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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Die politischen Parteien und ihr Einfluß ans Justiz und Verwaltung.

thnrmspolitik noch genügend tummeln, wenn sie wissen, daß von ihrem Willen
der Bestand des Ministeriums abhängt.

Man sieht aus dieser ganzen Darstellung Minghettis, daß Italien das hi¬
storische Königthum fehlt. Der Verfasser ist Bolognese; seine Jugend, seine Er¬
innerungen haben mit der savoyischen Dynastie nichts zu thun. Dieselbe war
damals so viel oder so wenig beliebt, als es irgend eine andre der viele"
Dyuastenfamilien war. Die Verdienste der savoyischen Dynastie um Italien
-- die hier gewiß nicht unterschätzt werden sollen -- sind verlMtuißmnßig jungen
Datums, und diese Verdienste werden durch die parlamentarische Parteihcrrschaft
immer mehr in den Augen der Nation herabgewürdigt. Was schon vielfach auf¬
merksamen Reisenden in Italien begegnet ist, daß das Volk die Zustände vor
der Italie rin" für besser empfunden hat, Minghetti wagt es mit Freimuth
auszusprechen und es ist gewiß ein Zeugniß von der schwerwicgeudsten Bedeu¬
tung, wenn er sagt, daß die Justizpflege früher eine im allgemeinen unparteiischere
gewesen sei als jetzt.

Es ist unnöthig hier auszuführen, ans wie ganz andern Grundlagen das
deutsche Königthum erwachsen ist, wie sich die Geschicke der hohenzollernschen
Dynastie untrennbar mit denen der Nation verknüpft haben. Das preußische
Königthum ist es gewesen, welches die verschiedenen von einander unabhängigen
Provinzen zu einem einheitlichen Staate umgebildet und die Staatsidee in der
Bevölkerung wachgerufen und gepflegt hat. Dieses Königthum hat die Feudal-
lasten aufgehoben, die Bauern von der Erbnnterthänigkcit befreit, den Grundbesitz
von den beschwerenden Lasten und Abgaben freigemacht. Dieses Königthum
hat durch seine Gesetzgebung es verstanden, in einer so gemischten Bevölkerung
den confessionellen Frieden Jahrhunderte lang aufrecht zu erhalten und wird es
auch verstehen, den durch äußere Gewalten gestörten Frieden wieder zu gewähren.
Dieses Königthum hat einen mustergiltigen und pflichttreuen Beamenstand auf¬
gezogen, indem sich zu einer Zeit, als anderswo die Monarchen in Sinneslust
n"d Ruhmgier versunken waren, der König selbst als den ersten Diener des
Staates erklärte. Ein solches Königthum, dessen große Bedeutung im Frieden
und im Krieg hier nur angedeutet ist, kann nicht zu Gunsten einer wechselnden
Parlamentsmehrheit abdanken, ohne sich selbst und ohne den Staat aufzugeben.
Es wird zu seinen alten Ruhmeskränzen auch noch den hinzufügen, das Volk
von dem socialen Druck eines übermächtigen Capitals zu befreien.

Der Abgeordnete Richter hat im Reichstag unbewußt und unabsichtlich die
Stellung des Parlaments im deutscheu Reiche bezeichnet, daß er es dem Mi¬
nisterium gegenüber als deu zweiten Rath der Krone hinstellte. Er und seine
Partei mag aber auch die Consequenzen ziehen. Nur ein Rath soll das Parla¬
ment sein, und damit ist seiner Stellung nichts vergeben, aber mich der Krone
nicht zu nahe getreten. Wenn letztere ohne das Parlament nichts in der Ge¬
setzgebung vermag, so darf auch dieses nicht die Krone in seinen Dienst zwingen.


Die politischen Parteien und ihr Einfluß ans Justiz und Verwaltung.

thnrmspolitik noch genügend tummeln, wenn sie wissen, daß von ihrem Willen
der Bestand des Ministeriums abhängt.

Man sieht aus dieser ganzen Darstellung Minghettis, daß Italien das hi¬
storische Königthum fehlt. Der Verfasser ist Bolognese; seine Jugend, seine Er¬
innerungen haben mit der savoyischen Dynastie nichts zu thun. Dieselbe war
damals so viel oder so wenig beliebt, als es irgend eine andre der viele»
Dyuastenfamilien war. Die Verdienste der savoyischen Dynastie um Italien
— die hier gewiß nicht unterschätzt werden sollen — sind verlMtuißmnßig jungen
Datums, und diese Verdienste werden durch die parlamentarische Parteihcrrschaft
immer mehr in den Augen der Nation herabgewürdigt. Was schon vielfach auf¬
merksamen Reisenden in Italien begegnet ist, daß das Volk die Zustände vor
der Italie rin» für besser empfunden hat, Minghetti wagt es mit Freimuth
auszusprechen und es ist gewiß ein Zeugniß von der schwerwicgeudsten Bedeu¬
tung, wenn er sagt, daß die Justizpflege früher eine im allgemeinen unparteiischere
gewesen sei als jetzt.

Es ist unnöthig hier auszuführen, ans wie ganz andern Grundlagen das
deutsche Königthum erwachsen ist, wie sich die Geschicke der hohenzollernschen
Dynastie untrennbar mit denen der Nation verknüpft haben. Das preußische
Königthum ist es gewesen, welches die verschiedenen von einander unabhängigen
Provinzen zu einem einheitlichen Staate umgebildet und die Staatsidee in der
Bevölkerung wachgerufen und gepflegt hat. Dieses Königthum hat die Feudal-
lasten aufgehoben, die Bauern von der Erbnnterthänigkcit befreit, den Grundbesitz
von den beschwerenden Lasten und Abgaben freigemacht. Dieses Königthum
hat durch seine Gesetzgebung es verstanden, in einer so gemischten Bevölkerung
den confessionellen Frieden Jahrhunderte lang aufrecht zu erhalten und wird es
auch verstehen, den durch äußere Gewalten gestörten Frieden wieder zu gewähren.
Dieses Königthum hat einen mustergiltigen und pflichttreuen Beamenstand auf¬
gezogen, indem sich zu einer Zeit, als anderswo die Monarchen in Sinneslust
n»d Ruhmgier versunken waren, der König selbst als den ersten Diener des
Staates erklärte. Ein solches Königthum, dessen große Bedeutung im Frieden
und im Krieg hier nur angedeutet ist, kann nicht zu Gunsten einer wechselnden
Parlamentsmehrheit abdanken, ohne sich selbst und ohne den Staat aufzugeben.
Es wird zu seinen alten Ruhmeskränzen auch noch den hinzufügen, das Volk
von dem socialen Druck eines übermächtigen Capitals zu befreien.

Der Abgeordnete Richter hat im Reichstag unbewußt und unabsichtlich die
Stellung des Parlaments im deutscheu Reiche bezeichnet, daß er es dem Mi¬
nisterium gegenüber als deu zweiten Rath der Krone hinstellte. Er und seine
Partei mag aber auch die Consequenzen ziehen. Nur ein Rath soll das Parla¬
ment sein, und damit ist seiner Stellung nichts vergeben, aber mich der Krone
nicht zu nahe getreten. Wenn letztere ohne das Parlament nichts in der Ge¬
setzgebung vermag, so darf auch dieses nicht die Krone in seinen Dienst zwingen.


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[0505] Die politischen Parteien und ihr Einfluß ans Justiz und Verwaltung. thnrmspolitik noch genügend tummeln, wenn sie wissen, daß von ihrem Willen der Bestand des Ministeriums abhängt. Man sieht aus dieser ganzen Darstellung Minghettis, daß Italien das hi¬ storische Königthum fehlt. Der Verfasser ist Bolognese; seine Jugend, seine Er¬ innerungen haben mit der savoyischen Dynastie nichts zu thun. Dieselbe war damals so viel oder so wenig beliebt, als es irgend eine andre der viele» Dyuastenfamilien war. Die Verdienste der savoyischen Dynastie um Italien — die hier gewiß nicht unterschätzt werden sollen — sind verlMtuißmnßig jungen Datums, und diese Verdienste werden durch die parlamentarische Parteihcrrschaft immer mehr in den Augen der Nation herabgewürdigt. Was schon vielfach auf¬ merksamen Reisenden in Italien begegnet ist, daß das Volk die Zustände vor der Italie rin» für besser empfunden hat, Minghetti wagt es mit Freimuth auszusprechen und es ist gewiß ein Zeugniß von der schwerwicgeudsten Bedeu¬ tung, wenn er sagt, daß die Justizpflege früher eine im allgemeinen unparteiischere gewesen sei als jetzt. Es ist unnöthig hier auszuführen, ans wie ganz andern Grundlagen das deutsche Königthum erwachsen ist, wie sich die Geschicke der hohenzollernschen Dynastie untrennbar mit denen der Nation verknüpft haben. Das preußische Königthum ist es gewesen, welches die verschiedenen von einander unabhängigen Provinzen zu einem einheitlichen Staate umgebildet und die Staatsidee in der Bevölkerung wachgerufen und gepflegt hat. Dieses Königthum hat die Feudal- lasten aufgehoben, die Bauern von der Erbnnterthänigkcit befreit, den Grundbesitz von den beschwerenden Lasten und Abgaben freigemacht. Dieses Königthum hat durch seine Gesetzgebung es verstanden, in einer so gemischten Bevölkerung den confessionellen Frieden Jahrhunderte lang aufrecht zu erhalten und wird es auch verstehen, den durch äußere Gewalten gestörten Frieden wieder zu gewähren. Dieses Königthum hat einen mustergiltigen und pflichttreuen Beamenstand auf¬ gezogen, indem sich zu einer Zeit, als anderswo die Monarchen in Sinneslust n»d Ruhmgier versunken waren, der König selbst als den ersten Diener des Staates erklärte. Ein solches Königthum, dessen große Bedeutung im Frieden und im Krieg hier nur angedeutet ist, kann nicht zu Gunsten einer wechselnden Parlamentsmehrheit abdanken, ohne sich selbst und ohne den Staat aufzugeben. Es wird zu seinen alten Ruhmeskränzen auch noch den hinzufügen, das Volk von dem socialen Druck eines übermächtigen Capitals zu befreien. Der Abgeordnete Richter hat im Reichstag unbewußt und unabsichtlich die Stellung des Parlaments im deutscheu Reiche bezeichnet, daß er es dem Mi¬ nisterium gegenüber als deu zweiten Rath der Krone hinstellte. Er und seine Partei mag aber auch die Consequenzen ziehen. Nur ein Rath soll das Parla¬ ment sein, und damit ist seiner Stellung nichts vergeben, aber mich der Krone nicht zu nahe getreten. Wenn letztere ohne das Parlament nichts in der Ge¬ setzgebung vermag, so darf auch dieses nicht die Krone in seinen Dienst zwingen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/505>, abgerufen am 14.05.2024.