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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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ist. Vor allen Dingen läßt Brauns Arbeit eines vermissen, das keinem Buche,
will es den Ehrennamen eines Geschichtswerkes besitzen, fehlen darf: den sitt¬
lichen Ernst, den strengen, keuschen Sinn, der nur die Erforschung der Wahr¬
heit im Auge hat und alle Nebenrücksichten, alles Eingehen auf die Wünsche
und Neigungen des großen Haufens vornehm verschmäht. Schon der Titel
"Der Diamantenherzog" schmeckt nach Reclame. Die Schreibweise des ganzen
Werkes, witzelnd, nach Pointen und Effect haschend, in Nebendingen sich ver¬
lierend, ist auf das Gefallen bei der gedankenlosen Menge berechnet. Zu deutlich
läßt sich diese Absicht überall erkennen. Oft streift der Stil bedenklich an den
Ton einer Bierzeitung. Was soll man zu Ausdrücken sagen wie S. 138: "In
Frankreich betrachtete man damals Deutschland etwa wie das Land der Caraiben
oder Huronen, in welchem die Häuptlinge über einen Markknochen tagtäglich
einander in die Haare gerathen"? oder zu Uebergängen wie S. 40: "Herzog
Karl -- um auf unseren Hammel wieder zurückzukommen"? Derartige geschmack¬
lose Redewendungen finden sich in dem Buche nicht vereinzelt.

Mit hochmüthiger Ueberlegenheit schaut Braun auf Gervinus herab. Er
wirft ihm in der Beurtheilung Herzog Karls kritiklose Uebertreibung vor (S. 94,
vgl. auch S. 67), Ganz ohne Grund, Er hält dem hochverdienten, geiht- und
charaktervoller Todten, nicht gerade edelmüthig, eine Reihe von Fällen vor, in
denen seine Prophezeiungen freilich nicht eingetroffen sind. Aber es ist leicht¬
sinnig von Braun, zu einem Vergleiche zwischen Gervinus und sich selbst heraus¬
zufordern. Wie himmelhoch überragt ersterer, der dem deutschen Volke die Ge¬
schichte seiner Dichtung schenkte, als Geschichtschreiber den Verfasser des "Din-
mantenherzogs"!

Braun nennt sein Werk "einen deutschen Prinzenspiegel." Das Leben des
Herzogs Karl soll zeigen, wie ein deutscher Prinz nicht sein darf. Man könnte
das Buch auch einen Geschichtschreiberspiegel nennen. Denn nicht leicht kann
durch ein abschreckendes Beispiel besser gezeigt werden, wie man Geschichte nicht
schreiben darf.

Den Eindruck der Oberflächlichkeit bei dem Werke zu vervollständigen, hat
auch die Verlagsbuchhandlung von A. Hofmann und Co. das Ihrige gethan:
das Buch ist an Druckfehlern überreich.


P, Zimmer manu.


ist. Vor allen Dingen läßt Brauns Arbeit eines vermissen, das keinem Buche,
will es den Ehrennamen eines Geschichtswerkes besitzen, fehlen darf: den sitt¬
lichen Ernst, den strengen, keuschen Sinn, der nur die Erforschung der Wahr¬
heit im Auge hat und alle Nebenrücksichten, alles Eingehen auf die Wünsche
und Neigungen des großen Haufens vornehm verschmäht. Schon der Titel
„Der Diamantenherzog" schmeckt nach Reclame. Die Schreibweise des ganzen
Werkes, witzelnd, nach Pointen und Effect haschend, in Nebendingen sich ver¬
lierend, ist auf das Gefallen bei der gedankenlosen Menge berechnet. Zu deutlich
läßt sich diese Absicht überall erkennen. Oft streift der Stil bedenklich an den
Ton einer Bierzeitung. Was soll man zu Ausdrücken sagen wie S. 138: „In
Frankreich betrachtete man damals Deutschland etwa wie das Land der Caraiben
oder Huronen, in welchem die Häuptlinge über einen Markknochen tagtäglich
einander in die Haare gerathen"? oder zu Uebergängen wie S. 40: „Herzog
Karl — um auf unseren Hammel wieder zurückzukommen"? Derartige geschmack¬
lose Redewendungen finden sich in dem Buche nicht vereinzelt.

Mit hochmüthiger Ueberlegenheit schaut Braun auf Gervinus herab. Er
wirft ihm in der Beurtheilung Herzog Karls kritiklose Uebertreibung vor (S. 94,
vgl. auch S. 67), Ganz ohne Grund, Er hält dem hochverdienten, geiht- und
charaktervoller Todten, nicht gerade edelmüthig, eine Reihe von Fällen vor, in
denen seine Prophezeiungen freilich nicht eingetroffen sind. Aber es ist leicht¬
sinnig von Braun, zu einem Vergleiche zwischen Gervinus und sich selbst heraus¬
zufordern. Wie himmelhoch überragt ersterer, der dem deutschen Volke die Ge¬
schichte seiner Dichtung schenkte, als Geschichtschreiber den Verfasser des „Din-
mantenherzogs"!

Braun nennt sein Werk „einen deutschen Prinzenspiegel." Das Leben des
Herzogs Karl soll zeigen, wie ein deutscher Prinz nicht sein darf. Man könnte
das Buch auch einen Geschichtschreiberspiegel nennen. Denn nicht leicht kann
durch ein abschreckendes Beispiel besser gezeigt werden, wie man Geschichte nicht
schreiben darf.

Den Eindruck der Oberflächlichkeit bei dem Werke zu vervollständigen, hat
auch die Verlagsbuchhandlung von A. Hofmann und Co. das Ihrige gethan:
das Buch ist an Druckfehlern überreich.


P, Zimmer manu.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/362>, abgerufen am 14.05.2024.