Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Unruh über Bismarck.

fasscr wie jedem andern, der sich an ein solches Unternehmen wagen wollte, das
dazu erforderliche Material nicht in seiner ganzen Ausdehnung zu Gebote stand.
Mit dem aber, was davon vorlag, hat er ein gutes und nützliches Buch zu¬
stande gebracht, dem sich namentlich verständige Gesinnung und geschickte Grup-
pirung des Stoffes, Übersichtlichkeit und Phrascnlvsigkeit nachrühmen lassen,
weshalb wir nicht anstehen, es bestens zu empfehlen. Dasselbe wird durch die
Literatur, die über den Fürsten bereits erschienen ist, nicht überflüssig gemacht.
Wenn in diesen Biographien und Charakteristiken theils vorwiegend die persön¬
lichen Verhältnisse des Kanzlers, besonders in den Jahren vor seinem Eintreten
in die ministerielle Thätigkeit, ausführlich behandelt sind, theils seine Politik
mehr beurtheilt als dargestellt ist, und wenn dabei in beiden Fällen je nach dem
Parteistandpunkte der Verfasser (man denke an Hesekiel, in dessen Buch fast nur
die eingestreuten ViSmarckschen Briefe das wahre Bild Bismarcks wiederspiegeln),
recht schiefe, im besten Falle halbrichtige, einseitige Zeichnungen auf den Markt
gebracht wurden, so verfolgt unsre Schrift einen andern Plan. Sie macht sichs
zur Hauptaufgabe, die Entwicklung der staatsmännischen Bedeutung des Fürsten
nach den von ihm gehaltenen Reden und den von ihm ausgegangenen diplo¬
matischen Ackerstücken ohne viel Reflexion und ohne andre Zuthat, als zum
Verständniß erforderlich ist, dem Leser zu zeigen. Was nicht hierhin gehört,
ist kurz behandelt oder ganz beiseite gelassen worden. Dagegen giebt der Ver¬
fasser jene Reden in geschickten Analysen nud schildert die Thätigkeit Bismarcks
als Gesandter in Frankfurt und Petersburg und sein Auftrete", seine Kämpfe
und Erfolge in innern und außer" Angelegenheiten im Zusammenhange mit
der Zeitgeschichte so getreu und genau als es die Unterlagen gestatten, die
ihm zur Hand Ware". Hie und da hätte sich einiges anders ausdrücken, anderes
hinzufügen lassen. Im ganzen nehmen wir von der Lectüre des Buches den
Eindruck mit hinweg, daß es den Kanzler ins rechte Licht gestellt hat, und in
diesem erscheint er als genialer und energischer Vertheidiger des preußischen
Königthums gegen die offne und die schleichende Revolution, als der größte
preußische und deutsche Patriot und als Staatsmann allerersten Ranges. , Wir
bemerken noch, daß Herr Müller seiner Darstellung in einem historischen Rück¬
blick, in welchem das Leben des alten deutschen Reiches mit dem des neuen ver¬
glichen ist, vnd in einem ausführlichen Jnhaltsverzeichniß dankenswerthe Bei¬
lagen hinzugefügt hat.

Wer sich über die parlamentarische Thätigkeit des Kanzlers eingehender zu
unterrichten wünscht, dem sei das Sammelwerk: "Ausgewählte Reden des
Fürsten von Bismarck" (Berlin, Kortkampf) empfohlen. Es enthält in drei
Bänden alle wichtigen Reden Bismarcks aus den Jahren von 1847 bis zum
4. März 1881, wo der letzte Band mitten in der Debatte abbricht, sodaß wohl
eine Fortsetzung zu erwarten ist. Als Einleitung und Ergänzung ist der Samm¬
lung, die mit gutem Blick für das Wichtigere und Wichtigste angelegt ist und


Unruh über Bismarck.

fasscr wie jedem andern, der sich an ein solches Unternehmen wagen wollte, das
dazu erforderliche Material nicht in seiner ganzen Ausdehnung zu Gebote stand.
Mit dem aber, was davon vorlag, hat er ein gutes und nützliches Buch zu¬
stande gebracht, dem sich namentlich verständige Gesinnung und geschickte Grup-
pirung des Stoffes, Übersichtlichkeit und Phrascnlvsigkeit nachrühmen lassen,
weshalb wir nicht anstehen, es bestens zu empfehlen. Dasselbe wird durch die
Literatur, die über den Fürsten bereits erschienen ist, nicht überflüssig gemacht.
Wenn in diesen Biographien und Charakteristiken theils vorwiegend die persön¬
lichen Verhältnisse des Kanzlers, besonders in den Jahren vor seinem Eintreten
in die ministerielle Thätigkeit, ausführlich behandelt sind, theils seine Politik
mehr beurtheilt als dargestellt ist, und wenn dabei in beiden Fällen je nach dem
Parteistandpunkte der Verfasser (man denke an Hesekiel, in dessen Buch fast nur
die eingestreuten ViSmarckschen Briefe das wahre Bild Bismarcks wiederspiegeln),
recht schiefe, im besten Falle halbrichtige, einseitige Zeichnungen auf den Markt
gebracht wurden, so verfolgt unsre Schrift einen andern Plan. Sie macht sichs
zur Hauptaufgabe, die Entwicklung der staatsmännischen Bedeutung des Fürsten
nach den von ihm gehaltenen Reden und den von ihm ausgegangenen diplo¬
matischen Ackerstücken ohne viel Reflexion und ohne andre Zuthat, als zum
Verständniß erforderlich ist, dem Leser zu zeigen. Was nicht hierhin gehört,
ist kurz behandelt oder ganz beiseite gelassen worden. Dagegen giebt der Ver¬
fasser jene Reden in geschickten Analysen nud schildert die Thätigkeit Bismarcks
als Gesandter in Frankfurt und Petersburg und sein Auftrete», seine Kämpfe
und Erfolge in innern und außer» Angelegenheiten im Zusammenhange mit
der Zeitgeschichte so getreu und genau als es die Unterlagen gestatten, die
ihm zur Hand Ware«. Hie und da hätte sich einiges anders ausdrücken, anderes
hinzufügen lassen. Im ganzen nehmen wir von der Lectüre des Buches den
Eindruck mit hinweg, daß es den Kanzler ins rechte Licht gestellt hat, und in
diesem erscheint er als genialer und energischer Vertheidiger des preußischen
Königthums gegen die offne und die schleichende Revolution, als der größte
preußische und deutsche Patriot und als Staatsmann allerersten Ranges. , Wir
bemerken noch, daß Herr Müller seiner Darstellung in einem historischen Rück¬
blick, in welchem das Leben des alten deutschen Reiches mit dem des neuen ver¬
glichen ist, vnd in einem ausführlichen Jnhaltsverzeichniß dankenswerthe Bei¬
lagen hinzugefügt hat.

Wer sich über die parlamentarische Thätigkeit des Kanzlers eingehender zu
unterrichten wünscht, dem sei das Sammelwerk: „Ausgewählte Reden des
Fürsten von Bismarck" (Berlin, Kortkampf) empfohlen. Es enthält in drei
Bänden alle wichtigen Reden Bismarcks aus den Jahren von 1847 bis zum
4. März 1881, wo der letzte Band mitten in der Debatte abbricht, sodaß wohl
eine Fortsetzung zu erwarten ist. Als Einleitung und Ergänzung ist der Samm¬
lung, die mit gutem Blick für das Wichtigere und Wichtigste angelegt ist und


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0408" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/151130"/>
          <fw type="header" place="top"> Unruh über Bismarck.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1350" prev="#ID_1349"> fasscr wie jedem andern, der sich an ein solches Unternehmen wagen wollte, das<lb/>
dazu erforderliche Material nicht in seiner ganzen Ausdehnung zu Gebote stand.<lb/>
Mit dem aber, was davon vorlag, hat er ein gutes und nützliches Buch zu¬<lb/>
stande gebracht, dem sich namentlich verständige Gesinnung und geschickte Grup-<lb/>
pirung des Stoffes, Übersichtlichkeit und Phrascnlvsigkeit nachrühmen lassen,<lb/>
weshalb wir nicht anstehen, es bestens zu empfehlen. Dasselbe wird durch die<lb/>
Literatur, die über den Fürsten bereits erschienen ist, nicht überflüssig gemacht.<lb/>
Wenn in diesen Biographien und Charakteristiken theils vorwiegend die persön¬<lb/>
lichen Verhältnisse des Kanzlers, besonders in den Jahren vor seinem Eintreten<lb/>
in die ministerielle Thätigkeit, ausführlich behandelt sind, theils seine Politik<lb/>
mehr beurtheilt als dargestellt ist, und wenn dabei in beiden Fällen je nach dem<lb/>
Parteistandpunkte der Verfasser (man denke an Hesekiel, in dessen Buch fast nur<lb/>
die eingestreuten ViSmarckschen Briefe das wahre Bild Bismarcks wiederspiegeln),<lb/>
recht schiefe, im besten Falle halbrichtige, einseitige Zeichnungen auf den Markt<lb/>
gebracht wurden, so verfolgt unsre Schrift einen andern Plan. Sie macht sichs<lb/>
zur Hauptaufgabe, die Entwicklung der staatsmännischen Bedeutung des Fürsten<lb/>
nach den von ihm gehaltenen Reden und den von ihm ausgegangenen diplo¬<lb/>
matischen Ackerstücken ohne viel Reflexion und ohne andre Zuthat, als zum<lb/>
Verständniß erforderlich ist, dem Leser zu zeigen. Was nicht hierhin gehört,<lb/>
ist kurz behandelt oder ganz beiseite gelassen worden. Dagegen giebt der Ver¬<lb/>
fasser jene Reden in geschickten Analysen nud schildert die Thätigkeit Bismarcks<lb/>
als Gesandter in Frankfurt und Petersburg und sein Auftrete», seine Kämpfe<lb/>
und Erfolge in innern und außer» Angelegenheiten im Zusammenhange mit<lb/>
der Zeitgeschichte so getreu und genau als es die Unterlagen gestatten, die<lb/>
ihm zur Hand Ware«. Hie und da hätte sich einiges anders ausdrücken, anderes<lb/>
hinzufügen lassen. Im ganzen nehmen wir von der Lectüre des Buches den<lb/>
Eindruck mit hinweg, daß es den Kanzler ins rechte Licht gestellt hat, und in<lb/>
diesem erscheint er als genialer und energischer Vertheidiger des preußischen<lb/>
Königthums gegen die offne und die schleichende Revolution, als der größte<lb/>
preußische und deutsche Patriot und als Staatsmann allerersten Ranges. , Wir<lb/>
bemerken noch, daß Herr Müller seiner Darstellung in einem historischen Rück¬<lb/>
blick, in welchem das Leben des alten deutschen Reiches mit dem des neuen ver¬<lb/>
glichen ist, vnd in einem ausführlichen Jnhaltsverzeichniß dankenswerthe Bei¬<lb/>
lagen hinzugefügt hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1351" next="#ID_1352"> Wer sich über die parlamentarische Thätigkeit des Kanzlers eingehender zu<lb/>
unterrichten wünscht, dem sei das Sammelwerk: &#x201E;Ausgewählte Reden des<lb/>
Fürsten von Bismarck" (Berlin, Kortkampf) empfohlen. Es enthält in drei<lb/>
Bänden alle wichtigen Reden Bismarcks aus den Jahren von 1847 bis zum<lb/>
4. März 1881, wo der letzte Band mitten in der Debatte abbricht, sodaß wohl<lb/>
eine Fortsetzung zu erwarten ist. Als Einleitung und Ergänzung ist der Samm¬<lb/>
lung, die mit gutem Blick für das Wichtigere und Wichtigste angelegt ist und</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0408] Unruh über Bismarck. fasscr wie jedem andern, der sich an ein solches Unternehmen wagen wollte, das dazu erforderliche Material nicht in seiner ganzen Ausdehnung zu Gebote stand. Mit dem aber, was davon vorlag, hat er ein gutes und nützliches Buch zu¬ stande gebracht, dem sich namentlich verständige Gesinnung und geschickte Grup- pirung des Stoffes, Übersichtlichkeit und Phrascnlvsigkeit nachrühmen lassen, weshalb wir nicht anstehen, es bestens zu empfehlen. Dasselbe wird durch die Literatur, die über den Fürsten bereits erschienen ist, nicht überflüssig gemacht. Wenn in diesen Biographien und Charakteristiken theils vorwiegend die persön¬ lichen Verhältnisse des Kanzlers, besonders in den Jahren vor seinem Eintreten in die ministerielle Thätigkeit, ausführlich behandelt sind, theils seine Politik mehr beurtheilt als dargestellt ist, und wenn dabei in beiden Fällen je nach dem Parteistandpunkte der Verfasser (man denke an Hesekiel, in dessen Buch fast nur die eingestreuten ViSmarckschen Briefe das wahre Bild Bismarcks wiederspiegeln), recht schiefe, im besten Falle halbrichtige, einseitige Zeichnungen auf den Markt gebracht wurden, so verfolgt unsre Schrift einen andern Plan. Sie macht sichs zur Hauptaufgabe, die Entwicklung der staatsmännischen Bedeutung des Fürsten nach den von ihm gehaltenen Reden und den von ihm ausgegangenen diplo¬ matischen Ackerstücken ohne viel Reflexion und ohne andre Zuthat, als zum Verständniß erforderlich ist, dem Leser zu zeigen. Was nicht hierhin gehört, ist kurz behandelt oder ganz beiseite gelassen worden. Dagegen giebt der Ver¬ fasser jene Reden in geschickten Analysen nud schildert die Thätigkeit Bismarcks als Gesandter in Frankfurt und Petersburg und sein Auftrete», seine Kämpfe und Erfolge in innern und außer» Angelegenheiten im Zusammenhange mit der Zeitgeschichte so getreu und genau als es die Unterlagen gestatten, die ihm zur Hand Ware«. Hie und da hätte sich einiges anders ausdrücken, anderes hinzufügen lassen. Im ganzen nehmen wir von der Lectüre des Buches den Eindruck mit hinweg, daß es den Kanzler ins rechte Licht gestellt hat, und in diesem erscheint er als genialer und energischer Vertheidiger des preußischen Königthums gegen die offne und die schleichende Revolution, als der größte preußische und deutsche Patriot und als Staatsmann allerersten Ranges. , Wir bemerken noch, daß Herr Müller seiner Darstellung in einem historischen Rück¬ blick, in welchem das Leben des alten deutschen Reiches mit dem des neuen ver¬ glichen ist, vnd in einem ausführlichen Jnhaltsverzeichniß dankenswerthe Bei¬ lagen hinzugefügt hat. Wer sich über die parlamentarische Thätigkeit des Kanzlers eingehender zu unterrichten wünscht, dem sei das Sammelwerk: „Ausgewählte Reden des Fürsten von Bismarck" (Berlin, Kortkampf) empfohlen. Es enthält in drei Bänden alle wichtigen Reden Bismarcks aus den Jahren von 1847 bis zum 4. März 1881, wo der letzte Band mitten in der Debatte abbricht, sodaß wohl eine Fortsetzung zu erwarten ist. Als Einleitung und Ergänzung ist der Samm¬ lung, die mit gutem Blick für das Wichtigere und Wichtigste angelegt ist und

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/408
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/408>, abgerufen am 14.05.2024.