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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Das Ministerium Gcunbotta.

Der gedachten Abstimmung ging eine Erklärung des neuen Ministeriums über
seine Absichten und Ziele voraus. Darnach will Gambetta kein Parteiministcr
souderu der Diener Frankreichs sein und in dessen Namen eine Reihe von Ver¬
änderungen herbeiführen, welche, wie er behauptet, die ganze der gegenwärtigen
Gesetzgebung beschiedene Periode in Anspruch nehmen wird -- eine Voraussagung,
die von zuversichtlichen Vertrauen auf die Dauer seiner eignen Macht zeugt.
Er schreibt sich also die Aufgabe zu, die Wünsche und Anschauungen des Landes
zu interpretiren und darnach zu handeln, und obgleich seine Interpretation mit
seinen oft ausgesprochenen persönlichen Wünschen und Anschauungen zusammen¬
fällt, konnte sie, wenn man nur an die Mehrheit denkt, im ganzen richtig sein.
Seil? Bestreben wird nach seinem Programm ein doppeltes Ziel im Ange haben:
Stärkung der Republik und Ausstattung derselben mit demokratischen Einrichtungen.
Das sind zwar allgemeine Phrasen, aber in seinen Gedanken haben sie eine be¬
stimmte Bedeutung, wie sich aus der ihnen folgenden Aufzählung der Maßregel"
ergiebt, die jenem zwiefachen Zwecke dienen solle".

Die neue Regierung will "allen Klassen des öffentlichen Dienstes Respect,
Gehorsam und Arbeit auferlegen," sie erwartet, "eine discipliuirte, rechtschaffene
und loyale Verwaltung zu finden, ungefesselt durch persönliche Einflüsse und
Bestrebungen, einzig von Pflichtgefühl und Liebe zum Staate beseelt." Das
wäre das Ideal eines Beamteustcmdes, das freilich von der menschlichen Schwäche
selten und gerade in Frankreich bisher vielleicht am seltensten erreicht worden ist.
Indeß kann es nichts schaden, wenn betont wird, daß die Regierung von ihre"
untergeordneten Gehilfe" viel verlangt, und daß sie scharf aufpassen wird. Die
Beamtenhierarchie ist freilich groß, der Corpsgeist stark ausgebildet, und so kann
es auch einem energischen Charakter wie Gambetta mit der Sache mißglücken
wie andern Leuten vor ihm.

Nachdem der Minister auseinandergesetzt, was man die Moral des KiAiul
Niuistsrs nennen könnte, zählt er in allgemeinen Ausdrücken die "Reformen"
auf, die Frankreich nach seiner Behauptung verlangt. Es hat, sagt er, "den
Wunsch kundgegeben, eine der bestehenden Gewalten des Landes dnrch eine weise
bemessene Revision der Bestimmungen unsrer Verfassung mehr in Uebereinstimmung
mit der demokratischen Natur unsrer Gesellschaft gebracht zu scheu." d. h. der
Senat muß zu einer zweiten Ausgabe, zu einem Doppelgänger der Deputirten-
kammer gemacht werden. Hier mögen in der That einige Veränderungen er¬
forderlich sein, aber wenn der Senat jedesmal, wenn er ein Gesetz verwirft oder
wesentlich abändert, umgestaltet werden soll, so wird diese Operation mit der
Verwandlung desselben in eine bloß registrirende Behörde endigen, und statt dem
Hunde den Schwanz stückweise abzudanken, thäte man besser, es auf einmal und
gründlich zu besorgen. Das Verfahren wäre weniger grausam und führte rascher
zum gewollten Ziele.

Frankreich wünscht weiter, wie man aus Gambettas Programm herauslese"


Das Ministerium Gcunbotta.

Der gedachten Abstimmung ging eine Erklärung des neuen Ministeriums über
seine Absichten und Ziele voraus. Darnach will Gambetta kein Parteiministcr
souderu der Diener Frankreichs sein und in dessen Namen eine Reihe von Ver¬
änderungen herbeiführen, welche, wie er behauptet, die ganze der gegenwärtigen
Gesetzgebung beschiedene Periode in Anspruch nehmen wird — eine Voraussagung,
die von zuversichtlichen Vertrauen auf die Dauer seiner eignen Macht zeugt.
Er schreibt sich also die Aufgabe zu, die Wünsche und Anschauungen des Landes
zu interpretiren und darnach zu handeln, und obgleich seine Interpretation mit
seinen oft ausgesprochenen persönlichen Wünschen und Anschauungen zusammen¬
fällt, konnte sie, wenn man nur an die Mehrheit denkt, im ganzen richtig sein.
Seil? Bestreben wird nach seinem Programm ein doppeltes Ziel im Ange haben:
Stärkung der Republik und Ausstattung derselben mit demokratischen Einrichtungen.
Das sind zwar allgemeine Phrasen, aber in seinen Gedanken haben sie eine be¬
stimmte Bedeutung, wie sich aus der ihnen folgenden Aufzählung der Maßregel»
ergiebt, die jenem zwiefachen Zwecke dienen solle».

Die neue Regierung will „allen Klassen des öffentlichen Dienstes Respect,
Gehorsam und Arbeit auferlegen," sie erwartet, „eine discipliuirte, rechtschaffene
und loyale Verwaltung zu finden, ungefesselt durch persönliche Einflüsse und
Bestrebungen, einzig von Pflichtgefühl und Liebe zum Staate beseelt." Das
wäre das Ideal eines Beamteustcmdes, das freilich von der menschlichen Schwäche
selten und gerade in Frankreich bisher vielleicht am seltensten erreicht worden ist.
Indeß kann es nichts schaden, wenn betont wird, daß die Regierung von ihre»
untergeordneten Gehilfe» viel verlangt, und daß sie scharf aufpassen wird. Die
Beamtenhierarchie ist freilich groß, der Corpsgeist stark ausgebildet, und so kann
es auch einem energischen Charakter wie Gambetta mit der Sache mißglücken
wie andern Leuten vor ihm.

Nachdem der Minister auseinandergesetzt, was man die Moral des KiAiul
Niuistsrs nennen könnte, zählt er in allgemeinen Ausdrücken die „Reformen"
auf, die Frankreich nach seiner Behauptung verlangt. Es hat, sagt er, „den
Wunsch kundgegeben, eine der bestehenden Gewalten des Landes dnrch eine weise
bemessene Revision der Bestimmungen unsrer Verfassung mehr in Uebereinstimmung
mit der demokratischen Natur unsrer Gesellschaft gebracht zu scheu." d. h. der
Senat muß zu einer zweiten Ausgabe, zu einem Doppelgänger der Deputirten-
kammer gemacht werden. Hier mögen in der That einige Veränderungen er¬
forderlich sein, aber wenn der Senat jedesmal, wenn er ein Gesetz verwirft oder
wesentlich abändert, umgestaltet werden soll, so wird diese Operation mit der
Verwandlung desselben in eine bloß registrirende Behörde endigen, und statt dem
Hunde den Schwanz stückweise abzudanken, thäte man besser, es auf einmal und
gründlich zu besorgen. Das Verfahren wäre weniger grausam und führte rascher
zum gewollten Ziele.

Frankreich wünscht weiter, wie man aus Gambettas Programm herauslese»


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[0383] Das Ministerium Gcunbotta. Der gedachten Abstimmung ging eine Erklärung des neuen Ministeriums über seine Absichten und Ziele voraus. Darnach will Gambetta kein Parteiministcr souderu der Diener Frankreichs sein und in dessen Namen eine Reihe von Ver¬ änderungen herbeiführen, welche, wie er behauptet, die ganze der gegenwärtigen Gesetzgebung beschiedene Periode in Anspruch nehmen wird — eine Voraussagung, die von zuversichtlichen Vertrauen auf die Dauer seiner eignen Macht zeugt. Er schreibt sich also die Aufgabe zu, die Wünsche und Anschauungen des Landes zu interpretiren und darnach zu handeln, und obgleich seine Interpretation mit seinen oft ausgesprochenen persönlichen Wünschen und Anschauungen zusammen¬ fällt, konnte sie, wenn man nur an die Mehrheit denkt, im ganzen richtig sein. Seil? Bestreben wird nach seinem Programm ein doppeltes Ziel im Ange haben: Stärkung der Republik und Ausstattung derselben mit demokratischen Einrichtungen. Das sind zwar allgemeine Phrasen, aber in seinen Gedanken haben sie eine be¬ stimmte Bedeutung, wie sich aus der ihnen folgenden Aufzählung der Maßregel» ergiebt, die jenem zwiefachen Zwecke dienen solle». Die neue Regierung will „allen Klassen des öffentlichen Dienstes Respect, Gehorsam und Arbeit auferlegen," sie erwartet, „eine discipliuirte, rechtschaffene und loyale Verwaltung zu finden, ungefesselt durch persönliche Einflüsse und Bestrebungen, einzig von Pflichtgefühl und Liebe zum Staate beseelt." Das wäre das Ideal eines Beamteustcmdes, das freilich von der menschlichen Schwäche selten und gerade in Frankreich bisher vielleicht am seltensten erreicht worden ist. Indeß kann es nichts schaden, wenn betont wird, daß die Regierung von ihre» untergeordneten Gehilfe» viel verlangt, und daß sie scharf aufpassen wird. Die Beamtenhierarchie ist freilich groß, der Corpsgeist stark ausgebildet, und so kann es auch einem energischen Charakter wie Gambetta mit der Sache mißglücken wie andern Leuten vor ihm. Nachdem der Minister auseinandergesetzt, was man die Moral des KiAiul Niuistsrs nennen könnte, zählt er in allgemeinen Ausdrücken die „Reformen" auf, die Frankreich nach seiner Behauptung verlangt. Es hat, sagt er, „den Wunsch kundgegeben, eine der bestehenden Gewalten des Landes dnrch eine weise bemessene Revision der Bestimmungen unsrer Verfassung mehr in Uebereinstimmung mit der demokratischen Natur unsrer Gesellschaft gebracht zu scheu." d. h. der Senat muß zu einer zweiten Ausgabe, zu einem Doppelgänger der Deputirten- kammer gemacht werden. Hier mögen in der That einige Veränderungen er¬ forderlich sein, aber wenn der Senat jedesmal, wenn er ein Gesetz verwirft oder wesentlich abändert, umgestaltet werden soll, so wird diese Operation mit der Verwandlung desselben in eine bloß registrirende Behörde endigen, und statt dem Hunde den Schwanz stückweise abzudanken, thäte man besser, es auf einmal und gründlich zu besorgen. Das Verfahren wäre weniger grausam und führte rascher zum gewollten Ziele. Frankreich wünscht weiter, wie man aus Gambettas Programm herauslese»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/383>, abgerufen am 14.05.2024.