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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Literatur.

Schwunge wie zum ergreifenden Ausdruck innigen Gefühles, so in den schönen
Worten, die Drimakos dem fürs Vaterland gefallenen Sohne nachruft:


Schön gefallen
Ist er! Früh hinweg von dieser Erde
Nehmen ihre Lieblinge die Götter,
Daß sie nicht der Jugend, nicht des Glückes
Welken sehen. Laß uns denn, Kallisto,
Um den Sohn nicht klagen; nein, laß stolz uns
Sein gedenken, daß er, den ich lässig,
Thatlos oft gescholten, sich ermannt hat
Und, fast Knabe, Männerruhm erstritten!
Konnten wir dem Vaterland ihn weigern?

Nur zwei Bemerkungen seien gestattet. Warum hat der Dichter nicht die Ueber¬
lieferung bon dem Orakelspruche über die hölzernen Mauern beinahe, hinter welche
die Athener sich flüchten sollten? Und dann: daß die Dienerin Ocnvne erzählt,
sie habe Satyr" im Waldesdickicht tanzen sehen, stimmt zu dem sonst festgehaltenen
Charakter der Dichtung nicht. Auf so unmittelbare Quellen dürfen solche Visionen
nicht zurückgeführt werden, wenn man nicht überhaupt ins Märchenhafte übergehen
will. Wie solche Erscheinungen, die ja für erregte Zeiten charakteristisch sind, in
Scene zu setzen sind, dafür giebt der Dichter selbst das schönste Beispiel:


Hin von Mund zu Mund der Schiffer, wie sie
Auswärts klimmen, geht die Rede: Habt Jhr's
Schon vernommen? Glaukos hält, der Meergott,
Von Gestade zu Gestad', von Insel
Hin zu Insel wieder seinen Festzug.
Diese Nacht beim Mondlicht sahen viele
In der Hafenbucht deu Fischgeschwänztcn
Im Gefolg von jauchzenden Tritonen ze.

Das ist die Unbestimmtheit der Beleuchtung, die Angreifbarkeit der Quelle, die für
derartige Dinge nöthig ist."

Freunden edler Poesie mögen die "Plejnden warm empfohlen sein.






Für die Redaction verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. -- Druck von Carl Marguart in Rendni^Leipzig-
Literatur.

Schwunge wie zum ergreifenden Ausdruck innigen Gefühles, so in den schönen
Worten, die Drimakos dem fürs Vaterland gefallenen Sohne nachruft:


Schön gefallen
Ist er! Früh hinweg von dieser Erde
Nehmen ihre Lieblinge die Götter,
Daß sie nicht der Jugend, nicht des Glückes
Welken sehen. Laß uns denn, Kallisto,
Um den Sohn nicht klagen; nein, laß stolz uns
Sein gedenken, daß er, den ich lässig,
Thatlos oft gescholten, sich ermannt hat
Und, fast Knabe, Männerruhm erstritten!
Konnten wir dem Vaterland ihn weigern?

Nur zwei Bemerkungen seien gestattet. Warum hat der Dichter nicht die Ueber¬
lieferung bon dem Orakelspruche über die hölzernen Mauern beinahe, hinter welche
die Athener sich flüchten sollten? Und dann: daß die Dienerin Ocnvne erzählt,
sie habe Satyr» im Waldesdickicht tanzen sehen, stimmt zu dem sonst festgehaltenen
Charakter der Dichtung nicht. Auf so unmittelbare Quellen dürfen solche Visionen
nicht zurückgeführt werden, wenn man nicht überhaupt ins Märchenhafte übergehen
will. Wie solche Erscheinungen, die ja für erregte Zeiten charakteristisch sind, in
Scene zu setzen sind, dafür giebt der Dichter selbst das schönste Beispiel:


Hin von Mund zu Mund der Schiffer, wie sie
Auswärts klimmen, geht die Rede: Habt Jhr's
Schon vernommen? Glaukos hält, der Meergott,
Von Gestade zu Gestad', von Insel
Hin zu Insel wieder seinen Festzug.
Diese Nacht beim Mondlicht sahen viele
In der Hafenbucht deu Fischgeschwänztcn
Im Gefolg von jauchzenden Tritonen ze.

Das ist die Unbestimmtheit der Beleuchtung, die Angreifbarkeit der Quelle, die für
derartige Dinge nöthig ist."

Freunden edler Poesie mögen die „Plejnden warm empfohlen sein.






Für die Redaction verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Carl Marguart in Rendni^Leipzig-
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[0442] Literatur. Schwunge wie zum ergreifenden Ausdruck innigen Gefühles, so in den schönen Worten, die Drimakos dem fürs Vaterland gefallenen Sohne nachruft: Schön gefallen Ist er! Früh hinweg von dieser Erde Nehmen ihre Lieblinge die Götter, Daß sie nicht der Jugend, nicht des Glückes Welken sehen. Laß uns denn, Kallisto, Um den Sohn nicht klagen; nein, laß stolz uns Sein gedenken, daß er, den ich lässig, Thatlos oft gescholten, sich ermannt hat Und, fast Knabe, Männerruhm erstritten! Konnten wir dem Vaterland ihn weigern? Nur zwei Bemerkungen seien gestattet. Warum hat der Dichter nicht die Ueber¬ lieferung bon dem Orakelspruche über die hölzernen Mauern beinahe, hinter welche die Athener sich flüchten sollten? Und dann: daß die Dienerin Ocnvne erzählt, sie habe Satyr» im Waldesdickicht tanzen sehen, stimmt zu dem sonst festgehaltenen Charakter der Dichtung nicht. Auf so unmittelbare Quellen dürfen solche Visionen nicht zurückgeführt werden, wenn man nicht überhaupt ins Märchenhafte übergehen will. Wie solche Erscheinungen, die ja für erregte Zeiten charakteristisch sind, in Scene zu setzen sind, dafür giebt der Dichter selbst das schönste Beispiel: Hin von Mund zu Mund der Schiffer, wie sie Auswärts klimmen, geht die Rede: Habt Jhr's Schon vernommen? Glaukos hält, der Meergott, Von Gestade zu Gestad', von Insel Hin zu Insel wieder seinen Festzug. Diese Nacht beim Mondlicht sahen viele In der Hafenbucht deu Fischgeschwänztcn Im Gefolg von jauchzenden Tritonen ze. Das ist die Unbestimmtheit der Beleuchtung, die Angreifbarkeit der Quelle, die für derartige Dinge nöthig ist." Freunden edler Poesie mögen die „Plejnden warm empfohlen sein. Für die Redaction verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig. Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Carl Marguart in Rendni^Leipzig-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/442>, abgerufen am 14.05.2024.