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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Literatur

und Wirkens, sondern -- in Grimms vornehmer und geistreicher Art -- eine
schillernde Kette von Aphorismen zu ihrer Charakteristik und vor allem eine Psycho¬
logische Erklärung des von ihr bei der Abfassung des vorliegenden Buches ein¬
geschlagenen Verfahrens bietet. Der "Briefwechsel mit einem Kinde" hat seiner
Zeit in der Goetheforschung viel Unheil angerichtet. Es ist natürlich nicht zu be¬
fürchten, daß die Verbreitung, die das Buch durch den Neudruck jetzt möglicherweise
in einer ganz andern Generation finden wird, in der Goetheliteratur eine Art neuer
Bettinaperiode heraufführen werde. Freilich, so gewiß wie man der merkwürdigen
Frau großes Unrecht gethan hat, wenn man sie eine "Fälscherin" nannte, ebenso
gewiß ist auch das andre, daß ihr Buch nur mit der äußersten Vorsicht und mit
eiuer Kritik zu benutzen ist, wie sie nur der wissenschaftlich geschulte Forscher im
vollen Umfange zu üben imstande ist. Aber die Zeiten sind ja doch vorbei, wo
jeder beliebige Journalist meinte, über Goethe schreiben zu können. Aber nicht
sowohl um der Wissenden willen, sondern wegen der großen Anzahl derer, die
vielleicht nun aufs neue-das Buch arglos lesen und genießen werden, wäre es
wünschenswert!) gewesen, wenn Grimm von seiner gewöhnlichen Art einmal abge¬
gangen wäre und in der Einleitung eine recht plane, nüchterne und correcte Ge¬
schichte von Goethes Verhältniß zu Bettina gegeben und eine wenigstens sum¬
marische Auseinandersetzung zwischen Wahrheit und Dichtung innerhalb ihres Buches
vorgenommen hätte. Wir verlangen heute mit Recht vor jedem Dichtungswerke
ans früherer Zeit derartige Einleitungen, um wie viel mehr vor einem Werke, das
fernerstehenden so leicht zu irrigen Vorstellungen Veranlassung geben kann! Daß
der Genuß eines Kunstwerkes durch die genaue Kenntniß seiner Entstehung eher
gesteigert als getrübt wird, darüber besteht wohl kein Zweifel mehr.

Wie der Herausgeber übrigens im Vorworte mittheilt, soll das Honorar, das
ihm für die Besorgung dieser neuen Ausgabe zugefallen ist, zur Hälfte den: Ber¬
liner Goethemonument zu gute kommen (das Buch erfüllt so nach langen Jahren
noch den Zweck, dem es ursprünglich, freilich mit wesentlich anderen Plane, gewidmet
war), die andere Hälfte soll den Anfang eines Fonds bilden, "aus dem vielleicht
einmal zum Andenken an Achin von Armin etwas unternommen werden kann."






Für die Redaction verantwortlich! Johannes Grunow in Leipzig,
Verlag von F. L. Hcrbig in Leipzig. -- Druck vou Carl Marquart in Reudnitz-Leipzig.
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und Wirkens, sondern — in Grimms vornehmer und geistreicher Art — eine
schillernde Kette von Aphorismen zu ihrer Charakteristik und vor allem eine Psycho¬
logische Erklärung des von ihr bei der Abfassung des vorliegenden Buches ein¬
geschlagenen Verfahrens bietet. Der „Briefwechsel mit einem Kinde" hat seiner
Zeit in der Goetheforschung viel Unheil angerichtet. Es ist natürlich nicht zu be¬
fürchten, daß die Verbreitung, die das Buch durch den Neudruck jetzt möglicherweise
in einer ganz andern Generation finden wird, in der Goetheliteratur eine Art neuer
Bettinaperiode heraufführen werde. Freilich, so gewiß wie man der merkwürdigen
Frau großes Unrecht gethan hat, wenn man sie eine „Fälscherin" nannte, ebenso
gewiß ist auch das andre, daß ihr Buch nur mit der äußersten Vorsicht und mit
eiuer Kritik zu benutzen ist, wie sie nur der wissenschaftlich geschulte Forscher im
vollen Umfange zu üben imstande ist. Aber die Zeiten sind ja doch vorbei, wo
jeder beliebige Journalist meinte, über Goethe schreiben zu können. Aber nicht
sowohl um der Wissenden willen, sondern wegen der großen Anzahl derer, die
vielleicht nun aufs neue-das Buch arglos lesen und genießen werden, wäre es
wünschenswert!) gewesen, wenn Grimm von seiner gewöhnlichen Art einmal abge¬
gangen wäre und in der Einleitung eine recht plane, nüchterne und correcte Ge¬
schichte von Goethes Verhältniß zu Bettina gegeben und eine wenigstens sum¬
marische Auseinandersetzung zwischen Wahrheit und Dichtung innerhalb ihres Buches
vorgenommen hätte. Wir verlangen heute mit Recht vor jedem Dichtungswerke
ans früherer Zeit derartige Einleitungen, um wie viel mehr vor einem Werke, das
fernerstehenden so leicht zu irrigen Vorstellungen Veranlassung geben kann! Daß
der Genuß eines Kunstwerkes durch die genaue Kenntniß seiner Entstehung eher
gesteigert als getrübt wird, darüber besteht wohl kein Zweifel mehr.

Wie der Herausgeber übrigens im Vorworte mittheilt, soll das Honorar, das
ihm für die Besorgung dieser neuen Ausgabe zugefallen ist, zur Hälfte den: Ber¬
liner Goethemonument zu gute kommen (das Buch erfüllt so nach langen Jahren
noch den Zweck, dem es ursprünglich, freilich mit wesentlich anderen Plane, gewidmet
war), die andere Hälfte soll den Anfang eines Fonds bilden, „aus dem vielleicht
einmal zum Andenken an Achin von Armin etwas unternommen werden kann."






Für die Redaction verantwortlich! Johannes Grunow in Leipzig,
Verlag von F. L. Hcrbig in Leipzig. — Druck vou Carl Marquart in Reudnitz-Leipzig.
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[0306] Literatur und Wirkens, sondern — in Grimms vornehmer und geistreicher Art — eine schillernde Kette von Aphorismen zu ihrer Charakteristik und vor allem eine Psycho¬ logische Erklärung des von ihr bei der Abfassung des vorliegenden Buches ein¬ geschlagenen Verfahrens bietet. Der „Briefwechsel mit einem Kinde" hat seiner Zeit in der Goetheforschung viel Unheil angerichtet. Es ist natürlich nicht zu be¬ fürchten, daß die Verbreitung, die das Buch durch den Neudruck jetzt möglicherweise in einer ganz andern Generation finden wird, in der Goetheliteratur eine Art neuer Bettinaperiode heraufführen werde. Freilich, so gewiß wie man der merkwürdigen Frau großes Unrecht gethan hat, wenn man sie eine „Fälscherin" nannte, ebenso gewiß ist auch das andre, daß ihr Buch nur mit der äußersten Vorsicht und mit eiuer Kritik zu benutzen ist, wie sie nur der wissenschaftlich geschulte Forscher im vollen Umfange zu üben imstande ist. Aber die Zeiten sind ja doch vorbei, wo jeder beliebige Journalist meinte, über Goethe schreiben zu können. Aber nicht sowohl um der Wissenden willen, sondern wegen der großen Anzahl derer, die vielleicht nun aufs neue-das Buch arglos lesen und genießen werden, wäre es wünschenswert!) gewesen, wenn Grimm von seiner gewöhnlichen Art einmal abge¬ gangen wäre und in der Einleitung eine recht plane, nüchterne und correcte Ge¬ schichte von Goethes Verhältniß zu Bettina gegeben und eine wenigstens sum¬ marische Auseinandersetzung zwischen Wahrheit und Dichtung innerhalb ihres Buches vorgenommen hätte. Wir verlangen heute mit Recht vor jedem Dichtungswerke ans früherer Zeit derartige Einleitungen, um wie viel mehr vor einem Werke, das fernerstehenden so leicht zu irrigen Vorstellungen Veranlassung geben kann! Daß der Genuß eines Kunstwerkes durch die genaue Kenntniß seiner Entstehung eher gesteigert als getrübt wird, darüber besteht wohl kein Zweifel mehr. Wie der Herausgeber übrigens im Vorworte mittheilt, soll das Honorar, das ihm für die Besorgung dieser neuen Ausgabe zugefallen ist, zur Hälfte den: Ber¬ liner Goethemonument zu gute kommen (das Buch erfüllt so nach langen Jahren noch den Zweck, dem es ursprünglich, freilich mit wesentlich anderen Plane, gewidmet war), die andere Hälfte soll den Anfang eines Fonds bilden, „aus dem vielleicht einmal zum Andenken an Achin von Armin etwas unternommen werden kann." Für die Redaction verantwortlich! Johannes Grunow in Leipzig, Verlag von F. L. Hcrbig in Leipzig. — Druck vou Carl Marquart in Reudnitz-Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/306>, abgerufen am 14.05.2024.