen über das vorhandene Material.


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[0249] Deutsche j)alastinafahrten. Haar haben, desto mehr lieben sie es zu schmücken; man findet selten eine, die ihr Haar natürlich schön und lang habe, sie tragen viel gemachte und todte Haare, das machen sie schon gelb und kraus und binden es ans dem Kopf zu Häuf, wie man in deutschen Landen einem Pferde den Schwanz aufbindet; und das krause Haar lassen sie über die Ohren hängen, wie die Männer anzusehen. Vorne sind die Haar schöne, hintenzu ist ihr Haar am Nacken kohlschwarz; auch über dem Kopfe tragen sie über dem Haar hübsche seidene Tücher von allerlei Farbe, schwarze, gelbe, weiße; die stecken sie dann über die Gürtel und ziehen sie über die Köpfe; sie erscheinen, wenn man sie ansiehet, wie allhier in Deutschland die Nonnen. Auch mag ich sagen, daß ich wahrhaftig an Weibern keine schänd¬ lichere Kleidung gesehen habe, so ausgeschnitten, daß man hinten bis auf den halben Rücken hinab, desgleichen vorn bis unter die Brust sehen kann, worüber sie auf das allersubtilste, als sie uur immer finden können, Tüchlein tragen. Darum, so ehrlich die Männer in ihrer Kleidung einhergehen, so schändlich sind dagegen die Weiber, Sie tragen dazu auch hölzerne Schuhe, die mau in etliche» Landen Zocket nennt; etliche sind eine, etliche zwei Spannen, daß sie nicht darauf gehen können. Sie sind mit Sammet oder Scharlachtuch über¬ zogen, wie es ihnen gefällig ist. Jede hat ihre Magd, an der sie sich halten und gehen; denn es wäre sonst nicht möglich, daß sie darauf gehen könnten; und wer die höchsten Schuhe hat, dünkt sich am besten. Auch sind sie an ihren Händen wohlgezieret mit köstlichen Ringen und Edelsteinen, so köstlich sie es nur immer haben können. Was sie sonst für viele gute Kurzweil habe», will ich in der Feder lassen, denn es ist nicht alles zu schreiben. Auch ist es ihre Gewohn¬ heit, daß sie sich überall anstreichen und ihr Angesicht malen, was doch wider die weisliche Natur ist. Doch sind sie sehr lieblich, wovon nicht weiter schreiben und sagen will. Manche Reisenden benutzten gern die Gelegenheit, ihre Kenntnisse plan¬ mäßig zu bereichern. Unter ihnen ragt der durch seinen Schloßbau berühmt gewordene Ottheinrich, Pfalzgraf beim Rhein, am meisten hervor. Er, aus dessen 1621 unternommener Pilgerfahrt uns bis jetzt nur eine sagenhafte Episode durch Victor v. Scheffels berühmtes „Enderle von Ketsch" geläufig ist, hat diese seine Pilgerfahrt selbst beschrieben und giebt besonders schätzenswerthe Winke über die innere Organisation der Johanniter auf Rhodus. Vor seiner Abfahrt weilte er sehr lange in Venedig, bekam manches zu sehen, was Pilger sonst wenig interessirte. Eines Tages fuhr er nach Muranv, um die Fabrikation venetianischer Gläser kennen zu lernen. Ein andermal begab er sich nach Treviso, um sich einen Wasserbau anzusehen, „den man auch im Reich nicht findet." Auf der Rückfahrt nach Venedig sah er zum erstenmale ein todtes Krokodil, dessen Maße er mit peinlicher Genauigkeit angiebt. Zwei Tage später besucht er das Arsenal und den Hafen von Venedig; er bewundert Harnische, Büchsen und Galeeren, macht sich auch Notizen über das vorhandene Material.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/249>, abgerufen am 14.05.2024.